Gelungene Verfilmung oder "Holocaust Light"?
Imre Kertész beschreibt in seinem "Roman eines Schicksallosen" den Holocaust aus der Sicht eines 15-Jährigen. Diese Sichtweise ließ sich bei der jetzt angelaufenen Verfilmung des Romans, zu der Kertész das Drehbuch schrieb, nicht durchhalten. Dennoch hält der Literaturnobelpreisträger die Filmadaption für gelungen. Deutsche Kritiker schmähen den Film hingegen als "Holocaust Light".
Ganz Budapest war im Februar dieses Jahres übersät mit überdimensionalen Postern zu "Sorstalanság / Schicksallosigkeit", wie das Buch und der Film im Original heißen. Auf dem Filmplakat sieht man vor dem Hintergrund eines blauen, sonnigen Himmels das Gesicht eines Jungen, der in die Sonne schaut.
"Die Welt dreht sich um", lautete der schlichte ungarische Untertitel, während unübersehbar und werbeträchtig unter dem Filmtitel die drei Namen Nobelpreisträger Imre Kertész, Oscar-Nominee Lajos Koltai, Oscar-Nominee Ennio Morricone prangten. Der mit einem Budget von 10,2 Millionen Euro teuerste ungarische Film aller Zeiten wurde beworben wie jede Hollywood Großproduktion und war in Ungarn wochenlang ein Ereignis.
430.000 Magyaren sahen das Werk bisher im Kino. Damit ist die Romanverfilmung im 10 Millionen kleinen Ungarn der erfolgreichste Film des Jahres. Für den Regisseur Lajos Koltai, einer der weltbesten Kameramänner, der allein 14 Filme für Istvan Szabo fotografierte und auch schon mit Giuseppe Tornatore, Klaus Maria Brandauer und Jodie Foster drehte, ist das mehr als nur eine Genugtuung. Der Film spricht Besucher an, mit denen keiner wirklich gerechnet hatte.
Lajos Koltai: " Teenager wurden zu einer der größten Besuchergruppe des Filmes. Aber warum? Eigentlich ist es einfach zu erklären. Man geht ja ins Kino, um sich einen Helden zu suchen. Den gibt es. In den Jungen kann man sich verlieben. Es gab Zuschauer, die meinten, sie hätten sich in den Jungen vom ersten Filmmeter an verliebt. Dann ist da dieser erste Satz im Film: "Heute bin ich nicht zur Schule gegangen", und schon mag man diesen Menschen, er hat gleich etwas so Sympathisches, dass man sich für sein Schicksal und das, was morgen mit ihm geschehen wird, interessiert.
Und… sein Schicksal ist übertragbar. Das sind die zwei wichtigsten Motive für einen Zuschauer. Ein Held und sein Schicksal und die Frage. Wie konnte all das passieren? Da kann es noch so viele Lehrbücher, oder Lehrer geben, Eltern oder Großeltern die vielleicht erklären, "wie das alles geschah". Die erste Reaktion bei jungen Menschen ist doch: "Na ja, der Alte hat da bestimmt nicht alles richtig verstanden." Aber nein, hier sieht man das Schicksal eines Menschen, wird Zeuge seiner Entwicklung. Dieses Schicksal kann man nach dem Kino mit nach Hause mitnehmen."
Ein sehr wichtiger und sehr ungarischer Aspekt im Buch wie im Film ist die besondere Tragik der ungarischen "Shoa", denn erst nach dem faschistischen Putsch der Pfeilkreuzler im März 1944 unter Ferenc Szálasi und dem gleichzeitigen Einmarsch der Deutschen wurden die ungarischen Juden an die Deutschen ausgeliefert und deportiert. Während in der Provinz fast alle Juden in die Todeslager im Osten kamen, gab es in Budapest nur Razzien, wilde Verhaftungen aber auch einzelne Massaker.
Lange Zeit hatten die ungarischen Juden, die als besonders assimiliert galten, sich in einer fatalen Sicherheit gewogen. Nach der Niederlage der ungarischen Armee am Don 1943 gab es sogar Bestrebungen innerhalb der ungarischen Regierung zu einem separaten Frieden mit den Alliierten. So traf der 19.März 1944 die ungarischen Juden völlig unerwartet. Imre Kertész fasst einige Schlüsselereignisse zusammen.
