Geistesgeschichte in Briefen

20.11.2009
Die Geschichte des Verlages Klett-Cotta spiegelt auch die Geistesgeschichte Deutschlands wider, wurden hier doch illustre Namen wie Klopstock, Goethe oder Carl Amery verlegt. Zum 350. Verlagsjubiläum erscheint nun ein Band mit Briefen von Autoren an die jeweiligen Verleger. Allein die Anreden und Abschiedsformeln sind mehr als sprechend.
Wie andere Unternehmen auch begehen Verlage ihren Geburtstag in der Regel mit einer Festschrift. Nur kommt die Verlagsfestschrift anders als bei anderen Unternehmen aus dem eigenen Haus, weshalb sie neben der Selbstbeweihräucherung auch die Kernkompetenz zu bezeugen hat. Beides – Huldigung und Kritik, Schwelgen in Vergangenem und Ahnung des Künftigen – verträgt sich jedoch nur selten. Das macht die Verlagsfestschrift zu einer recht heiklen Angelegenheit. Und zu einer interessanten.

Im Hause Klett-Cotta hat man sich zum 350. Jubiläum für eine doppelte Strategie entschieden. Der Pflicht genügt man mit Peter Kaedings umfassender Biografie des Mannes, der das Haus mit den Autoren der deutschen Klassik, allen voran Goethe und Schiller, groß gemacht hat: Johann Friedrich Cotta. Er steht pars pro toto für alle Inhaber des Hauses seit 1659, also für die Cottas vor und nach ihm, dann für die Brüder Kröner, die den Verlag 1889 erwarben, bis ihnen 1956 erst eine Gruppe Stuttgarter Buchhändler und Verleger, dann Wilhelm Schlösser folgte, den wiederum 1977 der Schulbuchverleger Ernst Klett ablöste. Seither heißt das literarische Haus Klett-Cotta und ist Teil des zweitgrößten deutschen Verlags.

Die Kür dagegen übernimmt eine kleine Anthologie. Sie rückt die Beziehungen des Verlags zu den Autoren in den Mittelpunkt. Die Herausgeber Stephan Askani und Frank Wegner, beide Lektoren des Jubilars, präsentieren Briefe von Goethe, Schiller, Jean Paul, Ernst Jünger und anderen an die Cotta-Verleger, deren Antwortbriefe aus 230 Jahren nicht abgedruckt werden. Der Autor mag in größerem Maße abhängig sein vom Verleger als vice versa, er kann aber die Macht des Wortes der des Geldes entgegensetzen. So tobt auf diesen Buchseiten ein mal zierlicher, mal brachialer Kampf, den die Herausgeber eingeteilt haben in Kapitel wie Freundschaft, große Werke, Probleme der Gegenwart, Honorar, Druckfehler, Klage und Tod.

Nicht nur "Scharwenzeln und Schachern" findet sich da, wie die Hausautorin und Büchner-Preisträgerin Brigitte Kronauer in ihrem wunderbar spitzen Vorwort schreibt. Neben Geschäft und Geschmeichel gibt es auch Freches und Vertrauensvolles: Hartmut von Hentig rechtfertigt seinen Sitzstreik gegen die Nachrüstung, Jean Améry verabschiedet sich vor dem Freitod.

Sprechend sind schon die Anreden und Abschiedsformeln: "Wohlgeborener, hochzuverehrender Herr", schreibt Georg Christoph Lichtenberg, Seume endet nach einer Absage mit "Ich empfehle mich ihrer Gewogenheit", was einer Zumutung nahe kommt, und Ingomar von Kieseritzky bittet noch im Jahre 1976, die Gattin "sehr artig zu grüßen".

Goethe indes behauptet, mit Cotta lieber in einem "sittlichem Verhältnis" stehen zu wollen, als mit ihm über ökonomische Gegenstände zu handeln, fordert dessen ungeachtet jedoch schroff 2000 Taler – sonst könne er nicht weiter liefern.

Zwei kleine Schwachpunkte hat dieser anregende Band: Es fehlen Briefe von nichtdeutschen Autoren – insbesondere die französische Moderne war gut vertreten im Verlagsprogramm. Und es fehlen Briefe aus den Jahren von 1866 bis 1949, worüber ein deplaziert wirkendes Gerichtsgutachten von Thomas Mann zu einem Cotta-Titel aus dem Jahr 1921 nicht hinwegtäuschen kann. Damit fehlen die Verleger Kröner und Schlösser, was Ernst und Michael Klett auf diskrete Weise nahe an die Ahnherren Friedrich Johann Cotta und Georg v. Cotta heranrückt. Die klug arrangierte Anthologie erfüllt die Mission Huldigung und Kritik also hinreichend diskret.

Besprochen von Jörg Plath

Stephan Askani / Frank Wegner (Hrsg.): Cotta. Das gelobte Land der Dichter. Briefe an die Verleger
Klett-Cotta, Stuttgart 2009
168 Seiten, 17,90 EUR