Genossenschaft rettet einen Buchladen

Aus Liebe zum "Eselsohr"

Von Anke Petermann · 23.08.2021
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Ein Buchladen ist wirtschaftlich meist ein schwieriges Unterfangen. Vor allem kleine Läden trieb der Lockdown in den Ruin. In Bitburg gründete sich eine Genossenschaft, um eine örtliche Buchhandlung zu retten - auch aus alter Verbundenheit.
Tanja Potapow und ihre Tochter Pauline haben Schulbücher gekauft. Pauline geht in die zwölfte Klasse. Beide sind Stammkundinnen der Buchhandlung "Eselsohr".
"Wir kommen immer wieder und wir lesen halt alle gern in der gesamten Familie. Die Information, der Service und das Ambiente sind immer total schön, bisher bin ich immer gut beraten worden", sagt Tanja Potapow.
Ihre Tochter blickt auf die warmtönigen modernen Holzregale, den großen grünen Kachelofen und die grünen Leuchten.

Ein Ort zum Stöbern und Wohlfühlen

"Es ist sehr idyllisch hier", sagt sie. "Man findet so viele verschieden Bücher aller Sorten und verschiedener Autoren. Es ist einfach ein Laden, in den man gehen kann. Ich mag es nicht so sehr, wenn man alles im Internet bestellt, das ist sehr unpersönlich."
Pauline stöbert gern im "Eselsohr", um ein Buch zu finden. "Und hier kann man auch mal die ersten zwei Seiten durchlesen, ohne es kaufen zu müssen. Da kann man sich ein bisschen selbst beraten."
Von der Genossenschaftsidee hatten auch die Potapows gehört und überlegt mitzumachen.
100.000 Euro wurden für den Neustart im März gebraucht. Die Absichtserklärungen und dann das Geld zu sammeln, klappte im Handumdrehen, erinnert sich Jutta Klaes-Berg, Buchhändlerin im Vorstand der eingetragenen Genossenschaft Eselsohr.
"Die Einlage beträgt 500 Euro. In acht Tagen war das Kapital zusammen. Tatsächlich haben die meisten Menschen, die hier Genosse geworden sind, überhaupt nicht lange überlegt, sondern gesagt, das ist es uns wert. Und dann ist auch schnell das Geld eingezahlt worden – von allen, die sich bereit erklärt haben."

Bücher als Dividende

200 Genossenschaftsangehörige sind es.
"Und die Leute, die Genosse geworden sind, haben sich mit ihrer Einlage für fünf Jahre festgelegt. Wenn wir nicht pleitemachen, gibts vorher das Geld nicht zurück. Aber wir streben ja an, dass es eine Dividende gibt - in Form von sogenannten 'Eselsohren'."
'Eselsohren' – so heißt die Ersatzwährung, für die Genossenschafter, die ein, zwei Bücher im Jahr bekommen sollen. Toni Nemes aus dem Bitburger Land ist Genossenschafter. An diesem Nachmittag ist er für einen Buchkauf im "Eselsohr" und einen Museumsbesuch in die Kreisstadt gefahren.
Es gibt in Bitburg noch eine weitere Buchhandlung, aber am "Eselsohr" hängt Nemes. Deshalb entschied er sich schnell, mit einen Anteilsschein zu erwerben. Auch ohne die Aussicht auf Einkünfte aus Dividenden.
Warum, das erzählt er draußen vorm Buchladen ohne Maske: "Ich habe emotionale Verbindungen dazu. Ich bin in Bitburg zur Schule gegangen. Und meine ganzen Schulbücher, das ist jetzt schon einige Jahre, ich sag' jetzt nicht, wie viele Jahrzehnte, die wurden immer hier gekauft. Und ich finde sehr wichtig, dass es in Bitburg auch diese Buchhandlung gibt."

Mehr als nur die Bestseller-Liste

Deren Sortiment gehe über den 0815-Bestand hinaus, sagt Nemes. Das heißt, "dass man auch über die Spiegel-Bestsellerliste hinaus vielleicht noch ein paar Anregungen bekommt, was man lesen könnte."
Drinnen im Eselsohr herrscht Hochbetrieb. Einheimische und Touristen und Touristinnen, Schüler und Seniorinnen kaufen Kinderbücher, Urlaubslektüre, Mitbringsel.
"Sehr interessante Sachen, nicht so das Alltägliche. Das ist das Schöne", findet eine Kundin aus dem Rhein-Main-Gebiet. Sie verbringt ihren Urlaub in der Eifel und kauft das Kultkinderbuch "Mein Esel Benjamin" von 1968 und einen Bildband über die Urlaubsregion zwischen Koblenz und Bonn. Jutta Klaes-Berg kassiert.
Katja Modrow berät eine Seniorin, die eine Elfjährige davon überzeugen will, dass Lesen Spaß macht. Die beiden Buchhändlerinnen haben unlängst ein England-Fenster mit einer Literaturauswahl von der Insel gestaltet:
"Wir zwei sind jetzt echt die englischen Literaturfans, hatten Teller mit den Konterfeis von Charles und Diana zur Verlobung und Elizabeth-Keksdose, Harrod's-Keksdose, die Englandfahne – so kunterbunt", erzählt Jutta Klaes-Berg. "Und haben auch via Instagram das Schaufenster gepostet. Und da merkt man, der Leser oder der Buchmensch, der will nicht Mainstream, sondern eine Auswahl oder manchmal nur eine Idee, und das findet er gut."

Engagement auch nach Feierabend

In sozialen Netzwerken fürs "Eselsohr" zu werben, mit beruflichem Verkaufsblick viel zu lesen, das alles erledigen die Teilzeit-Buchhändlerinnern nach Feierabend. Die Belegschaft blieb zwar mit einem Sechserteam stabil. Doch um die Buchhandlung wirtschaftlich solide aufzustellen, gab es Einschnitte in der Stundenzahl, sagt Jutta Klaes-Berg:
"Wir sind alle mit weniger Stunden unterwegs. Wenn Sie die Personalstärke sehen, dann haben wir uns halbiert. Dann haben wir Öffnungszeiten reduziert, was auch eine Möglichkeit ist, mit weniger Stunden auszukommen. Wenn der Laden auf ist, muss jemand da sein, und einer reicht nicht den ganzen Tag."
Deshalb bleibt das "Eselsohr" montags komplett und mittwochs am Nachmittag geschlossen. "So sagen wir immer zu unseren Kunden, die sich das noch nicht merken: Montags sind wir Friseur und mittwochs Apotheke."

Die Kunden stehen hinter dem Laden

Katja Modrow ergänzt: "Die Kunden nehmen das gut an, es hat noch nie jemand gemeckert und gesagt, warum haben Sie denn montags zu. Das ist das Schöne: Alle sind so froh, dass es weitergeht, dass es völlig egal ist, ob man sein Buch montags oder mittwochs abholt. Das ist das, was uns so guttut, glaube ich."
Die bis zur Genossenschaftsgründung angestellten Buchhändlerinnen spüren eine unternehmerische Verantwortung. Jutta Klaes-Berg sieht es so:
"Wir haben uns selbstständig gemacht ohne Eigenkapital, mit dem Genossenschaftskapital. Irgendwie fühlen wir uns auch verpflichtet. Alle Mitarbeiterinnen sind selbst Genossinnen geworden, also, uns allen gehört auch ein Zweihundertstel sozusagen. Und so sind wir alle auch so ein bisschen an unseren Aufgaben gewachsen, das muss man sagen."
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