Geheimnisvoll und undurchschaubar
Sie gilt als die große Geheimnisvolle unter den Schauspielerinnen. Doch anstatt auf Preise wie den Oscar oder die Goldenen Palme zu schielen, sucht Isabelle Huppert die Herausforderung. In „Gabrielle – Liebe meines Lebens“ von Patrice Chéreau, der am 12. Januar bei uns in die Kinos kommt, spielt sie die Titelrolle.
In Frankreich wird sie „l´actrice intellectuelle“ genannt – die intellektuelle Schauspielerin. Wegen ihres introvertierten Spiels. Zurückgenommen und so diskret, dass die Kamera höchstens eine pochende Ader oder eine nervöse Zuckung im sonst undurchdringlichen Gesicht einzufangen vermag. Ihr Inneres aber bleibt Geheimnis. Denn bei Isabelle Huppert gibt es weder Grimassen noch expressive Mimiken. Stattdessen Schattierungen, Nuancen und das ewig Ungesagte:
" Man erkundet sehr intime, sehr private innere Räume, wenn man spielt. Die natürlich durchtränkt sind von vielen anderen Elementen. Es ist keine ausschließliche Wiedergabe der eigenen Intimität. Andere Intimitäten kommen hinzu, nicht zuletzt die des Regisseurs. Und außerdem spielt sich das Ganze in einem bestimmten Kontext, einer Geschichte und einem Umfeld ab. Aber trotzdem – die Arbeit des Schauspielers ist eine innere Arbeit. Ganz offensichtlich. Manche Schauspieler spielen natürlich äußerlicher und auch physischer als ich. "
Das kann sie allerdings nicht ausstehen. Wie auch das Klischee, dass der Schauspieler in eine fremde Rolle schlüpft. Denn die filigrane 53-Jährige mit dem transparenten Teint begreift das Schauspiel als eine innere Erkundung der menschlichen Seele: nicht als äußeren, sondern als inneren Vorgang. Für sie gehören Film und Psychoanalyse eng zusammen. Mit einer Sonde oder einem Mikroskop vergleicht sie die Kamera. Ein Vergrößerungsglas, das das Unsichtbare sichtbar machen kann. So zumindest auf der Leinwand. Ganz anders ist es auf einer Bühne. Dort fühlt sich die ebenso schmal wie rätselhaft wirkende Frau ohnehin weniger in ihrem Element:
" Lange Zeit habe ich mich beim Film besser gefühlt. Ich hatte weniger Angst, weniger Lampenfieber, na, ja, all das, was das Theater mit sich bringt. Inzwischen fühle ich mich etwas wohler am Theater. Aber trotzdem: Ich drehe lieber Filme. Es sei denn, es sind intimere Theaterstücke, wie zum Beispiel „Psychosis“ von Sarah Kane. Wenn man das spielt, fühlt man sich in einem sehr intimen Raum. Man fühlt sich fast wie in einer Nahaufnahme beim Film. Aber natürlich, der Film bleibt der Ort der inneren Begegnung mit sich selbst.“
Am wohlsten fühlt sich die gerade einmal 1 Meter 52 große Huppert, die in ihrem riesigen Ohrensessel fast zu verschwinden scheint, in psychologischen und naturalistischen Stücken. Weniger in den textlastigen Rollen der großen Klassiker. Wegen ihrer Vorliebe für das Ungesagte wäre sie auch gerne Musikerin geworden, sagt die Schauspielerin von sich selbst. Sie ist ohnehin der Ansicht, dass das Spielen nur mit Musik erlernt werden kann. Auf Stimmungen und Schwingungen kommt es ihr beim Spiel an – weniger auf die Worte:
" Für den Schauspieler ist der Gesang ein höherer, ein perfekterer Ausdruck als das Schauspiel. Denn der Gesang entführt uns in Räume, die unendlich und offen sind. Der Schauspieler ist auf Worte und damit auf das Sagbare angewiesen und hat dadurch weniger die Möglichkeit zur Unendlichkeit oder Offenheit.“
Wegen ihrer großen Liebe zur Musik, hat ihr die Rolle der Klavierspielerin in Haneckes gleichnamigem Streifen ganz besonders gelegen. Wie auch die Rolle der Ehebrecherin Gabrielle in Patrice Chéreaus neuem Film. Auch hier ist viel Musik zu hören, unter deren Einwirkung das feinnervige Gesicht der Huppert wie eine komplizierte Partitur wirkt – aus unzähligen Noten bestehend.
