Geisterlied und Frühlingszirkus

13.12.2013
Auf den ersten Blick wirkt es wie ein schlechter Witz - den Wiener Erzromantiker Franz Schubert und den russischen Provokateur Igor Strawinsky in ein Konzertprogramm zu pressen. Doch der Dirigent Oleg Caetani vermag zwischen den gegensätzlichsten Musikstücken klingende Verbindungen aufzuzeigen, und das auf eine überzeugende und zugleich unprätentiöse Art. Mit dem Konzerthausorchester und dem Vocalconsort Berlin stehen ihm zwei hervorragende Ensembles zur Verfügung, um die jeweils rauen und milden Seiten beider Komponisten hervorzukehren.
Franz Schubert hat nicht nur schier unendlich viele und unbegreiflich schöne und zeitlose Klavierlieder geschrieben, sondern auch Chorstücke, die den Sologesängen in nichts an literarischer Kraft und musikalischem Tiefgang nachstehen. Zwei dieser Werke Schuberts stehen in diesem Konzert in Verbindung mit seiner sechsten Sinfonie: Im "Nachtgesang im Walde" bilden die menschlichen (hier: männlichen) Stimmen mit vier Hörnern eine schwebende Einheit. Der Goethesche "Gesang der Geister über den Wassern" wiederum ist ein geheimnisvolles Stück, in dem sich die Sänger (es sind wieder nur die männlichen Stimmen) auf die Klangflächen eines Streichorchesters stützen können.
Für den rhythmisch-packenden und schelmenhaften Ausgleich sorgt im Berliner Konzerthaus Igor Strawinsky. In seiner "Zirkuspolka", die er einem jungen Elefanten (vielleicht) zur tänzerischen Begleitung gewidmet hat, stolpert die Musik nicht nur durch die Tanzgeschichte Europas, sondern liefert auch viele Anspielungen auf Themen großer Vorgänger, zum Beispiel auf den Militärmarsch Franz Schuberts.
Weder Schubert noch Zirkuselefanten haben hingegen etwas in der Musik zu suchen, die vor hundert Jahren einen gehörigen Skandal verursachte, in Strawinskys Ballett "Das Frühlingsopfer". Diese Tanzmusik (richtig) zu spielen, stellt noch heute für jedes Orchester eine sportliche Herausforderung dar. Es sei denn, ein souveräner Dirigent, wie Oleg Caetani es ist, kann eine solche Sicherheit vermitteln, dass die Musiker sich voll und ganz auf den heidnisch-russischen Ausdruck konzentrieren können und nicht nur gerade und ungerade Takte zählen müssen. Der junge Zirkuselefant hätte seine Freude daran.
Rhythmisch geprägt ist auch die Konzertpause - in einem Beitrag der Sendereihe "Einstand", die wir wegen des Live-Konzerts vorziehen, stellt Petra Rieß den Mannheimer Schlagzeuger Joss Turnbull vor.
Live aus dem Konzerthaus Berlin
Franz Schubert
"Nachtgesang im Walde" D 913
Sinfonie Nr. 6 C-Dur D 589

Igor Strawinsky
"Zirkus-Polka für einen jungen Elefanten"

ca. 21:05 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
"Isturnbull" - Der Perkussionist Joss Turnbull
Von Petra Rieß

Franz Schubert
"Gesang der Geister über den Wassern" für Chor und Streicher D 714

Igor Strawinsky
"Le Sacre du Printemps"

Vocalconsort Berlin
Leitung: Oleg Caetani