Geiger Gil Shaham spielt Tschaikowsky

„Ich liebe diesen Komponisten"

Der Geiger Gil Shaham steht zwischen üppigen Bäumen mit Anzug uns einer Geige.
Als Kind zweier Wissenschaftler kostete es Gil Shaham viel Überredungskunst, dass ihm seine Eltern eine Geige kauften. © Chris Lee
Am Mikrophon: Volker Michael · 30.06.2022
Für Gil Shaham ist das Violinkonzert von Peter Tschaikowsky ein Meisterwerk, das er zum Saisonabschluss des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin spielt. Flankiert wird es von Werken von Chopin und Strawinsky, dessen beliebte Petruschka-Ballett-Musik erklingt.
Zum Saisonabschluss des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin am 24. Juni in der Philharmonie Berlin waren zwei amerikanische Künstler geladen: der kalifornische Dirigent David Robertson und der in New York lebende Geiger Gil Shaham.

Musikalische Brücken

„Was ich interessant finde, besonders in diesem Programm, ist, dass man hört, wie diese wunderbaren Einflüsse geschehen, die es immer gibt in der Musik, also von Chopin über Tschaikowsky und Tschaikowsky über Strawinsky.“, sagt Dirigent David Robertson über das Programm, das von osteuropäischen Komponisten geprägt wird.

Ballettmusik aus Chopins KlavierwerkenA

Am Anfang ist eine unbekannte Seite des Komponisten Igor Strawinsky zu entdecken. Nur kurze Zeit, bevor er mit seinen Ballettwerken für die Balletts Russes in Paris berühmt wurde, schrieb Strawinsky ebenfalls für Sergej Diaghilews Tanzcompagnie kleine Beiträge zu einem Ballett, das auf der Klaviermusik Frédéric Chopins basierte. Für die Tänzert intrumentierte er Chopins As-Dur-Nocturne, die er nicht romantisch aufgedonnert.

Mit Lieblingswerk in Berlin

Der Geiger Gil Shaham tritt regelmäßig in Berlin auf, dieses Mal mit dem Violinkonzert von Peter Tschaikowsky. „Ich liebe diesen Komponisten. Und sein Violinkonzert ist ein solches Meisterwerk. Für jemanden wie ihn, der er in seinem Leben solche Qualen erleiden musste, war das damals eine kurze und selten gute Periode. Er war in gut Verfassung und schrieb das Konzert schnell und mit nachhaltiger Inspiration.“
Davon existieren zwei Versionen, die von Tschaikowsky selbst, die er am Genfer See komponiert hat in einer glücklichen Lebensphase, und die von Leopold Auer, der das Konzert eigentlich erstaufführen sollte. Heutzutage wird zumeist die Originalversion gespielt, doch Gil Shaham ist auch die Auer-Fassung bestens vertraut.

Entscheidung für das Original

„Der große Geigenlehrer Leopold Auer hat seine eigene Version des Konzerts hergestellt. Und tatsächlich habe ich diese Version zuerst kennen gelernt. Das lag daran, dass ich in Jerusalem einen Lehrer hatte, Schmuel Bernstein. Er stammte aus Vilnius in Litauen und damit aus der Auer-Schule. Als ich mit 11 Jahren von Israel nach New York gezogen bin, hat er mir die Noten des Tschaikowsky-Konzerts geschenkt, und das war eben jene Auer-Version. So kam es, dass ich diese Version oft gespielt habe, mit all ihren Kürzungen.“
Als Gil Shaham älter und von seinen Lehrern selbständiger wurde, entdeckte Gil Shaham Tschaikowskys Originalversion und merkte, dass sie eindeutige Stärken hat. Manche Dramatisierung sei von Tschaikowsky so nicht gewollt gewesen. Und Gil Shaham gefällt der Finalsatz inzwischen ohne die Kürzungen, die der Geiger Leopold Auer vorgenommen hat, deutlich besser.

Zum Jubiläum auf Wurzeln geblickt

Die vergangene Saison des DSO Berlin war die seines 75-jährigen Jubiläums. 1947 war es als RIAS Sinfonieorchester gegründet worden. Der erste prägende Chefdirigent war Ferenc Fricsay. Und in dieser Anfangszeit kam auch immer mal ein heute bekannter Komponist in seiner Eigenschaft als Dirigent zum RIAS SO - Igor Strawinsky.
Außerdem war es die Aufgabe des neu gegründeten Orchesters, das deutsche Publikum mit der Musik vertraut zu machen, die von 1933 bis 1945 verfemt, verboten oder verleumdet war. Dazu gehörte auch die zu ihrer Zeit als äußerst modern geltende Musik Igor Strawinskys.

Puppen mit eigenen Seelen

Deshalb stand auch eine Ballettmusik Strawinskys auf dem Programm. Das zweite der berühmten Diaghilew-Ballette: „Petruschka“. Vertontes und vertanztes Puppentheater. Auch Theater im Theater, denn die Puppen erwachen zu echtem Leben, erhalten also eine menschliche Seele, dank ihres Herren, des Zauberers.

Es gibt zwei Fassungen des Petruschka-Balletts, eine von 1911 und eine von 1948. In diesem Konzert erklingt die spätere Fassung, die von Strawinsky selbst hergestellt wurde. David Robertson dirigiert diese Fassung eher selten, denn sie beinhaltet einige Vereinfachungen, die daher rühren, dass Strawinsky dieses Werk selbst dirigieren wollte.
Philharmonie Berlin Aufzeichnung vom 24.06.2022

Frédéric Chopin
Nocturne As-Dur op. 32 Nr. 2
(bearbeitet für Orchester von Igor Strawinsky)

Peter Tschaikowsky
Violinkonzert D-Dur op. 35

Igor Strawinsky
"Petruschka" - Ballettmusik

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