Gentechnik nach Feierabend

09.03.2013
Kann man die Forschung mit dem Erbgut aus den Instituten holen und jedermann zugänglich machen? Die drei Autoren von "Biohacking" suchten Kontakt zur Szene, haben selbst experimentiert und einen informativen Einblick in eine eigenwillige Wissenschaftswelt verfasst.
Etwas selbst machen, Spaß haben, Neues über die Natur und das Leben lernen: Das wollen viele, aber nur die Biohacker nutzen dazu Methoden, die aus den Laboren der Genforschung stammen. Wie das geht, wollten drei deutsche Wissenschaftsjournalisten wissen und tauchten tief in die Szene ein. Was sie dabei erlebt haben, beschreiben sie anschaulich, locker und mit viel Gespür für schräge Einzelheiten in ihrem jetzt erschienen Buch.

Zunächst besorgen sich die drei die nötigen Geräte, Materialien und Chemikalien. Dann suchen sie Kontakt, lassen sich Tipps geben, und sind schon bald mittendrin in der "Do-it-yourself-Biologen-Szene". Nach ersten Rückschlägen schaffen sie es, aus Sushi ein Fisch-Gen zu isolieren, eine Toilette zum Leuchten zu bringen und Genfragmente aus Hundekot und menschlicher Spucke zu gewinnen. Zwar gelingt es ihnen zu ihrem eigenen Leidwesen nicht, einen Park-Verschmutzer einwandfrei anhand seiner DNA zu identifizieren, aber die drei lernen eine Welt kennen, voller kleiner technischer Probleme und großer wissenschaftlicher Träume.

Und sie lernen schnell: Biohacker pflegen einen ausgeprägten Freiheitsdrang! Sie wollen die Genforschung aus den Laboren der Forschungsinstitute herausholen und sie jedermann zugänglich machen. Wie der Chaos-Computerclub wollen die Biohacker die Methoden der Großen kennenlernen, um sie zu hinterfragen und Fehlentwicklungen aufzudecken.

Dass beim Experimentieren mit Gentechnik in der Küche oder in der Garage auch Gefahren lauern, demonstrieren die drei Autoren, indem sie sich Bauteile für das hochgiftige Rizin besorgen. Auch wenn sie nicht versuchen, den Giftstoff in seine aktive Form zu überführen, so machen sie durch dieses Beispiel deutlich, wie nah naive Spielerei und gefährliche Biowaffenproduktion beieinanderliegen. Was mit ausreichend krimineller Energie und Fanatismus möglich wäre, kann sich jeder selbst ausmalen.

Die amerikanischen Geheimdienste haben diese Gefahr erkannt und setzen auf engen Kontakt zur Biohackerszene. Wer von gefährlichen Versuchen hört, solle sich sofort beim FBI melden. Jeder soll den anderen überwachen, so die Idee. Die Biohacker aus Europa lehnen das ab. Stasi-Methoden passen ihrer Ansicht nach nicht zu einer Bewegung, für die die Freiheit das wichtigste ist. An einem Workshop, der vom FBI organisiert wurde, nehmen sie dennoch teil und fordern strenge Richtlinien, die sich die Biohacker selbst auferlegen. Eine Einigung bleibt aus.

Anfangs schütteln die Autoren immer wieder den Kopf über die naive Technikgläubigkeit der Biohacker, erliegen aber im Laufe des Buches selbst immer mehr dem Charme der enthusiastischen Bastler. Zwar stellen sie viele Fragen nach möglichen Gefahren für Gesundheit und Umwelt, bleiben aber letztlich eine Antwort schuldig. Bleibt als Fazit: Hinter dem Biohacking selbst verbirgt sich jede Menge heißer Luft. Das gleichnamige Buch aber lohnt sich: Informativ und unterhaltsam geschrieben gewährt es Einblicke in diese mitunter fremde Welt.

Besprochen von Michael Lange

Hanno Charisius, Sascha Karberg, Richard Friebe: Biohacking – Gentechnik aus der Garage
Hanser Verlag, München 2013
288 Seiten, 19,90 Euro
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