Gene Simmons

Elf Stunden Songs aus dem KISS-Tresor

Gene Simmons behauptet gern, die längste Zunge der Welt zu haben.
Gene Simmons behauptet gern, er habe die längste Zunge der Welt. © imago / stock&people
Von Marcel Anders · 29.12.2017
"Ich bin reich. Ich kann machen, was ich will", sagt KISS-Musiker Gene Simmons. Der 68-Jährige bringt einigen Fans persönlich einen Tresor mit bisher unveröffentlichten Musikstücken vorbei – zum Preis von 2000 Dollar.
"Es sind 150 unveröffentlichte Stücke in einem Stahltresor auf Rollen. Das ist etwas, von dem ich lange geträumt habe. Nämlich das größte Boxset aller Zeiten zu veröffentlichen. Wenn man die Songs in einem Rutsch hört, also ohne zwischendurch auf Toilette zu gehen oder etwas zu essen, dauert das elf Stunden. Und das Meiste davon gefällt mir sehr gut. Es sind richtig gute Songs."
Gene Simmons ist ein Meister der Selbstvermarktung. Ein Musik-Mogul, der keine halben und keine kleinen Sachen macht.

Eine musikalische Schatzkiste

Sein Boxset "The Vault" – auf Deutsch "Der Tresor" – ist genau das: ein Safe, zehn Kilo schwer, feuerfest. Der Inhalt: eine Actionfigur, eine goldene Gedenkmünze und zehn CDs mit echten Raritäten. Etwa Stücke, die er mit Bob Dylan, Van Halen oder Aerosmith geschrieben hat. Die er für Ex-Freundinnen wie Cher, Wendy O. Williams oder Liza Minelli komponierte, oder Kostproben seiner ersten musikalischen Gehversuche. Wie "My Uncle Is A Raft" von 1966, das den damals 16-jährigen Sohn israelischer Einwanderer als passionierten Beatles-Fan zeigt:

"Sie traten in der Ed Sullivan Show auf, die damals von der Hälfte der US-Bevölkerung am Fernseher verfolgt wurde. Was etwa 75 Millionen Menschen entsprach. Und die Beatles haben mein Leben für immer verändert. Nach dem Motto: Jetzt weiß ich, was ich will. Denn wenn du Rockmusik machst, kannst du noch so bescheuert aussehen, noch so eine schlechte Frisur haben und noch so einen heftigen Akzent sprechen – die Mädchen mögen dich trotzdem."
Eine musikalische Schatzkiste, die es nur in haptischer Form gibt - nicht über Streaming-Dienste, von denen Gene Simmons wenig hält. Denn ohne Geld läuft bei dem Mann, der 100 Millionen Alben verkauft hat, nichts. "The Vault" vertreibt der Kiss-Bassist ausschließlich über seine Homepage. In limitierter Auflage und für 2.000 Dollar das Stück.

Er bringt den Tresor persönlich vorbei

Eine Summe, die allerdings auch die persönliche Auslieferung durch den Künstler – und Kosten für Flug und Hotel beinhaltet. Wobei er, so der 68-Jährige, letztlich noch draufzahle. Doch das sei es ihm wert:

"Ich bin reich. Ich kann machen, was ich will. Und das hier ist in erster Linie für mich. Ich will die Fans treffen und die Kinder, die zu meinen Songs gezeugt wurden. Ich will ihre Kiss-Tattoos sehen und es genießen. Was das betrifft sind alle, die Songs komponieren, Bilder malen oder Bücher schreiben, gleich: Sobald sie ihr Arbeitszimmer verlassen, wollen sie sehen, welche Freude sie anderen bereiten. Denn der Spaß, den man selbst hat, basiert auf der Begeisterung der Leute."
Ein zeit- und kostenintensives Projekt, das sich an eingefleischte Fans richtet. Für das Simmons seine Stammformation vorübergehend auf Eis legt und das Vergnügen über den Profit stellt. Für den Rock-Millionär ein Novum. Und ein Indiz dafür, dass er altersmilde wird.
Denn lange, das gibt er offen zu, könne er den feuerspuckenden Kiss-Dämon nicht mehr geben. Dafür sei der Aufwand zu intensiv. Und er hätte nicht die Konstitution eines Mick Jagger:
"Ich kann nicht machen, was Mick macht. Aber er kriegt auch nicht hin, was ich tue. Wenn man ihn in meine zehn Zentimeter hohen Drachenstiefel und meine 30 Kilo schwere Rüstung steckt, würde er nach der Hälfte der Show kollabieren. Das gilt auch für Bono, Thom Yorke und wie sie alle heißen. Das würden sie physisch gar nicht schaffen. Und auch wir kriegen das nicht mehr hin, wenn wir 74 sind. Das wäre wenig überzeugend."

Ein Hang zur Selbstüberschätzung

Ungewohnte Töne von dem Mann, der die längste Zunge der Welt haben will. Der damit prahlt, tausende von Frauen beglückt zu haben, und sich geschmeichelt fühlt, wenn ihn der TV-Sender Fox wegen sexueller Anzüglichkeiten aus dem Studio wirft. Da ist Gene Simmons unverbesserlich.
Und auch über Politik, Israel und Donald Trump sollte man mit dem überzeugten Republikaner besser nicht reden. Im Gespräch ist Simmons kontrovers, mit dem Hang zur Selbstüberschätzung, aber auch zur Spontaneität.
Auf die Frage nach seinem Bassunterricht, den er für ein paar tausend Dollar anbietet, startet er den Selbstversuch – und entwickelt mit seinem Gesprächspartner eine Song-Idee. Arbeitstitel: "I'm a screamer, not a dreamer".
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