Gelassene Frauen über 50
Die Journalistin Regine Schneider hat in ihrem Buch "55 plus" 21 mehr oder weniger prominente Frauen über ihre Erfahrungen mit dem Älterwerden befragt. Herausgekommen sind Porträts von Frauen, die eine Balance in ihrem Leben gefunden haben. Manchmal schlittert Schneider allerdings nur knapp am Ratgeber-Kitsch vorbei.
Astrid Kuhlmey hat das Buch gelesen - Schon allein des Themas wegen, weil ich auch 55 plus bin und die Situation als Frau darum ganz gut beurteilen kann. Die Tatsache, dass sich prominente Frauen äußern, hat mich zunächst eher auf Distanz gerückt, weil mich Frau Jedermann sogar mehr interessiert, denn sie muss nicht auf ihr Image denken und muss keine Klischees beachten, denen sie sich andienen muss.
Das ist ja bei Prominenten so eine Sache. Die kennen ja ihr Bild in der Öffentlichkeit und bedienen es dann auch gerne mal.
Doch ich bin dann zu dem Schluss gekommen, dass die Prominenz der Frauen ihnen eine erhöhte Reflektion dem Thema gegenüber abnötigt, weil sie beim Älterwerden unter großer äußerlicher Beobachtung stehen. Und wenn man ehrlich ist, dann hat man ja selber mal schon despektierliche Sätze losgelassen: Na, die sollte sich auch langsam zurückziehen, wie die inzwischen aussieht. Wer das noch nie getan hat, der werfe den ersten Stein.
Sabine Christiansen – die im Übrigen nicht in dem Buch vorkommt – hat kürzlich mal den bitterbösen Begriff des Verfallsdatums für Frauen auf dem TV-Bildschirm gesprochen. Da fielen mir schon einige schwarzhumorige Entgegnungen ein, wenn ich an all die reifen Herren im Fernsehgeschäft denke, die einen solchen Verweis mit Empörung von sich weisen würden.
Es sind 21 Frauen – von der Schauspielerin über die Politikerin bis zur Wissenschaftlerin oder die Ärztin – alles Frauen aus dem Westen – den alten Bundesländern. Keine einzige Frau mit DDR-Sozialisation – das finde ich nicht einfach nur schade, sondern das ist ein wirkliches Defizit des Buches, denn es wäre schon wichtig zu wissen, ob Frauen, die in einem System aufgewachsen sind, das weibliche Berufstätigkeit als den Normalfall betrachtet hat und den Präsentationscharakter, die "Ware" Frau nicht so in den Mittelpunkt ihrer Beurteilung gestellt haben, andere oder letztlich dann doch die gleichen Fragen an das Älterwerden stellen.
Aber, um auf den Kern zu kommen: Wer ist unter den Prominenten? Beispielsweise die Schauspielerin Christiane Hörbiger, die Oberbürgermeisterin von Frankfurt/Main, Petra Roth, die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen, die Schauspielerinnen Ingrid van Bergen und Vera Tschechowa oder die Hochschulpräsidentin Gesine Schwan.
Es sind alles Frauen, die eine Art Balance für ihr Leben gefunden haben. Keine ist vergrämt darüber, dass das Alter auch Defizite mit sich bringt und die Attraktivität der Jugend durch andere Ausstrahlungsmomente kompensiert werden muss.
Etliche der Frauen bestätigen, dass sie eher in der Phase der Suchenden – also um die 30 herum – Krisenmomente erlebt haben, weil sie durch mangelndes Selbstbewusstsein bedrängt wurden, ihre eigene Persönlichkeit zu wenig kannten, ihre Lebensziel diffus waren. All das belastet sie nun im Alter nicht mehr – dabei spürt man bei ihnen allen Lust und Neugier auf das Leben – aber nicht penetrant ausgestellt, sondern mit einer gewissen Behutsamkeit.
Es gibt übrigens bestimmte Begriffe, die für alle der Frauen wichtig sind, die sie auch beim Älterwerden als hilfreich empfinden: Humor zu haben – Gelassenheit – sich nicht mehr so einfach in bestimmte Konkurrenzen zwingen zu lassen, weil man inzwischen genug Erfahrung hat und aus dem Bewusstsein der Endlichkeit, die natürlich sehr viel näher gekommen ist, die wesentlichen Dinge im Leben besser gewichtet. Man weiß in diesem Alter besser, was noch zu tun ist und was nebensächlich ist.
Eine der Frauen sagt so treffend: Ich denke jeden Morgen, heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens. Was will ich damit anfangen? Die Frauen leben alle bewusster, intelligenter.
Alle können besser mit sich allein sein, ohne jedoch das Alleinsein als zu erstrebende Lebensform zu predigen. Sie unterscheiden alle sehr genau zwischen Einsamkeit und Alleinsein. Und was eine ganz wesentliche Erkenntnis dieser Biografien ist: Schmerz wird jeder Mensch erleben, aber er muss einen nicht zerstören, sondern kann der Grund dafür sein, Glück erst wirklich tief empfinden zu können.