Imre Kertész: " In Ungarn gab es einen Judenrat und der bekam eine Art Protokoll über Auschwitz und Birkenau. Nun wurde diskutiert, ob man diese Informationen weiter geben sollte oder nicht. In Birkenau war ja bereits alles für die Deportation der ungarischen Juden vorbereitet, wie das Krematorium usw. Das Schicksal der ungarischen Juden stand also bereits fest. Der Judenrat beschloss nun, die ungarischen Juden nicht zu informieren, was eine seltsame Entscheidung war. Und so geschah es, dass das ungarische Judentum völlig unvorbereitet auf die deutsche Beatzung reagierte. Die Juden wussten nicht, wohin man sie aus den neu geschaffenen Ghettos deportierte, als sie in die Züge gepresst wurden."
In der Verfilmung von "Roman eines Schicksallosen" wird diese Stimmung sehr gut eingefangen, wenn die Familie Abschied vom Vater nimmt. Gefasst soll er sein, bloß keinen Emotionen zeigen, sagt Gyuris Vater zu seinem 15-jährigen Sohn, der sich eigentlich freut, plötzlich schulfrei zu haben, weil sein Vater zum Arbeitsdienst abkommandiert wird, bei dem Juden an der Front als Hilfskräfte auch als Minensucher eingesetzt wurden, was aber noch nicht gleichbedeutend mit der späteren Verschickung in die Konzentrationslager war.
Lajos Koltai hat überzeugend die typisch ungarischen Elemente der Tragödie heraus gearbeitet. So wird Gyuri auf dem Weg zur Arbeit fast zufällig von einem nicht besonders gescheiten Polizisten aus dem Bus geholt und verhaftet. Schnell ist der Ordnungshüter völlig überfordert.
Filmszene:
"Diese Jungen arbeiten alle auf Grund behördlicher Anweisungen bei mir.
Ich weiß, ich habe ihre Passierscheine gesehen.
Dann lassen Sie sie auf der Stelle wieder frei.
Ja glauben Sie, ich halte sie hier zum Vergnügen fest. Das ist ein Befehl.
Mensch, diese Kinder sind mir anvertraut, ich bin für diese Kinder verantwortlich. Was soll ich ihren Müttern sagen, wenn sie nicht nach Hause zurückkommen?
Das hier ist eine Ausweiskontrolle. Und wenn ihre Papiere in Ordnung sind, werden sie wieder nach Hause gehen. Verstanden!
Sehen Sie nicht selbst, dass das hier Kinder sind? Haben Sie als Polizist denn gar kein Verantwortungsgefühl?
Noch ein Wort und ich sperre Sie zusammen mit ihnen ein. "
Bei Szenen wie diesen hat Imre Kertész, der das Drehbuch zum Film verfasste, neue Dialoge geschrieben, die Erzählstruktur und die Perspektive im Vergleich zum Roman verändern müssen. Der naive, manchmal fast emotionslose Blick eines 15-jährigen, der den Roman so einzigartig machte, ließ sich nicht so einfach auf den Film übertragen. Kertész wusste genau, dass in dem visuellen Medium andere Gesetze herrschen.
Imre Kertész: " Der Roman baut ein Universum auf und das Material dieses Universums ist die Sprache. Die Sprache, die ganz fern von den Bildern steht. Eben das ist das interessante, wie ein lebendiges Gesicht ein geschriebenes Gesicht verwandelt. Im Film musste ich damit rechnen, dass alles, was ich beschrieben habe, und die Distanz, die ich für eine sehr wichtige Wirkung des Romans hielt, kann ich nicht mehr behalten. Da wird ein Gesicht, eine Musik, eine dramatische Szene auftauchen und das ist etwas ganz Anderes. Das war mir schon klar, der Film ist eine ganz andere Gattung als der Roman. "
Wie immer bei Literaturverfilmungen sind nun vom Film einige Zuschauer und Kritiker enttäuscht, auch weil sie eine unrealistische 1:1 Umsetzung des Buches verlangen. Interessant sind die sich widersprechenden Vorwürfe gegen den Film. Da wird einerseits mehr Härte, mehr Leiden gefordert und bemängelt, dass sich schöne Bilder von der Sonne über Auschwitz in den Film geschlichen haben, andererseits werden angebliche Holocaust-Klischees wie Dauerregen moniert. Regisseur Lajos Koltai wusste jedoch genau, was er wollte, und erläutert sein filmisches und visuelles Konzept.
