Gemischte Gefühle - Was und wo ist Heimat?

Moderation: Gisela Steinhauer |
Lange war sie verpönt, sie war verbunden mit Kitsch, spießiger Muffigkeit und politischer Rückwärtsgewandtheit: Die Heimat. Heimatgefühle zulassen? Das roch nach volkstümelndem Nationalismus. Heimat war etwas für ewig Gestrige.
Dies hat sich gründlich gewandelt: Immer mehr Deutsche bekennen sich zu ihrer Heimatverbundenheit. Sie machen Urlaub im eigenen Land, im Supermarkt greift man gern zu Produkten aus der Region, Zeitschriften wie "LandLust" oder "Hörzu Heimat" werben mit Titeln wie "Lust aufs Land: Wo die Welt noch in Ordnung ist."

"Heimat braucht jeder. Aber bitte ohne Hirschgeweih und Alpenglühen", sagt die Journalistin Verena Schmitt-Roschmann in ihrem Buch "Heimat. Neuentdeckung eines verpönten Gefühls":

"Kaum ein Begriff ist so überfrachtet, ideologisiert, missbraucht, so verkitscht, verhöhnt und verpönt worden."

Die Journalistin hinterfragt, was Heimat für die 15 Millionen Migranten in Deutschland bedeutet, welche Gefühle Ost- und Westdeutsche 20 Jahre nach der Wiedervereinigung mit dem Wort Heimat verbinden, wie stark sie sentimentalisiert wird, wenn man sie verliert. Und was Heimat in Zeiten von Globalisierung und weltweiter Vernetzung heißt.

"Wir sind vielleicht die erste Generation, die sich mit dieser Hardcore-Globalisierung auseinandersetzen muss. Die uns folgen, werden das noch ganz anders erleben."

Dennoch bleibe die Sehnsucht nach einem Anker, nach Geborgenheit. Man könne heute zwar rund um den Erdball jetten, sich die Welt per Mausklick nach Hause holen, aber sein Bier trinke man eben gern in der Kneipe nebenan.

"Heimat kann unterschiedlich zitiert werden: Einmal wie von Frau Steinbach eher mit einer gewissen Schlagseite, aber es kann mittlerweile auch eine gewisse Leichtigkeit haben", analysiert Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba, der geschäftsführende Direktor des Instituts für Europäische Ethnologie an der Humboldtuniversität zu Berlin, im Hinblick auf die Vertriebenen-Debatte.

"Wir Deutschen haben große Probleme, uns mit Themen wie Heimat und Nationalstolz zu beschäftigen. Dabei brauchen wir diese 'Wir-Bilder'. Wir sind aber auf einem guten Weg, von dem 'belasteten Wir' der Kriegsgeneration wegzukommen. Es wächst eine Generation heran, die diese Erinnerungskultur nicht mehr hat. Damit verändern sich die Dinge und das Geschichtsbewusstsein."

Kaschuba - Jahrgang 1950, selbst Sohn von Heimatvertriebenen - erforscht das Verhältnis der Menschen zu ihrer Nation: Fühlen wir uns als Deutsche oder als Europäer? Was bedeuten Begriffe wie Heimat und Identität in Zeiten von Globalisierung und Migration? Mit Interesse beobachtet er den spielerischen Umgang mit Heimatsymbolen:

"Das ist doch das Erstaunliche, dass wir in Deutschland, gerade auch in Berlin, Umgangsweisen mit diesem Begriff haben, die sind so erfrischend."

"Gemischte Gefühle – Was und wo ist Heimat?"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Verena Schmitt-Roschmann und Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 - 2254 oder per E-Mail: gespraech@dradio.de.


Literaturhinweis:
Verena Schmitt-Roschmann: "Heimat. Neuentdeckung eines verpönten Gefühls"
Gütersloher Verlagsanstalt 2010