Das mag sich, wenn man es so thesenhaft hintereinander auflistet, manchmal nach Plattitüde klingen, etwas klischeehaft – und ab und an hätte ich mir von Regine Schneider auch tiefere Nachfragen gewünscht, um nicht zu nahe am Stil von Frauenzeitschriften vorbei zu schliddern. Also ein Satz: Man muss positiv denken – den darf man nicht einfach so stehen lassen.
Ich selber würde diesen Satz zwar auch unterschreiben. Aber es gibt genug Augenblicke, die es einem schwer machen, ihm zu folgen. Also möchte ich für solch einen Satz, der ja sehr esoterisch klingen kann, eine intellektuelle oder emotionale Begründung. Hier sehe ich eine eindeutige Schwäche in der Art der Befragung der Frauen durch Regine Schneider.
Die meisten der Porträts sind Nacherzählungen der Begegnungen, die aber offensichtlich einen Fragekatalog zu Grunde legen und einige wenige Porträts sind in Interviewform aufgezeichnet. Diese Unentschiedenheit hätte ein stringentes Lektorat ausgleichen können, weil es keinen Grund gab, sich für diese unterschiedlichen Formen zu entscheiden. Der Leser ist verwundert – inhaltlich kommt es zu keinen Gewinn oder Defizit – ob nun Interview oder Nacherzählung der Begegnung.
Ich finde, dass das Buch doch einige Schwachstellen hat und mitunter in seichten Psychogewässern dümpelt. Und manchmal bei eindeutigen Lebenslügen schamhaft die Klippen umschifft – so wenn die TV-Schauspielerin Monika Peitsch, deren hochgradiges Lifting auch dem Laien sofort ins Auge fällt, lauter nette und banale Dinge über das Älterwerden von sich gibt, die man ihr einfach nicht glauben will. Es gibt zu viele Niveau-Unterschiede in den Porträts.
Aber warum empfehle ich es trotzdem?
Ich habe das Buch auf einer einzigen Bahnfahrt nach Dresden gelesen und nicht aus der Hand gelegt – ganz viele Dinge unterstrichen, die auch meiner Lebenserfahrung entsprechen. Und letztlich sucht man doch neben ästhetischen Entdeckungen in Büchern aller Art nach Lebensmodellen, an denen man eigenes Tun und Denken reiben oder überprüfen kann. Auch wenn ich ab und an ironisch die Nase kraus gezogen habe – ich habe das Buch in einem Ritt gelesen.
Jetzt wünschte ich mir das über ganz normale Frauen, denn noch ist das Älterwerden eine Kunst, die nicht so leicht zu erlernen ist.
Eine schöne kleine Idee fand ich noch: man sollte keine Geburtstage feiern – was bedeutet schon 40, 50 oder 60? – man sollte überhaupt nur Namenstage feiern.
Regine Schneider: "Fünfundfünzig plus – die Kunst des Älterwerdens"
Eichborn Verlag 2005
228 Seiten, 19,90 Euro
Das ist ja bei Prominenten so eine Sache. Die kennen ja ihr Bild in der Öffentlichkeit und bedienen es dann auch gerne mal.
Doch ich bin dann zu dem Schluss gekommen, dass die Prominenz der Frauen ihnen eine erhöhte Reflektion dem Thema gegenüber abnötigt, weil sie beim Älterwerden unter großer äußerlicher Beobachtung stehen. Und wenn man ehrlich ist, dann hat man ja selber mal schon despektierliche Sätze losgelassen: Na, die sollte sich auch langsam zurückziehen, wie die inzwischen aussieht. Wer das noch nie getan hat, der werfe den ersten Stein.
Sabine Christiansen – die im Übrigen nicht in dem Buch vorkommt – hat kürzlich mal den bitterbösen Begriff des Verfallsdatums für Frauen auf dem TV-Bildschirm gesprochen. Da fielen mir schon einige schwarzhumorige Entgegnungen ein, wenn ich an all die reifen Herren im Fernsehgeschäft denke, die einen solchen Verweis mit Empörung von sich weisen würden.
Es sind 21 Frauen – von der Schauspielerin über die Politikerin bis zur Wissenschaftlerin oder die Ärztin – alles Frauen aus dem Westen – den alten Bundesländern. Keine einzige Frau mit DDR-Sozialisation – das finde ich nicht einfach nur schade, sondern das ist ein wirkliches Defizit des Buches, denn es wäre schon wichtig zu wissen, ob Frauen, die in einem System aufgewachsen sind, das weibliche Berufstätigkeit als den Normalfall betrachtet hat und den Präsentationscharakter, die "Ware" Frau nicht so in den Mittelpunkt ihrer Beurteilung gestellt haben, andere oder letztlich dann doch die gleichen Fragen an das Älterwerden stellen.
Aber, um auf den Kern zu kommen: Wer ist unter den Prominenten? Beispielsweise die Schauspielerin Christiane Hörbiger, die Oberbürgermeisterin von Frankfurt/Main, Petra Roth, die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen, die Schauspielerinnen Ingrid van Bergen und Vera Tschechowa oder die Hochschulpräsidentin Gesine Schwan.
