Gelegenheit zu historischer Größe
Seit dem Wahlsieg von Barack Obama hat sich die Einstellung der Amerikaner gegenüber ihrem zukünftigen Präsidenten in undramatischer, aber signifikanter Weise gewandelt. Während des Wahlkampfs hatten Obamas Charisma, seine elegante Gestalt als Redner und die Fähigkeit, eine in ihren Inhalten oft noch unbestimmte Hoffnung auf Erneuerung zu verkörpern, unter der wachsenden Zahl der Anhänger eine Begeisterung geweckt, wie man sie in der politischen Szenerie des Landes - und vielleicht in der internationalen Politik - seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hatte.
Der Vergleich mit dem jungen John F. Kennedy war schnell Standard geworden, und bald hatte sich die pro-Obama Öffentlichkeit auf noch größere potenzielle Vorgänger konzentriert, auf Abraham Lincoln und Franklin Delano Roosevelt vor allem, um ihren euphorischen Erwartungen Gestalt zu geben.
Aber schon Obamas nächtliche Rede in Chicago unmittelbar nach der Feststellung des Wahlergebnisses hatte einen Ton der Nüchternheit angestimmt, der zugleich darauf aus war, langfristig ein - angesichts der auf den neuen Präsidenten wartenden Herausforderungen - naheliegendes Umschlagen in Ernüchterung zu vermeiden. Zu dieser Formel einer gegen Ernüchterung gesetzten Nüchternheit gehörte auch das verfassungsrechtlich korrekte Bestehen auf die Selbstverständlichkeit, dass bis zur offiziellen Amtsübernahme George W. Bush Präsident bleibe - in dem wohl auch ein unter den Liberalen des Landes gänzlich verloren gegangener, eben nüchterner, Minimal-Respekt gegenüber dem Vorgänger zum Ausdruck kam. Allein in der Wirtschaftspolitik gestattete sich Obama bindende Ankündigungen seiner ersten Interventionen, mit dem offensichtlichen Sonderziel, einem definitiven Einbruch der dort so entscheidenden "Stimmung” vorzubauen. Die ganz im Stil seines Wahlkampfes systematisch vollzogene und wirkungsvoll inszenierte Auswahl der Mitglieder für die neue Regierung bestätigte nur diesen Ton der Interim-Zeit: Sie zeigte eine bemerkenswerte Konvergenz von politischem Pragmatismus, vor allem in der Ernennung von Hillary Clinton zur neuen Außenministerin, und Vertrauen auf Spezialisten-Kompetenz.
Es ist abzusehen, dass der Gestus der Feierlichkeiten und Rituale bei Barack Obamas "Inauguration” am 20. Januar diesen Eindruck von Nüchternheit verstärken wird. Schon das gewählte Motto: "Die Erneuerung von Amerikas Versprechen” passt einerseits zu dem in seiner eigenen Biographie begründeten Patriotismus des neuen Präsidenten; andererseits muss genau dieses Motiv, das ergibt sich notwendig aus dem tief verwurzelten Verhältnis der Vereinigten Staaten zu ihrer immer noch als normativ angesehenen Phase der Staatsgründung, zum Programm all seiner Vorgänger seit dem späten 19. Jahrhundert gehört haben. Und auch Elizabeth Alexander, eine in Yale lehrende, afroamerikanische Autorin aus dem Freundeskreis der Obamas, die den offiziellen Auftrag bekommen hat, ein Gedicht für den Tag des Amtsantritts zu schreiben, ist mehr bekannt für ihr nationalkulturelles Traditionsbewusstsein als für exzentrische politische Positionen oder gar avantgardistische Form-Experimente. So obsessiv der Vergleich zwischen diesen beiden eindrucksvollen Präsidenten-Paaren auch geworden sein mag, Michelle und Barack Obama werden keinen Ehrgeiz darauf setzen, dem Weißen Haus - wie einst Jacqueline und John F. Kennedy - Haus eine Aura kulturellen Glanzes zu geben.
Vielmehr geht es um die Solidität und Glaubhaftigkeit ihres Patriotismus. Heute nicht mehr, weil Hillary Clinton oder John McCain den Patriotismus der Obamas – mit einiger Nachwirkung – in Frage gestellt hatten, sondern weil solcher Patriotismus als eine traditionelle, eher nüchterne politische Tugend dem Charisma des neuen Präsidenten Nachhaltigkeit zu geben vermag. Denn darum wird sehr viel abhängen in den ersten Monaten und wohl noch in den ersten Jahren der Obama-Regierung: dass der Präsident hinreichend immun gegenüber Enttäuschungen unter seinen Anhängern ist, um Zeit für strukturelle Veränderungen zu haben.