Lajos Koltai: " Imre Kertész sagte immer: Dass man geschlagen wurde, das war nicht das Schlimmste, daran konnte man sich gewöhnen und es ertragen. Aber einfach nur dort zu sein, das war schrecklich. Er bezeichnet das so schön als: "Die für jeden Einzelnen gemessene Zeit musste man überleben, die Zeit, die das Schicksal für einen ausgemessen hatte." Darum geht es.
Und natürlich gab es auch immer wieder kleine schöne Momente, wie einen Sonnenuntergang. Die Natur macht keinen Unterschied, ob sie die Sonne auch in einem Konzentrationslager scheinen lässt. So mussten wir auch schöne Bilder machen, Bilder, die man mitnehmen kann. Das ist ja im Schlussmonolog so wichtig für den Jungen, dass es jeden Tag auch eine Stunde gab, die er mitnehmen konnte, über die man reden konnte.
Eine andere Sache war auch sehr wichtig. Ein geschriebenes Wort ist immer kalt und unsentimental. Aber in dem Moment, wo uns im Film jemand auf der Straße begegnet, wird Papier, werden Buchstaben lebendig. Nun muss man aufpassen, dass diese gefühlsmäßige Verbindung zu einer Figur erhalten bleibt. Ohne Gefühle kann man keinen Film drehen, aber es darf nie rührselig werden. "
Besonders gelungen ist die optische Umsetzung. Fast ohne Farbe, aber doch nicht Schwarzweiß beginnt der Film mit dem Tragen des gelben Sterns in Budapest 1944. Wenn der junge György Kövés dann nach Auschwitz und Buchenwald kommt, verschwindet auch das bisschen Farbe zusehends. Koltai drehte den Film fast ausschließlich in Ungarn mit international kaum bekannten Darstellern auf Ungarisch, so dass sein Film immer authentisch bleibt. Diese Werktreue müsste dem Autor Imre Kertész eigentlich gefallen. Wie steht er nun dazu, dass es diesen Film gibt.
Imre Kertész: "Ich freue mich wegen meinem Freund Koltai Lajos, der einen schönen Film gemacht hat und sich in diesem Film verwirklicht hat. … Mein Ziel war nicht, dass der Roman eine vollständige Filmform bekommt… Das ist nicht meine Gattung, wie gesagt… Ich bin sicher, dass der Film eine sehr wichtige Folge des Romans ist, aber sie blieben verschiedene Gattungen. Der Film wird seinen Weg machen, seine Karriere, und der Roman wird auch seinen eigenen Weg gehen."
"Die Welt dreht sich um", lautete der schlichte ungarische Untertitel, während unübersehbar und werbeträchtig unter dem Filmtitel die drei Namen Nobelpreisträger Imre Kertész, Oscar-Nominee Lajos Koltai, Oscar-Nominee Ennio Morricone prangten. Der mit einem Budget von 10,2 Millionen Euro teuerste ungarische Film aller Zeiten wurde beworben wie jede Hollywood Großproduktion und war in Ungarn wochenlang ein Ereignis.
430.000 Magyaren sahen das Werk bisher im Kino. Damit ist die Romanverfilmung im 10 Millionen kleinen Ungarn der erfolgreichste Film des Jahres. Für den Regisseur Lajos Koltai, einer der weltbesten Kameramänner, der allein 14 Filme für Istvan Szabo fotografierte und auch schon mit Giuseppe Tornatore, Klaus Maria Brandauer und Jodie Foster drehte, ist das mehr als nur eine Genugtuung. Der Film spricht Besucher an, mit denen keiner wirklich gerechnet hatte.
Lajos Koltai: " Teenager wurden zu einer der größten Besuchergruppe des Filmes. Aber warum? Eigentlich ist es einfach zu erklären. Man geht ja ins Kino, um sich einen Helden zu suchen. Den gibt es. In den Jungen kann man sich verlieben. Es gab Zuschauer, die meinten, sie hätten sich in den Jungen vom ersten Filmmeter an verliebt. Dann ist da dieser erste Satz im Film: "Heute bin ich nicht zur Schule gegangen", und schon mag man diesen Menschen, er hat gleich etwas so Sympathisches, dass man sich für sein Schicksal und das, was morgen mit ihm geschehen wird, interessiert.
