Gelebte Gleichberechtigung

Beim Para-Eishockey dürfen alle mitspielen

05:33 Minuten
Spielszene auf dem Eis zwischen 2 deutschen und einem russischen Para-Eishockey-Athleten.
Spiel der deutschen gegen die russische Auswahl bei der Para-Eishockey-WM in Berlin. © imago images / Nordphoto
Von Thomas Wheeler · 15.12.2019
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Para-Eishockey hat anderen Sportarten etwas voraus: egal welches Geschlecht, ob mit oder ohne Behinderung – die Teams sind gemischt. Das Geld ist allerdings knapp und die Spitze des Deutschen Behindertensport-Verbandes fehlte selbst bei der WM-Eröffnung.
Normalerweise sonnen sich Politiker und Funktionäre gern im Glanze von Medaillen und lieben den Glamour großer Sportveranstaltungen. Umso irritierender, dass die Führungsspitze des Deutschen Behindertensport-Verbandes nicht an der Eröffnungsfeier der Para-Eishockey-WM teilnahm. Das kam bei den Spielern und Bundestrainer Andreas Pokorny, früher selbst Eishockey-Profi in Köln, Mannheim und Düsseldorf, überhaupt nicht gut an:
"Es waren viele Vertreter dort, auch der Deutsche Eishockey-Bund, der uns auch in der Vorbereitungsphase seit dem Sommer oder seit der Bekanntgabe geholfen hat. Sei es Werbemaßnahmen oder so, und unser Verband war nicht vertreten, und das ist schade, eigentlich sehr, sehr schade."
Nationalspieler Jacob Wolff ergänzt: "Wir Spieler organisieren uns dann schon selber und machen selber Werbung für diese WM, drehen irgendwie kleine Videos von unserem Training und motivieren die Leute, da nach Berlin zu kommen, um uns zu sehen. Einfach, weil wir selber auch keine Geister-WM spielen wollen."
Was sie letztlich auch nicht taten. Die Halle mit einem Fassungsvermögen von 1000 Zuschauern war bei freiem Eintritt an allen Tagen gut besucht. Viele von ihnen sahen Para-Eishockey zum ersten Mal. Der erhoffte Schub ist allerdings fraglich, da der Aufstieg in die A-Gruppe misslang. Die finanzielle Unterstützung für Para-Eishockey durch den Verband ist bescheiden, was Trainer und Spieler maßlos enttäuscht.
"Dass man über Sponsoren, Partner, unseren Verband, sag ich mal, diese Unterstützung für die Jungs dann auch bekommt. Kleinigkeiten, wenn man diese Lehrgänge hat, über Spritgelder oder eventuell Tagesgeldpauschalen die Jungs ein bisschen motiviert. Wir sind in der Welt zwischen Platz 6 und 10. Also ich finde, das ist schon alle Achtung."
"Wir kommen alle irgendwie von der Arbeit und machen das ein bisschen hobbymäßig. Bis auf die Nationalspieler, die dann eben halt noch eine Schippe drauflegen müssen, die gehen dann halt noch zwei-, dreimal die Woche ins Fitness-Studio oder sitzen im Sommer viel auf dem Hand-Bike oder fahren dann in die Trainingslager, die dann auch über ganze Wochenenden gehen und so weiter."

Die Regeln ähneln dem Fußgänger-Eishockey

Para-Eishockey ist eine von 32 Sportarten im Deutschen Behinderten-Sportverband. Die Regeln ähneln dem Fußgänger-Eishockey. Die Ausrüstung besteht aus zwei Schlägern und einem Schlitten.
"Wir sitzen in einer Sitzschale, die sehr fest an den Unterkörper angeschnallt wird, damit der Schlitten an sich eine Einheit mit dem Körper bildet, und vorwärts kommen wir mit unseren Schlägern. Wir haben links und rechts jeweils einen Schläger, und die Bewegung ist im Prinzip wie beim Skilaufen. Unterhalb der Schläger befinden sich Metallspikes, und die werden dann ins Eis gehackt. Die Möglichkeit dann auch mit der linken oder der rechten Hand zu spielen, und mit der Anderen dann dementsprechend weiter zu fahren."
Ein Spiel dauert in der Realzeit dreimal 15 Minuten. Durch Unterbrechungen und Drittelpausen können es aber auch schon mal 90 Minuten und mehr werden. Ursprünglich hieß Para-Eishockey mal Sledge-Hockey. Gespielt wurde es erstmals in den 1970er-Jahren in Schweden. 1994 gab es das Paralympics-Debüt in der norwegischen Stadt Lillehammer. Zwei Jahre später gründete sich die erste deutsche Mannschaft. Seit dem Jahr 2000 gibt es eine Liga.
Alles Amateure, die aus Spaß an der Freude aufs Eis gehen und dabei natürlich gewinnen wollen. Vereint in einem Spiel, bei dem es zur Sache geht. Checks an der Bande, packende Zweikämpfe, Tempo und Geschwindigkeit. All das gibt es auch im Paraeishockey.

Para-Eishockeyprofis gibt es in Deutschland nicht

Andreas Pokorny trainiert die Nationalmannschaft seit 2012. "Der Sport an sich ist einfach gewachsen, viel, viel schneller. Professioneller, also im internationalen Bereich. Und da haben wir in Deutschland natürlich viel, viel zu kämpfen, also, dass wir Spieler akquirieren können, für den Sport begeistern können."
Geld lässt sich damit in Deutschland noch nicht verdienen. Da sind andere Nationen schon viel weiter, betont Jacob Wolff. "Kanada, USA, Russland. Das sind so Nationen. Da machen die Spieler nichts anderes. Die sind hauptberuflich Eishockeyspieler."
Para-Eishockey hat hierzulande anderen Sportarten aber auch etwas voraus. Bei den Mannschaftszusammenstellungen gibt es keine Barrieren. "Man kann mit oder ohne Behinderung spielen. Man kann als Frau oder Mann in der Liga spielen. Es gibt gemischte Mannschaften."
Para-Eishockey: Alle dürfen mitspielen. Gelebte Gleichberechtigung. Das Geld ist allerdings knapp. Die Nationalmannschaft muss mit einem Jahresbudget von circa 60.000 bis 65.000 Euro auskommen – auch im WM-Jahr. Ein Bruchteil dessen, was der Rollstuhl-Basketball bei seiner Weltmeisterschaft zur Verfügung hatte.
"Die Rollstuhlbasketball-WM war 2018 in Hamburg. Das war ein riesengroßes Event, ein Budget von weit über fünf Millionen Euro. Wir haben diese 50 Spieler, sag ich jetzt mal, diese fünf Vereine, die eine Liga untereinander spielen. Beim Rollstuhlbasketball haben wir, ich glaube, vier oder fünf Ligen, die jeweils dann noch sechs, acht Teams stellen."
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