Gelebt, geliebt, gescheitert

19.11.2011
In seinem Roman "Unterm Scheffel" erzählt der holländische Schriftsteller Maarten 't Hart vom glücklosen Leben eines Komponisten, der sich in eine junge Frau verliebt. Mit feiner Ironie und einem Gespür für komische Situationen skizziert der Autor die Affäre - und ihr langsames Scheitern.
20 Jahre ist der Roman alt und doch kein bisschen angestaubt. Der holländische Schriftsteller ist eben kein Mode- oder Saisonschriftsteller. Seine Bücher besitzen jene zeitlose Gültigkeit, die große Literatur auszeichnet. Das liegt zum einen an ihrem Stil und zum anderen an ihren Themen.

So hatte sich der niederländische Autor ein Thema gewählt, dass in der Literatur Ewigkeitswert besitzt: die unerwiderte Verliebtheit eines älteren Mannes in eine weit jüngere Frau. Der holländische Komponist und Pianist Alexander Goudveyl ist zwar durchaus angesehen und prominent, aber mit seinem Leben nicht besonders glücklich und zufrieden.

Er weiß zu gut, wie medioker seine Kompositionen sind, sieht sich nur als halbwegs begabten Zweitverwerter der Ideen anderer. Seine Frau tourt als Sängerin den größten Teil des Jahres durch die Weltgeschichte. Kaum ist sie zuhause, fordert sie von ihrem Mann so viel Rücksichtnahme auf ihre Marotten, dass der im Grunde genommen froh ist, wenn sie wieder abreist. Ein Eheleben jedenfalls findet schon seit langem nicht mehr statt.

So überrascht es eigentlich wenig, dass sich der Komponist ausgesprochen geschmeichelt fühlt, als ihn nach einem Auftritt eine hübsche junge Frau anspricht. Er findet Sylvia attraktiv, traut sich aber kaum, sie anzusprechen. Nach einigem hin und her beginnen die beiden eine Affäre. Alexander genießt ihre Aufmerksamkeit, ihre Neugier, ihre Zuneigung und natürlich auch den jungen Körper, die wiedererwachte Sexualität. Er ist hoffnungslos verliebt, plant ein gemeinsames Leben.

Die ganzen kleinen Zeichen, die ihm eigentlich deutlich machen sollten, dass Sylvias Interesse an ihm stetig nachlässt, will er nicht wahrhaben und sieht sie doch. Er kann sie nicht leugnen. So endet die große, unerfüllte Liebessehnsucht schließlich tragisch. Doch das spürt man eigentlich schon auf den ersten Seiten des Romans.

Nun ist solches Liebesleid schon so oft beschrieben worden, dass es schon der besonderen Schreibkunst Maarten 't Harts bedarf, um es noch einmal lesenswert und nachvollziehbar zu machen. Das gelingt ihm dank seiner feinen Ironie und seinem Gespür für komische Situationen. Der Ich-Erzähler weiß durchaus um seine Schwächen, mokiert sich über sich selbst, beschreibt seine Ehesituation mit so viel Selbstironie, dass er einen immer wieder zum Schmunzeln oder sogar Lachen bringt. Der Roman steckt randvoll mit augenzwinkernden Bezügen auf klassische Musikstücke von Bach über Wagner bis Satie. Das Gleiche gilt, wenn auch diesmal in deutlich abgemilderter Form, für 't Harts enorme Bibelkenntnisse.

Es ist nicht zuletzt die Selbsterkenntnis des Ich-Erzählers, seine schonungslose Selbstanalyse, die einen weiterlesen lässt, obwohl man weiß, dass es nicht gut ausgehen kann. Sein Schwanken zwischen Euphorie und Selbstmitleid ist einfach komisch. So folgen wir dem Komponisten auf seinem Weg ins Unheil und hoffen doch, er käme zur Besinnung.

Besprochen von Johannes Kaiser

Maarten 't Hart: Unterm Scheffel
Übersetzung Gregor Seferens
Piper Verlag, München 2011
288 Seiten, 19,60 Euro