Und… sein Schicksal ist übertragbar. Das sind die zwei wichtigsten Motive für einen Zuschauer. Ein Held und sein Schicksal und die Frage. Wie konnte all das passieren? Da kann es noch so viele Lehrbücher, oder Lehrer geben, Eltern oder Großeltern die vielleicht erklären, "wie das alles geschah". Die erste Reaktion bei jungen Menschen ist doch: "Na ja, der Alte hat da bestimmt nicht alles richtig verstanden." Aber nein, hier sieht man das Schicksal eines Menschen, wird Zeuge seiner Entwicklung. Dieses Schicksal kann man nach dem Kino mit nach Hause mitnehmen."
Ein sehr wichtiger und sehr ungarischer Aspekt im Buch wie im Film ist die besondere Tragik der ungarischen "Shoa", denn erst nach dem faschistischen Putsch der Pfeilkreuzler im März 1944 unter Ferenc Szálasi und dem gleichzeitigen Einmarsch der Deutschen wurden die ungarischen Juden an die Deutschen ausgeliefert und deportiert. Während in der Provinz fast alle Juden in die Todeslager im Osten kamen, gab es in Budapest nur Razzien, wilde Verhaftungen aber auch einzelne Massaker.
Lange Zeit hatten die ungarischen Juden, die als besonders assimiliert galten, sich in einer fatalen Sicherheit gewogen. Nach der Niederlage der ungarischen Armee am Don 1943 gab es sogar Bestrebungen innerhalb der ungarischen Regierung zu einem separaten Frieden mit den Alliierten. So traf der 19.März 1944 die ungarischen Juden völlig unerwartet. Imre Kertész fasst einige Schlüsselereignisse zusammen.
Imre Kertész: " In Ungarn gab es einen Judenrat und der bekam eine Art Protokoll über Auschwitz und Birkenau. Nun wurde diskutiert, ob man diese Informationen weiter geben sollte oder nicht. In Birkenau war ja bereits alles für die Deportation der ungarischen Juden vorbereitet, wie das Krematorium usw. Das Schicksal der ungarischen Juden stand also bereits fest. Der Judenrat beschloss nun, die ungarischen Juden nicht zu informieren, was eine seltsame Entscheidung war. Und so geschah es, dass das ungarische Judentum völlig unvorbereitet auf die deutsche Beatzung reagierte. Die Juden wussten nicht, wohin man sie aus den neu geschaffenen Ghettos deportierte, als sie in die Züge gepresst wurden."
In der Verfilmung von "Roman eines Schicksallosen" wird diese Stimmung sehr gut eingefangen, wenn die Familie Abschied vom Vater nimmt. Gefasst soll er sein, bloß keinen Emotionen zeigen, sagt Gyuris Vater zu seinem 15-jährigen Sohn, der sich eigentlich freut, plötzlich schulfrei zu haben, weil sein Vater zum Arbeitsdienst abkommandiert wird, bei dem Juden an der Front als Hilfskräfte auch als Minensucher eingesetzt wurden, was aber noch nicht gleichbedeutend mit der späteren Verschickung in die Konzentrationslager war.
Lajos Koltai hat überzeugend die typisch ungarischen Elemente der Tragödie heraus gearbeitet. So wird Gyuri auf dem Weg zur Arbeit fast zufällig von einem nicht besonders gescheiten Polizisten aus dem Bus geholt und verhaftet. Schnell ist der Ordnungshüter völlig überfordert.
Filmszene:
"Diese Jungen arbeiten alle auf Grund behördlicher Anweisungen bei mir.
Ich weiß, ich habe ihre Passierscheine gesehen.
Dann lassen Sie sie auf der Stelle wieder frei.
Ja glauben Sie, ich halte sie hier zum Vergnügen fest. Das ist ein Befehl.
Mensch, diese Kinder sind mir anvertraut, ich bin für diese Kinder verantwortlich. Was soll ich ihren Müttern sagen, wenn sie nicht nach Hause zurückkommen?
Das hier ist eine Ausweiskontrolle. Und wenn ihre Papiere in Ordnung sind, werden sie wieder nach Hause gehen. Verstanden!
Sehen Sie nicht selbst, dass das hier Kinder sind? Haben Sie als Polizist denn gar kein Verantwortungsgefühl?