Es sind alles Frauen, die eine Art Balance für ihr Leben gefunden haben. Keine ist vergrämt darüber, dass das Alter auch Defizite mit sich bringt und die Attraktivität der Jugend durch andere Ausstrahlungsmomente kompensiert werden muss.
Etliche der Frauen bestätigen, dass sie eher in der Phase der Suchenden – also um die 30 herum – Krisenmomente erlebt haben, weil sie durch mangelndes Selbstbewusstsein bedrängt wurden, ihre eigene Persönlichkeit zu wenig kannten, ihre Lebensziel diffus waren. All das belastet sie nun im Alter nicht mehr – dabei spürt man bei ihnen allen Lust und Neugier auf das Leben – aber nicht penetrant ausgestellt, sondern mit einer gewissen Behutsamkeit.
Es gibt übrigens bestimmte Begriffe, die für alle der Frauen wichtig sind, die sie auch beim Älterwerden als hilfreich empfinden: Humor zu haben – Gelassenheit – sich nicht mehr so einfach in bestimmte Konkurrenzen zwingen zu lassen, weil man inzwischen genug Erfahrung hat und aus dem Bewusstsein der Endlichkeit, die natürlich sehr viel näher gekommen ist, die wesentlichen Dinge im Leben besser gewichtet. Man weiß in diesem Alter besser, was noch zu tun ist und was nebensächlich ist.
Eine der Frauen sagt so treffend: Ich denke jeden Morgen, heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens. Was will ich damit anfangen? Die Frauen leben alle bewusster, intelligenter.
Alle können besser mit sich allein sein, ohne jedoch das Alleinsein als zu erstrebende Lebensform zu predigen. Sie unterscheiden alle sehr genau zwischen Einsamkeit und Alleinsein. Und was eine ganz wesentliche Erkenntnis dieser Biografien ist: Schmerz wird jeder Mensch erleben, aber er muss einen nicht zerstören, sondern kann der Grund dafür sein, Glück erst wirklich tief empfinden zu können.
Das mag sich, wenn man es so thesenhaft hintereinander auflistet, manchmal nach Plattitüde klingen, etwas klischeehaft – und ab und an hätte ich mir von Regine Schneider auch tiefere Nachfragen gewünscht, um nicht zu nahe am Stil von Frauenzeitschriften vorbei zu schliddern. Also ein Satz: Man muss positiv denken – den darf man nicht einfach so stehen lassen.
Ich selber würde diesen Satz zwar auch unterschreiben. Aber es gibt genug Augenblicke, die es einem schwer machen, ihm zu folgen. Also möchte ich für solch einen Satz, der ja sehr esoterisch klingen kann, eine intellektuelle oder emotionale Begründung. Hier sehe ich eine eindeutige Schwäche in der Art der Befragung der Frauen durch Regine Schneider.
Die meisten der Porträts sind Nacherzählungen der Begegnungen, die aber offensichtlich einen Fragekatalog zu Grunde legen und einige wenige Porträts sind in Interviewform aufgezeichnet. Diese Unentschiedenheit hätte ein stringentes Lektorat ausgleichen können, weil es keinen Grund gab, sich für diese unterschiedlichen Formen zu entscheiden. Der Leser ist verwundert – inhaltlich kommt es zu keinen Gewinn oder Defizit – ob nun Interview oder Nacherzählung der Begegnung.
Ich finde, dass das Buch doch einige Schwachstellen hat und mitunter in seichten Psychogewässern dümpelt. Und manchmal bei eindeutigen Lebenslügen schamhaft die Klippen umschifft – so wenn die TV-Schauspielerin Monika Peitsch, deren hochgradiges Lifting auch dem Laien sofort ins Auge fällt, lauter nette und banale Dinge über das Älterwerden von sich gibt, die man ihr einfach nicht glauben will. Es gibt zu viele Niveau-Unterschiede in den Porträts.
Aber warum empfehle ich es trotzdem?
Ich habe das Buch auf einer einzigen Bahnfahrt nach Dresden gelesen und nicht aus der Hand gelegt – ganz viele Dinge unterstrichen, die auch meiner Lebenserfahrung entsprechen. Und letztlich sucht man doch neben ästhetischen Entdeckungen in Büchern aller Art nach Lebensmodellen, an denen man eigenes Tun und Denken reiben oder überprüfen kann. Auch wenn ich ab und an ironisch die Nase kraus gezogen habe – ich habe das Buch in einem Ritt gelesen.
Jetzt wünschte ich mir das über ganz normale Frauen, denn noch ist das Älterwerden eine Kunst, die nicht so leicht zu erlernen ist.
Eine schöne kleine Idee fand ich noch: man sollte keine Geburtstage feiern – was bedeutet schon 40, 50 oder 60? – man sollte überhaupt nur Namenstage feiern.
Regine Schneider: "Fünfundfünzig plus – die Kunst des Älterwerdens"
Eichborn Verlag 2005
228 Seiten, 19,90 Euro