Gelegenheit macht Mörder

01.03.2013
Als "Dr. Mord" geisterte er einst durch die Sensationspresse - der Orthopäde und Teilzeit-Killer Wolfgang Robens. Die Autoren dieses Buches zeichnen die juristische Aufklärung seiner Taten nach, geleitet von der Frage, ob Justiz oder Therapie den Mann hätten in den Griff bekommen können.
Dezember 1984. Das Örtchen Höchst im Odenwald. In der Praxis eines weithin geschätzten Orthopäden wird eine benutzte Injektionsspritze gefunden. Daran klebt das Blut seines Vermieters und Patienten. Er war tot in seiner brennenden Wohnung gefunden worden. Außerdem in der Spritze: Spuren eines Narkotikums. Die Polizei ermittelt gegen den verdächtigen Arzt. Eng zieht sich die Schlinge um seinen Hals.

Als "Dr. Mord" geisterte er durch die Sensationspresse. Nun haben die seriösen Juristen Christine Gutmann und Christoph Gebhardt mit "Der Arzt, dein Freund und Mörder" ein unter die Haut gehendes Buch über Wolfgang Robens geschrieben, den sie "Dr. med. Thomas Ulrichs" nennen. Schritt für Schritt zeichnen sie die juristische Aufklärung seiner Mordtaten nach, geleitet von der Frage, ob Justiz oder Therapie den Mann hätten in den Griff bekommen können.

Nach dem Mord in Höchst wird der Enddreißiger Wolfgang Robens aufgrund von Indizien schuldig gesprochen, seinen Vermieter umgebracht und das Haus in Brand gesteckt zu haben, um hohe Versicherungssummen für seine Praxis zu kassieren. Man kann kaum fassen, was die Autoren schildern: Jahrelang spielte der Arzt mit Charme und Tücke Öffentlichkeit und Bekannten das unschuldig verhaftete Justizopfer vor. Er beteuerte seine Unschuld, gewann renommierte Professoren als Fürsprecher, nahm Anstaltstheologen, selbst juristische Gutachter und Psychotherapeuten für sich ein und behandelte hinter Gittern zahllosen Wärtern und Mitgefangen den schmerzenden Rücken.

Außergewöhnliche Verbrechen, kühl und sachlich geschildert
Doch die Autoren suchen und finden auch die Abgründe hinter der Fassade: eine schwierige Kindheit mit einem übermächtigen Vater, notorische Geltungssucht, ein dehnbares Verhältnis zur Wahrheit, um die eigene Person aufzuwerten, kaltes Kalkül zum persönlichen Vorteil. Für Applaus und Anerkennung tat Wolfgang Robens so gut wie alles. Und so beförderte er, nach 17 Jahren Haft kaum freigelassen und sogar wieder in den Genuss seiner Approbation gekommen, schon bald den nächsten Patienten ins Jenseits - vorher hatte er dessen Testament zu Gunsten seiner neuen Frau gefälscht.

Außergewöhnliche Verbrechen, in kühler Sachlichkeit geschildert - das liefert eine packende Lektüre. Dazu liest sich das fachkundige Buch als gelungene Einführung in die deutsche Strafjustiz. Gerichtsakten, Ausschnitte aus psychologischen Gutachten und Briefe des Mörders hat das Autoren-Duo zusammengetragen und erläutert in Infokästen viele juristische Fachbegriffe. Mit einem ernüchternden Fazit klingt die Spurensuche aus: Weder Gutachter noch Therapeuten hätten eine Chance gehabt, diesen Täter zu durchdringen, resümieren die Autoren. Denn Wolfgang Robens ist kein psychisch kranker Mörder, sondern ein geschickter und sozial hoch kompetenter Betrüger, den die Gelegenheit zum Mörder machte. Auch für einen forensischen Psychiater sei der Part-Time-Killer nicht zu durchschauen gewesen. Wolfgang Robens leugnet nach wie vor. Er wird die Haftanstalt, wenn überhaupt, erst im Greisenalter verlassen.

Besprochen von Susanne Billig

Christine Gutmann, Christoph Gebhardt: Der Arzt, dein Freund und Mörder. Strafsache Dr. U. - ein Lehrstück
Hirzel Verlag, Stuttgart 2013
188 Seiten, 17,80 Euro