Georgiens Clubszene gegen den Staat

"Wir fühlen uns betrogen"

Demonstranten vor einem Banner mit der Aufschrift "We dance together, we fight together" während eines Protest in der Nähe der Botschaft Georgiens in Warschau
Protest nahe der Botschaft von Georgien in Warschau: Auch Demonstranten in Polen zeigen sich solidarisch mit der Clubszene in Tiflis. © imago/ZUMA Press
Zviad Gelbakhiani im Gespräch mit Axel Rahmlow · 22.05.2018
Tausende junge Georgier gingen kürzlich gegen die Schließung von zwei Clubs und Festnahmen von Gästen auf die Straße. Die offizielle Begründung: Drogenverdacht. Clubbetreiber Zviad Gelbakhiani sieht dahinter jedoch eine Machtdemonstration der Regierung – und erklärt die Hintergründe.
Axel Rahmlow: Wie geht es Ihnen?
Zviad Gelbakhiani: Es war die intensivste und stressigste Woche für uns alle, in meinem gesamten Leben. Was wir uns vier Jahre lang aufgebaut haben, ist überfallen worden. Ich und meine Freunde waren im Bassiani-Club als die Polizei gestürmt hat und wir hatten das Gefühl, wir sind das Ziel eines Anti-Terror-Einsatzes. Auf der einen Seite hatten wir diese Spezialkräfte der Polizei die mitten in den Club gestürmt sind, und auf der anderen Seite gab es neben all der Unterstützung auch eine große gesteuerte Kampagne gegen uns in den sozialen Medien. Deswegen war es die stressigste Woche meines Lebens.
Wir haben alles verloren. Und das Schlimmste ist, es gibt keinen Grund dafür. Die offizielle Begründung ist ja der Verdacht auf Drogen, aber selbst der Innenminister hat uns bei einem Treffen hinter verschlossenen Türen bestätigt, dass wir nichts damit zu tun haben. Aber öffentlich sagt er das nicht. Mein Punkt ist der: Das war kein Anti-Drogen-Einsatz. Es war eine Machtdemonstration gegen uns als Vertreter einer Generation die diesem System hier widersteht und gegen es protestiert. Es war ein Versuch unsere Bewegung zu treffen.

"Sie geben uns unseren Club nicht zurück"

Rahmlow: Durften sie das Bassiani seitdem wieder betreten?
Gelbakhiani: Nein die Polizei hält ihn weiter geschlossen. Es dauert schon über einer Woche und sie geben uns unseren Club nicht zurück, ohne jeden Grund. Sie sagen die Untersuchung würde noch andauern, deswegen dürfen wir nicht rein. Aber das ist eine politische Entscheidung des Innenministeriums. Auch das ist eine Machtdemonstration.
Rahmlow: Es gab laute Proteste und viel internationale Unterstützung für Sie. Aber der Club ist immer noch zu und der Innenminister hat seine öffentliche Entschuldigung faktisch wieder zurückgenommen. Waren die Proteste erfolgreich?
Gelbakhiani: Ich möchte zuerst unseren Unterstützern danken die mit uns vor dem Parlament protestiert haben. Innerhalb von acht Stunden sind 10.000 Menschen zusammen gekommen. Es war ein historischer Moment, ein Moment der Reflexion und der Reaktion unserer Zivilgesellschaft. Aber das Schlimme ist: Wir haben uns von der öffentlichen Entschuldigung des Innenministers täuschen lassen. Wir haben ihm geglaubt. Vielleicht hat er gedacht nach einer Woche ist die Luft bei den Demonstranten raus und deswegen hat er eine Kehrtwende vollzogen. Aber die Luft ist nicht raus. Die Proteste gehen weiter. Wir planen gerade in welcher Form wir weiter protestieren werden. Wir fühlen uns betrogen denn es hat sich nichts verändert seit der letzten Woche.
Rahmlow: Sie scheinen optimistisch zu sein.
Zvias Gelbakhiani: Ich habe Hoffnung weil unsere Freunde und Kollegen uns unterstützen. Wir wissen dass es hier um das gesamte System geht. Es geht nicht um eine Person wie den Innenminister sondern systemische Missstände und die müssen angegangen werden, durch uns. Wir brauchen mehr Protest und Druck durch unsere Unterstützer aber auch der gesamten Gesellschaft.

Clubkultur als Antreiber von Veränderungen

Rahmlow: Kann Clubkultur ein Mittel sein um dieser Veränderungen voranzutreiben?
Gelbakhiani: Wir sind schon das Mittel. Die Homophobie im Land, Frauenrechte, die harte Drogenpolitik, da zum Beispiel ist die Clubkultur im Zentrum als Antreiber von Veränderungen. Und ich habe die Hoffnung dass das auch in den nächsten Tagen und Monaten so sein wird. Denn die Clubkultur ist für uns ein Medium, eine Art uns auszudrücken, unsere Werte zu teilen.
Rahmlow: Sie sind gestürmt wegen des Verdachts auf Verbindung zum Drogenhandel. Das könnte wieder passieren. Was können sie tun damit dieses Argument nicht wieder gegen Sie verwendet wird?
Gelbakhiani: In allen meinen Statements sage ich: Wir sind gegen Drogen und gegen Drogenhandel. Und die Drogenhändel die vor der Stürmung des Clubs verhaftet worden sind, die hatten Drogen im Wert von gerade mal ein paar hundert Euro dabei. Das sind nicht die großen Drogendealer. Aber wir denken diese Debatte über Drogen ist eine Ablenkung der Regierung bei der wir nicht mitmachen wollen. Das ist die falsche Debatte. Sie sagen: Wir wollen Drogen. Aber das ist nicht wahr. Es geht nicht um Drogen. Es geht um unsere Rechte.
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