Hans Ulrich Gumbrecht zählt zu den deutschen Literaturwissenschaftlern mit internationalem Renommee. Er studierte Romanistik, Germanistik, Philosophie und Soziologie in Deutschland, Spanien und Italien, lehrte dann an den Universitäten Konstanz, Bochum und Siegen. Seit 1989 ist er Inhaber des Lehrstuhls für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Stanford in Kalifornien.
Aber schon Obamas nächtliche Rede in Chicago unmittelbar nach der Feststellung des Wahlergebnisses hatte einen Ton der Nüchternheit angestimmt, der zugleich darauf aus war, langfristig ein - angesichts der auf den neuen Präsidenten wartenden Herausforderungen - naheliegendes Umschlagen in Ernüchterung zu vermeiden. Zu dieser Formel einer gegen Ernüchterung gesetzten Nüchternheit gehörte auch das verfassungsrechtlich korrekte Bestehen auf die Selbstverständlichkeit, dass bis zur offiziellen Amtsübernahme George W. Bush Präsident bleibe - in dem wohl auch ein unter den Liberalen des Landes gänzlich verloren gegangener, eben nüchterner, Minimal-Respekt gegenüber dem Vorgänger zum Ausdruck kam. Allein in der Wirtschaftspolitik gestattete sich Obama bindende Ankündigungen seiner ersten Interventionen, mit dem offensichtlichen Sonderziel, einem definitiven Einbruch der dort so entscheidenden "Stimmung” vorzubauen. Die ganz im Stil seines Wahlkampfes systematisch vollzogene und wirkungsvoll inszenierte Auswahl der Mitglieder für die neue Regierung bestätigte nur diesen Ton der Interim-Zeit: Sie zeigte eine bemerkenswerte Konvergenz von politischem Pragmatismus, vor allem in der Ernennung von Hillary Clinton zur neuen Außenministerin, und Vertrauen auf Spezialisten-Kompetenz.
Es ist abzusehen, dass der Gestus der Feierlichkeiten und Rituale bei Barack Obamas "Inauguration” am 20. Januar diesen Eindruck von Nüchternheit verstärken wird. Schon das gewählte Motto: "Die Erneuerung von Amerikas Versprechen” passt einerseits zu dem in seiner eigenen Biographie begründeten Patriotismus des neuen Präsidenten; andererseits muss genau dieses Motiv, das ergibt sich notwendig aus dem tief verwurzelten Verhältnis der Vereinigten Staaten zu ihrer immer noch als normativ angesehenen Phase der Staatsgründung, zum Programm all seiner Vorgänger seit dem späten 19. Jahrhundert gehört haben. Und auch Elizabeth Alexander, eine in Yale lehrende, afroamerikanische Autorin aus dem Freundeskreis der Obamas, die den offiziellen Auftrag bekommen hat, ein Gedicht für den Tag des Amtsantritts zu schreiben, ist mehr bekannt für ihr nationalkulturelles Traditionsbewusstsein als für exzentrische politische Positionen oder gar avantgardistische Form-Experimente. So obsessiv der Vergleich zwischen diesen beiden eindrucksvollen Präsidenten-Paaren auch geworden sein mag, Michelle und Barack Obama werden keinen Ehrgeiz darauf setzen, dem Weißen Haus - wie einst Jacqueline und John F. Kennedy - Haus eine Aura kulturellen Glanzes zu geben.
Vielmehr geht es um die Solidität und Glaubhaftigkeit ihres Patriotismus. Heute nicht mehr, weil Hillary Clinton oder John McCain den Patriotismus der Obamas – mit einiger Nachwirkung – in Frage gestellt hatten, sondern weil solcher Patriotismus als eine traditionelle, eher nüchterne politische Tugend dem Charisma des neuen Präsidenten Nachhaltigkeit zu geben vermag. Denn darum wird sehr viel abhängen in den ersten Monaten und wohl noch in den ersten Jahren der Obama-Regierung: dass der Präsident hinreichend immun gegenüber Enttäuschungen unter seinen Anhängern ist, um Zeit für strukturelle Veränderungen zu haben.
Hans Ulrich Gumbrecht zählt zu den deutschen Literaturwissenschaftlern mit internationalem Renommee. Er studierte Romanistik, Germanistik, Philosophie und Soziologie in Deutschland, Spanien und Italien, lehrte dann an den Universitäten Konstanz, Bochum und Siegen. Seit 1989 ist er Inhaber des Lehrstuhls für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Stanford in Kalifornien.