Gemalte Schönheit

11.02.2013
Luisa Casati war Erbin der größten Baumwolldynastie Italiens - und eine so beachtliche Schönheit, dass sie angeblich zu den am häufigsten porträtierten Frauen in der Kunstgeschichte gehört. Die französische Autorin Camille de Peretti erinnert mit einem historischen Roman an ihr Leben.
Angeblich war sie die Frau, die neben Kleopatra und der Muttergottes in der Kunstgeschichte am häufigsten porträtiert wurde. Trotzdem ist sie heute vergessen: Luisa Casati (1881-1957). Die Erbin der größten Baumwolldynastie Italiens lebte öffentlich den Luxus pur. Mit diamantbesetzten Schuhen, grün gefärbtem Haar, einer Boa constrictor um den Hals und dem Décadence-Dichter d’Annunzio als lebenslangem Geliebten am Arm sorgte sie für Skandale. Ihre theatralischen Feste in Rom, Venedig, Capri und Paris füllten regelmäßig die Gesellschaftsspalten der Zeitungen. Mit derlei Extravaganzen inspirierte sie zahlreiche Künstler, von den Futuristen wie Filippo Marinetti bis Kees van Dongen, von Giovanni Baldini bis Augustus John, weshalb sie auch als Muse und Mäzenin der Avantgarde gilt.

Die 1980 geborene Französin Camille de Peretti zeichnet das märchenhafte Leben dieser Frau nach, deren einzige Sprache das Geld war; die kläglich im Elend endete, als Pennerin, die in Mülleimern wühlt. Dabei ist die Autorin vom rauschhaften Glanz dieser Prunkexistenz ebenso fasziniert wie von deren rauschhaftem Untergang.

Wie es sich für einen historischen Roman gehört, fühlt sie sich in Denken und Handeln ihrer Protagonistin ein, die um die Leere ihres Daseins zu bemänteln exzentrische Projekte ausheckt, die kapitelweise Proust auswendig lernt, um der Langeweile zu entgehen, stets auf der Suche nach ein bisschen Adrenalin. Genreuntypisch aber mischt sie sich auch ein, was den Erzählfluss unterbricht und ins Heute hebt. Etwa wenn die Casati dem Werben d’Annunzios erliegt: "Ich war enttäuscht", dass sie sich in die lange Liste seiner Eroberungen einfügte. "Fast versuchte ich sie zurückzuhalten."

Dabei verknüpft sie die Biografie des gefallenen Belle-Epoque-Stars immer wieder mit ihrer eigenen. Auch die Erzählerin, hinter der unschwer die Autorin erkennbar ist, verband eine obsessive Geschichte mit einem Maler, einem Filmemacher. Auch sie versuchte sich als Model, als Schauspielerin, erfolglos, um dann mit dem harten, wenig glamourösen Geschäft des Schreibens zu beginnen.

Während ihre Selbstreflexionen allzu naiv, mitunter betulich geraten, gelingen ihr umso eindrucksvollere Szenen, wenn sie die Casati als kühl kalkulierende femme fatale zeigt, die ihr Leben zu einer permanenten Performance stilisierte. Im September 1913 etwa, als sie auf dem Markusplatz in Venedig 1000 geladene Gäste zu einem barocken Kostümball empfängt, unter ihrem Pelzcape splitternackt, von zwei Geparden an mit Diamanten bestickten Leinen geführt. Oder wenn sie dem Paris-Neuling Man Ray mit ihrem berühmt gewordenen sechsäugigen Porträt zum Entree in die Welt der Surrealisten verhilft.
Zwischen Partys, Fuchsjagden, Pferderennen kommen auch politische Dramen zur Sprache. Blutig niedergeschlagene Aufstände um die vorige Jahrhundertwende gewinnen genauso Kontur wie das Aufkommen der faschistischen Bewegung: Freilich blieben sie an "Casatis Geist genauso wenig hängen wie die Seide ihrer Kleider an ihren Strümpfen". So ist das also mit der Gier nach Glanz, Ruhm, Rausch und danach, aus dem Leben Kunst zu machen. Lustvoll, aber irgendwie doch vergeblich.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Camille de Peretti: Der Zauber der Casati
Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel
Rowohlt-Verlag, Reinbek 2013
256 Seiten, 19,95 Euro