Gabrielle. Das ist die Geschichte einer Frau, die ihren Mann wegen eines anderen verlässt – um aber drei Stunden später schon wieder zurückzukehren. Ein grausames Spiel mit den Gefühlen:
" Die Grausamkeit liegt darin, dass sie zurückkehrt. Gabrielle schwankt zwischen Triumph und Unterwerfung, würde ich sagen. Sie kehrt zurück, vielleicht weil sie zu schwach war, um ein neues Leben zu wagen. Und trotzdem hat sie jetzt die Erfahrung dessen, was dieses neue Leben sein könnte. Sie kommt mit einem Gefühl des Sieges zurück. (...) Natürlich hätte sie ihre Koffer einfach packen und für immer verschwinden können. Aber sie zieht die Konfrontation mit ihrem Mann vor. In einem doch recht mutigen Akt. Es wäre sehr einfach gewesen, sie aus einem unüberlegten Gefühl des Aufbegehrens zurückkehren zu lassen. Aber stattdessen haben wir aus ihr einen sanften Menschen gemacht, einen Menschen, der eben dadurch grausam ist, dass er die härtesten Dinge mit der größten Natürlichkeit sagt. Dinge, die man nicht gewohnt zu hören – vor allem in der damaligen Epoche.“
Warum sie zu ihrem verzweifelten Ehemann zurückkehrt, erfahren wir allerdings nicht. Und genau das gefällt der elfengleichen Schauspielerin. Gabrielle kann man nicht durchschauen, sagt sie wie zum Trotz. Wobei sie ihre riesige Lesebrille plötzlich ablegt und überraschend verkündet, dass sie eines Tages vielleicht noch den Beruf wechseln werde. Bevor ich auch nur nachhaken kann, ist das mädchenhaft sommersprossige Gesicht mit den klugen Augen wieder verschwunden. Isabelle Huppert hat sich in Luft aufgelöst.
" Man erkundet sehr intime, sehr private innere Räume, wenn man spielt. Die natürlich durchtränkt sind von vielen anderen Elementen. Es ist keine ausschließliche Wiedergabe der eigenen Intimität. Andere Intimitäten kommen hinzu, nicht zuletzt die des Regisseurs. Und außerdem spielt sich das Ganze in einem bestimmten Kontext, einer Geschichte und einem Umfeld ab. Aber trotzdem – die Arbeit des Schauspielers ist eine innere Arbeit. Ganz offensichtlich. Manche Schauspieler spielen natürlich äußerlicher und auch physischer als ich. "
Das kann sie allerdings nicht ausstehen. Wie auch das Klischee, dass der Schauspieler in eine fremde Rolle schlüpft. Denn die filigrane 53-Jährige mit dem transparenten Teint begreift das Schauspiel als eine innere Erkundung der menschlichen Seele: nicht als äußeren, sondern als inneren Vorgang. Für sie gehören Film und Psychoanalyse eng zusammen. Mit einer Sonde oder einem Mikroskop vergleicht sie die Kamera. Ein Vergrößerungsglas, das das Unsichtbare sichtbar machen kann. So zumindest auf der Leinwand. Ganz anders ist es auf einer Bühne. Dort fühlt sich die ebenso schmal wie rätselhaft wirkende Frau ohnehin weniger in ihrem Element:
" Lange Zeit habe ich mich beim Film besser gefühlt. Ich hatte weniger Angst, weniger Lampenfieber, na, ja, all das, was das Theater mit sich bringt. Inzwischen fühle ich mich etwas wohler am Theater. Aber trotzdem: Ich drehe lieber Filme. Es sei denn, es sind intimere Theaterstücke, wie zum Beispiel „Psychosis“ von Sarah Kane. Wenn man das spielt, fühlt man sich in einem sehr intimen Raum. Man fühlt sich fast wie in einer Nahaufnahme beim Film. Aber natürlich, der Film bleibt der Ort der inneren Begegnung mit sich selbst.“
