Geologie

Und nun die Gerölllawinen-Vorhersage

Von Lutz Reidt · 17.02.2014
Hang- und Bergrutsche verschütten Bahnlinien und Straße, bisweilen begraben sie ganze Wohnsiedlungen unter sich. Auch hierzulande kommt es zu den gefährlichen Landslides. Die Vorhersage ist bislang schwer. Zwei deutsche Forscher entwickeln ein präziseres Frühwarnsystem.
Tief hinein in die Bucklige Welt tauchen Oliver Krol und Thomas Bernard: Dieses Mittelgebirge in Niederösterreich offenbart sich in der Kartenansicht am Computermonitor als digitales Höhenmodell in bunten Farben: Grün steht für weitläufige Bereiche mit geringen Höhenunterschieden und gelb bis orange für Hügel und Berge. Dieses Kartenwerk ist ein Modell für Gefahrenzonen. Und die Gefahr heißt: Erdrutsch.
Wo steil geneigte Hänge potentiell ins Rutschen kommen könnten, finden sich im Höhenmodell inmitten der grünen und gelben Bereiche viele langgezogene blaue Flecken und Einsprengsel. Dieses Blau, so betont Oliver Krol, ist hier keinesfalls das Symbol für Seen und Flüsse:
"Das ist der 'Slope', also die wirkliche Hangneigung. Man könnte natürlich auch feiner auflösen und unterschiedliche Landnutzungsarten hier klassifizieren und deren Einfluss einbeziehen im Hinblick auf Hangrutschung."
Thomas Bernard: "Es gibt verschiedene Karten. Das sind hier einfach die Hangneigungen, dann auch der Bewuchs zum Beispiel von den Gebieten - was für Gesteinsarten man dort vorliegen hat - und sogenannte Dispositionskarten, die also fix, also nicht zeitlich veränderlich einfach angeben die Wahrscheinlichkeit, in welchen Regionen jetzt mehr oder weniger stark mit solchen Massenbewegungen oder Landslides, Hangabrutschen, zu rechnen ist."
Wenn Schutt und Geröll an steilen Hängen ins Rutschen kommen, können Gesteinslawinen Bahnlinien und Straßen verschütten, im Extremfall sogar Siedlungen mit vielen Menschen unter sich begraben.
Diese Gefahr ist allgegenwärtig, nicht nur in der Buckligen Welt in Niederösterreich. Oliver Krol hat dies selbst erleben müssen, als er noch in Kaiserslautern studierte und vom heimatlichen Neustadt aus mit dem Zug durch den tief zerklüfteten Pfälzer Wald fuhr:
"Ja, alle zwei Jahre kann man damit rechnen, dass die Strecke mal gesperrt ist, die Zugstrecke, weil da ein Hang abgerutscht ist und eben die Schienen verschüttet wurden."
Starker Regen als Auslöser
Der promovierte Ingenieur Oliver Krol entwickelt am Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung in Karlsruhe ein Frühwarnsystem: ELDEWAS. Dieses englische Kürzel umschreibt das Forschungsziel, nämlich die Gefahr von Hangrutschen rechtzeitig zu erkennen und den Eintritt der Katastrophe vorherzusagen.
In der Regel geraten Berghänge nicht unvermittelt ins Rutschen. Meist weichen zuvor starke Regenfälle das Erdreich auf. Deswegen war es für die Karlsruher Forscher wichtig, in ihrem Frühwarnsystem geowissenschaftliche Daten über Höhenprofile, Hangneigungen und Landnutzung mit meteorologischen Daten zu koppeln. Wenn also die Kurzfrist-Wettervorhersage starke Regenfälle ankündigt, dann steigt in den blauen Zonen die Gefahr von Hangrutschen.
Krol: "Also, hier werden jetzt aus einer Datenbank Daten hochgeladen und auf dieses Gebiet gemappt. Und was Sie jetzt hier sehen, sind kleine, rote Kästchen, und die zeigen kritische Niederschlagszellen an."
Ein heftiges Gewitter tobt jetzt über der Buckeligen Welt in Niederösterreich. Sintflutartige Regenfälle prasseln auf die steilen Hänge nieder, die im digitalen Höhenmodell blau markiert sind. Dort, wo der Niederschlag besonders intensiv und zudem die Hangneigung extrem ist, leuchten zwei tiefrot gefärbte Kästchen über den blauen Zonen auf.
Krol: "Da ist ein bestimmter Schwellwert überschritten. Da regnet es besonders stark, und dann werden hier in diesen Kästchen noch entsprechend die Orte angezeigt, in denen tatsächlich diese Disposition sehr hoch ist oder die Gefahrensituation sehr hoch einzuschätzen ist."
Qualität der Wetterdaten entscheidend
Wie genau die Prognose eines Hangrutsches ist, hängt stark von der Qualität der eingespeisten Wetterdaten ab.
Krol: "Anderenorts wurden natürlich auch schon solche Frühwarnsysteme entwickelt, beispielsweise Kalifornien oder Hongkong. Aber die basieren dann meist auf Wetterdaten, die ein- oder zweimal im Laufe des Tages aktualisiert werden. Und das ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Mehrwert unseres Systems."
Statt ein- bis zweimal am Tag rufen die Karlsruher Forscher in ihrem Modell alle 15 Minuten aktuelle Niederschlagsdaten ab. Das erlaubt dann auch genauere Prognosen, ob es zu einem Hangrutsch kommen kann.
Krol : "Wir haben auch einen Vorhersagehorizont von bis zu sechs Stunden, und das bietet natürlich einen Handlungszeitraum, in dem viel passieren kann. Also, da kann ich Straßen sperren, in dem Zeitraum kann ich Leute warnen. Und das ist aus meiner Sicht ein enormes Potential, was da genutzt werden kann oder geschaffen werden kann."
Oliver Krol und Thomas Bernard wollen ihr System nun ausgiebig testen und dann im Herbst den ersten Prototyp vorstellen. Grundsätzlich ließe sich ihre Software überall in der Welt einsetzen, wo es zu Hangrutschen kommen kann - ob in Kolumbien, China oder anderswo. Projektpartner aus Österreich werden wahrscheinlich als Erste das ELDEWAS-System testen.
Krol: "Letztendlich ist es so gedacht, dass dieses System bei einer Sicherheitszentrale beispielsweise im Burgenland immer im Hintergrund mitläuft, die Daten runterlädt und im Falle einer Gefährdung, einer akuten Gefährdung, dann eine Meldung erst einmal aufpoppt am Bildschirm beispielsweise, aber auch an die betroffenen Regionen und die verantwortlichen Leute dort eine Meldung ergeht per E-Mail oder per SMS."
Mehr zum Thema