Geldgier, Machtbesessenheit, Korruption und Scheinheiligkeit
Nach Fred Sellins Ansicht ist der deutsche Profi-Fußball nicht nur schwach, sondern krank. Der Volkssport Fußball ist zu einem skrupellosen Geschäft verkommen, sagt Sellin.
In seinem Buch "Das schmutzige Spiel" lässt der 42-jährige Journalist die Katastrophen und Skandale von der Wettaffäre um den korrupten Schiedsrichter Hoyzer bis zum in letzter Sekunde verhinderten Bankrott des 1. FC Kaiserslautern Revue passieren und fällt ein vernichtendes Gesamturteil. Macher, Spieler und Trainer wie Funktionäre seien von einem Multivirus befallen: Geldgier, Machtbesessenheit, Selbstgefälligkeit, Korruption und Scheinheiligkeit hätten sich über alle Bereiche des Fußball-Sports ausgebreitet.
"Delling: Ich begrüße Günter Netzer. Sie blenden heute ein bisschen, wenn ich's mal so sagen darf.
Netzer: Ja, ich blende. Ich strahle. Ich überstrahle Sie!
Delling: Ja, das kann man so sagen.
Netzer: Eigentlich wie immer."
Günter Netzer ist für Fred Sellin ein Musterbeispiel für den Verfall des Fußballs zum reinen Business. Als clever auftretender Geschäftsmann trete der 61-Jährige die moralischen Werte sozusagen mit Füßen. Von der ARD lasse er sich die Kommentatorenauftritte mit seinem Stichwortgeber Gerhard Delling pro Jahr mit rund zwei Millionen Euro honorieren, rechnet Sellin vor. Zusätzlich kassiere Netzer als Mitinhaber der Schweizer Sportrechteagentur Infront, die sämtliche Marketingrechte an den Spielen der deutschen Nationalmannschaft außerhalb der WM- und EM-Turniere hält, auch noch auf der anderen Seite des Tisches kräftig mit ab.
"Netzer: Sie sind neidisch, na? Ich merk's schon die ganze Zeit. Das würden Sie sich auch mal gern trauen."
" Ballack ! Das ist dann weder das eine noch das andere. Kein Torschuss und auch keine Torvorlage für Assamoah. Selbst Ballack verliert das Selbstvertrauen."
Fred Sellin kritisiert auch die Mentalität der deutschen Nationalspieler. Ein Mann wie Michael Ballack, dem Chelsea London gerade ein Angebot von 177.000 britischen Pfund pro Woche unterbreitet haben soll, bedeute die Ehre Kapitän der Nationalmannschaft zu sein nichts. Im Namen der Mannschaft habe er das Angebot des Deutschen Fußballbunds abgelehnt, jedem Spieler 250.000 Euro für den WM-Titel zu zahlen. 300.000 Euro und keinen Cent weniger sei das letzte Wort des 29-jährigen Superstars gewesen. Sellin bedauert ebenfalls, dass der DFB auf diese Erpressung eingegangen sei.
"Assauer: Wir sind – Gott sei Dank -, in der glücklichen Lage, dass wir relativ, ich sag nicht bescheiden, aber sehr vorsichtig mit Kalkulationen umgehen und auch dementsprechend hantieren."
Aber, um mit den ganz Großen des Geschäfts mithalten zu können, muss geklotzt werden. Das weiß auch Rudi Assauer, Manager des Bundesligisten Schalke 04.
Im Herbst 2002 beschafften sich die Gelsenkirchner beim amerikanischen Investmentbanker Stephen Schechter eine Anleihe über 85 Millionen Euro. Fred Sellin wirft nicht nur den Bundesligabossen auf Schalke vor, unseriös zu wirtschaften. Als Sicherheit für den bis zum Jahr 2025 laufenden Kredit verpfändete beispielsweise Assauer die Zuschauereinnahmen. Mit durchschnittlich über 50.000 Besuchern ist die neue Arena auf Schalke zwar meistens ausverkauft. Aber was passiert, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt?
"Assauer: Ein Tor mehr geschossen oder ein Tor weniger geschossen, macht den Uefa-Pokal-Platz aus oder nicht. So, das sind also die Parameter, und das ist immer ein Vabanque Spiel. Und deswegen ist es ganz gut, wenn man noch dazu Geschäftsfelder erschließt, die zusätzliche Einnahmen bringen für den Verein, die die anderen Vereine nicht erbringen können."
Um zusätzliches Geld zu generieren, werden in der Arena zum Beispiel Konzerte veranstaltet und ein großes Reha-Zentrum betrieben. Die Namensrechte des Stadions wurden für zehn Jahre an eine Brauerei verkauft, für deren Bier Assauer und seine Freundin im Fernsehen Werbung machen.
Ein waghalsiges oft auch schmutziges Spiel, findet Fred Sellin. Zwar erzählt er in dem Buch keine neuen Geschichten, zeichnet aber die jüngsten Entwicklungen im deutschen Fußball jenseits des Spielfelds noch einmal komprimiert nach. Sellin schreibt in einem szenischen Krimistil, den er manchmal übertreibt. Wenn er von den USA, die sich zum fünften Mal in Folge für eine WM qualifiziert haben, als Fußballentwicklungsland schreibt, fragt man sich allerdings, ob er die sportliche Entwicklung des Fußballs über seiner Hintergrund-Recherche vielleicht verpasst hat. Trotzdem setzt Fred Sellin mit "Das schmutzige Spiel" unter dem Strich einen guten Kontrapunkt zu den vielen oberflächlichen oder belanglosen Veröffentlichungen, die im Jahr der Weltmeisterschaft auf der Welle des Fußball-Hypes auf den Büchermarkt geschwemmt werden.