Noch ein Wort und ich sperre Sie zusammen mit ihnen ein. "
Bei Szenen wie diesen hat Imre Kertész, der das Drehbuch zum Film verfasste, neue Dialoge geschrieben, die Erzählstruktur und die Perspektive im Vergleich zum Roman verändern müssen. Der naive, manchmal fast emotionslose Blick eines 15-jährigen, der den Roman so einzigartig machte, ließ sich nicht so einfach auf den Film übertragen. Kertész wusste genau, dass in dem visuellen Medium andere Gesetze herrschen.
Imre Kertész: " Der Roman baut ein Universum auf und das Material dieses Universums ist die Sprache. Die Sprache, die ganz fern von den Bildern steht. Eben das ist das interessante, wie ein lebendiges Gesicht ein geschriebenes Gesicht verwandelt. Im Film musste ich damit rechnen, dass alles, was ich beschrieben habe, und die Distanz, die ich für eine sehr wichtige Wirkung des Romans hielt, kann ich nicht mehr behalten. Da wird ein Gesicht, eine Musik, eine dramatische Szene auftauchen und das ist etwas ganz Anderes. Das war mir schon klar, der Film ist eine ganz andere Gattung als der Roman. "
Wie immer bei Literaturverfilmungen sind nun vom Film einige Zuschauer und Kritiker enttäuscht, auch weil sie eine unrealistische 1:1 Umsetzung des Buches verlangen. Interessant sind die sich widersprechenden Vorwürfe gegen den Film. Da wird einerseits mehr Härte, mehr Leiden gefordert und bemängelt, dass sich schöne Bilder von der Sonne über Auschwitz in den Film geschlichen haben, andererseits werden angebliche Holocaust-Klischees wie Dauerregen moniert. Regisseur Lajos Koltai wusste jedoch genau, was er wollte, und erläutert sein filmisches und visuelles Konzept.
Lajos Koltai: " Imre Kertész sagte immer: Dass man geschlagen wurde, das war nicht das Schlimmste, daran konnte man sich gewöhnen und es ertragen. Aber einfach nur dort zu sein, das war schrecklich. Er bezeichnet das so schön als: "Die für jeden Einzelnen gemessene Zeit musste man überleben, die Zeit, die das Schicksal für einen ausgemessen hatte." Darum geht es.
Und natürlich gab es auch immer wieder kleine schöne Momente, wie einen Sonnenuntergang. Die Natur macht keinen Unterschied, ob sie die Sonne auch in einem Konzentrationslager scheinen lässt. So mussten wir auch schöne Bilder machen, Bilder, die man mitnehmen kann. Das ist ja im Schlussmonolog so wichtig für den Jungen, dass es jeden Tag auch eine Stunde gab, die er mitnehmen konnte, über die man reden konnte.
Eine andere Sache war auch sehr wichtig. Ein geschriebenes Wort ist immer kalt und unsentimental. Aber in dem Moment, wo uns im Film jemand auf der Straße begegnet, wird Papier, werden Buchstaben lebendig. Nun muss man aufpassen, dass diese gefühlsmäßige Verbindung zu einer Figur erhalten bleibt. Ohne Gefühle kann man keinen Film drehen, aber es darf nie rührselig werden. "
Besonders gelungen ist die optische Umsetzung. Fast ohne Farbe, aber doch nicht Schwarzweiß beginnt der Film mit dem Tragen des gelben Sterns in Budapest 1944. Wenn der junge György Kövés dann nach Auschwitz und Buchenwald kommt, verschwindet auch das bisschen Farbe zusehends. Koltai drehte den Film fast ausschließlich in Ungarn mit international kaum bekannten Darstellern auf Ungarisch, so dass sein Film immer authentisch bleibt. Diese Werktreue müsste dem Autor Imre Kertész eigentlich gefallen. Wie steht er nun dazu, dass es diesen Film gibt.
Imre Kertész: "Ich freue mich wegen meinem Freund Koltai Lajos, der einen schönen Film gemacht hat und sich in diesem Film verwirklicht hat. … Mein Ziel war nicht, dass der Roman eine vollständige Filmform bekommt… Das ist nicht meine Gattung, wie gesagt… Ich bin sicher, dass der Film eine sehr wichtige Folge des Romans ist, aber sie blieben verschiedene Gattungen. Der Film wird seinen Weg machen, seine Karriere, und der Roman wird auch seinen eigenen Weg gehen."

Der ungarische Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz© AP