Am wohlsten fühlt sich die gerade einmal 1 Meter 52 große Huppert, die in ihrem riesigen Ohrensessel fast zu verschwinden scheint, in psychologischen und naturalistischen Stücken. Weniger in den textlastigen Rollen der großen Klassiker. Wegen ihrer Vorliebe für das Ungesagte wäre sie auch gerne Musikerin geworden, sagt die Schauspielerin von sich selbst. Sie ist ohnehin der Ansicht, dass das Spielen nur mit Musik erlernt werden kann. Auf Stimmungen und Schwingungen kommt es ihr beim Spiel an – weniger auf die Worte:
" Für den Schauspieler ist der Gesang ein höherer, ein perfekterer Ausdruck als das Schauspiel. Denn der Gesang entführt uns in Räume, die unendlich und offen sind. Der Schauspieler ist auf Worte und damit auf das Sagbare angewiesen und hat dadurch weniger die Möglichkeit zur Unendlichkeit oder Offenheit.“
Wegen ihrer großen Liebe zur Musik, hat ihr die Rolle der Klavierspielerin in Haneckes gleichnamigem Streifen ganz besonders gelegen. Wie auch die Rolle der Ehebrecherin Gabrielle in Patrice Chéreaus neuem Film. Auch hier ist viel Musik zu hören, unter deren Einwirkung das feinnervige Gesicht der Huppert wie eine komplizierte Partitur wirkt – aus unzähligen Noten bestehend.
Gabrielle. Das ist die Geschichte einer Frau, die ihren Mann wegen eines anderen verlässt – um aber drei Stunden später schon wieder zurückzukehren. Ein grausames Spiel mit den Gefühlen:
" Die Grausamkeit liegt darin, dass sie zurückkehrt. Gabrielle schwankt zwischen Triumph und Unterwerfung, würde ich sagen. Sie kehrt zurück, vielleicht weil sie zu schwach war, um ein neues Leben zu wagen. Und trotzdem hat sie jetzt die Erfahrung dessen, was dieses neue Leben sein könnte. Sie kommt mit einem Gefühl des Sieges zurück. (...) Natürlich hätte sie ihre Koffer einfach packen und für immer verschwinden können. Aber sie zieht die Konfrontation mit ihrem Mann vor. In einem doch recht mutigen Akt. Es wäre sehr einfach gewesen, sie aus einem unüberlegten Gefühl des Aufbegehrens zurückkehren zu lassen. Aber stattdessen haben wir aus ihr einen sanften Menschen gemacht, einen Menschen, der eben dadurch grausam ist, dass er die härtesten Dinge mit der größten Natürlichkeit sagt. Dinge, die man nicht gewohnt zu hören – vor allem in der damaligen Epoche.“
Warum sie zu ihrem verzweifelten Ehemann zurückkehrt, erfahren wir allerdings nicht. Und genau das gefällt der elfengleichen Schauspielerin. Gabrielle kann man nicht durchschauen, sagt sie wie zum Trotz. Wobei sie ihre riesige Lesebrille plötzlich ablegt und überraschend verkündet, dass sie eines Tages vielleicht noch den Beruf wechseln werde. Bevor ich auch nur nachhaken kann, ist das mädchenhaft sommersprossige Gesicht mit den klugen Augen wieder verschwunden. Isabelle Huppert hat sich in Luft aufgelöst.