Fred Sellin: Schmutziges Geschäft
Intrigen, Skandale und Machenschaften im deutschen Fußball
C. Bertelsmann Verlag, München 2006
"Delling: Ich begrüße Günter Netzer. Sie blenden heute ein bisschen, wenn ich's mal so sagen darf.
Netzer: Ja, ich blende. Ich strahle. Ich überstrahle Sie!
Delling: Ja, das kann man so sagen.
Netzer: Eigentlich wie immer."
Günter Netzer ist für Fred Sellin ein Musterbeispiel für den Verfall des Fußballs zum reinen Business. Als clever auftretender Geschäftsmann trete der 61-Jährige die moralischen Werte sozusagen mit Füßen. Von der ARD lasse er sich die Kommentatorenauftritte mit seinem Stichwortgeber Gerhard Delling pro Jahr mit rund zwei Millionen Euro honorieren, rechnet Sellin vor. Zusätzlich kassiere Netzer als Mitinhaber der Schweizer Sportrechteagentur Infront, die sämtliche Marketingrechte an den Spielen der deutschen Nationalmannschaft außerhalb der WM- und EM-Turniere hält, auch noch auf der anderen Seite des Tisches kräftig mit ab.
"Netzer: Sie sind neidisch, na? Ich merk's schon die ganze Zeit. Das würden Sie sich auch mal gern trauen."
" Ballack ! Das ist dann weder das eine noch das andere. Kein Torschuss und auch keine Torvorlage für Assamoah. Selbst Ballack verliert das Selbstvertrauen."
Fred Sellin kritisiert auch die Mentalität der deutschen Nationalspieler. Ein Mann wie Michael Ballack, dem Chelsea London gerade ein Angebot von 177.000 britischen Pfund pro Woche unterbreitet haben soll, bedeute die Ehre Kapitän der Nationalmannschaft zu sein nichts. Im Namen der Mannschaft habe er das Angebot des Deutschen Fußballbunds abgelehnt, jedem Spieler 250.000 Euro für den WM-Titel zu zahlen. 300.000 Euro und keinen Cent weniger sei das letzte Wort des 29-jährigen Superstars gewesen. Sellin bedauert ebenfalls, dass der DFB auf diese Erpressung eingegangen sei.
"Assauer: Wir sind – Gott sei Dank -, in der glücklichen Lage, dass wir relativ, ich sag nicht bescheiden, aber sehr vorsichtig mit Kalkulationen umgehen und auch dementsprechend hantieren."
Aber, um mit den ganz Großen des Geschäfts mithalten zu können, muss geklotzt werden. Das weiß auch Rudi Assauer, Manager des Bundesligisten Schalke 04.
Im Herbst 2002 beschafften sich die Gelsenkirchner beim amerikanischen Investmentbanker Stephen Schechter eine Anleihe über 85 Millionen Euro. Fred Sellin wirft nicht nur den Bundesligabossen auf Schalke vor, unseriös zu wirtschaften. Als Sicherheit für den bis zum Jahr 2025 laufenden Kredit verpfändete beispielsweise Assauer die Zuschauereinnahmen. Mit durchschnittlich über 50.000 Besuchern ist die neue Arena auf Schalke zwar meistens ausverkauft. Aber was passiert, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt?
"Assauer: Ein Tor mehr geschossen oder ein Tor weniger geschossen, macht den Uefa-Pokal-Platz aus oder nicht. So, das sind also die Parameter, und das ist immer ein Vabanque Spiel. Und deswegen ist es ganz gut, wenn man noch dazu Geschäftsfelder erschließt, die zusätzliche Einnahmen bringen für den Verein, die die anderen Vereine nicht erbringen können."
Um zusätzliches Geld zu generieren, werden in der Arena zum Beispiel Konzerte veranstaltet und ein großes Reha-Zentrum betrieben. Die Namensrechte des Stadions wurden für zehn Jahre an eine Brauerei verkauft, für deren Bier Assauer und seine Freundin im Fernsehen Werbung machen.
Ein waghalsiges oft auch schmutziges Spiel, findet Fred Sellin. Zwar erzählt er in dem Buch keine neuen Geschichten, zeichnet aber die jüngsten Entwicklungen im deutschen Fußball jenseits des Spielfelds noch einmal komprimiert nach. Sellin schreibt in einem szenischen Krimistil, den er manchmal übertreibt. Wenn er von den USA, die sich zum fünften Mal in Folge für eine WM qualifiziert haben, als Fußballentwicklungsland schreibt, fragt man sich allerdings, ob er die sportliche Entwicklung des Fußballs über seiner Hintergrund-Recherche vielleicht verpasst hat. Trotzdem setzt Fred Sellin mit "Das schmutzige Spiel" unter dem Strich einen guten Kontrapunkt zu den vielen oberflächlichen oder belanglosen Veröffentlichungen, die im Jahr der Weltmeisterschaft auf der Welle des Fußball-Hypes auf den Büchermarkt geschwemmt werden.
Fred Sellin: Schmutziges Geschäft
Intrigen, Skandale und Machenschaften im deutschen Fußball
C. Bertelsmann Verlag, München 2006