Geheimbund der Illuminaten

Rezensiert von Thomas Kroll · 28.12.2005
Vor gut 200 Jahren wurde der Geheimbund der Illuminaten von der kurbayrischen Regierung verboten. Seit 1784/85 als Gottesleugner und Giftmischer verfolgt, erleben die Illuminati zu Beginn des dritten Jahrtausends ihre literarische Wiedergeburt dank Dan Browns gleichnamigem Bestseller.
Was ist hier der Phantasie geschuldet, was fußt auf Realität? Der vorliegende Quellenband – weitere werden folgen – versammelt Briefe aus der Anfangszeit des Geheimbundes (1776-1781), bietet Einblicke in innere Konflikte und gibt Aufschluss über das anfänglich rasche Wachstum der Organisation.

"Brutus, Attila, Lullus, Pericles und noch ein oder der andere sind gut: Wir wollen sie schon noch vom allgemeinen Untergang erretten. Confucius taugt gar nicht viel: Er ist zu nasenweis, und ein grausamer Schwätzer. Scipio wäre mir nach ihnen noch der liebste unter den Areopagiten, wenn er nur thätiger wäre."

Post von Spartacus. Manchmal bleibt Adam Weishaupt, "Ordensgeneral" und Gründer des Geheimbundes, nichts anderes übrig, als seine Mitstreiter inner und außerhalb Bayerns, hier: Cato in Athen (München), über (Personal )Entwicklungen zu informieren und erneut auf die Ziele des Ordens hin einzuschwören. Eine heikle Mission - "dieser Brief gehört nur für uns beyde allein, damit ich nicht wieder einen Personal-Proceß auszustehen habe" –, der Aufklärung und der Freiheit geschuldet, jedoch nicht immer frei von Realitätsverlust und Machtphantasien, von Wut und Ärger über den Einfluss kirchlicher Protagonisten auf Staat und Wissenschaft.

Zum Hintergrund: Bis zum Jahre 1773, bis zur Aufhebung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV., sind zahlreiche bayrische Bildungsanstalten fest in jesuitischer Hand. Damals gilt der Orden, insbesondere in den Augen der Aufklärer, als "dogmatisch borniert und wissenschaftsfeindlich". So ist etwa die Modernisierung des Lehrangebotes, die Einführung der Studienfächer Chemie, Botanik und Klassische Philologie an der Universität zu Ingolstadt, Hochburg der Societas Jesu, lange Zeit nicht möglich aufgrund des Widerstandes der Theologischen Fakultät.

Als es 1773/74 zum Umbruch kommt, können viele der im Erziehungswesen tätigen Jesuiten nicht ersetzt werden. Sie bleiben wenigstens vorläufig im Amt und nehmen weiterhin Einfluss auf die Bildungspolitik. Seit 1773 lehrt Johann Adam Weishaupt, selbst ein Jesuitenzögling katholisches Kirchenrecht, "bis dahin eine Domäne der Jesuiten". Als er zwischen die Fronten der Jesuitengegner und Exjesuiten, in "eine relativ isolierte Stellung" gerät, sucht Weishaupt Verbündete unter seinen Hörern. Am 1. Mai 1776 gründet er mit fünf Studenten die Keimzelle des Illuminatenordens.

"Ich denke und arbeite täglich an unserm großen Gebäude. Arbeiten sie auch von ihrer Seite, und führen sie mir Steine zu. Lassen sie sich keine Mühe verdrüßen: Suchen sie Gesellschaft junger Leute: beobachten sie; und wenn Ihnen einer darunter gefällt, legen sie Hand an."

Weishaupt alias Spartacus konzentriert sich vor allem auf junge, wissensbegierige Männer. Ältere, die "schon selbst etwas zu wissen glauben", gesteht er gegenüber Cato, "sind zu stolz, und nehmen nicht gern Lehre an". Ausnahmen bestätigen die Regel: Mit 28 Jahren stößt Adolph Freiherr von Knigge, Deckname Philo, zu den Illuminaten. In seinem ersten "quibus licet", einem schriftlichen Rapport, der allmonatlich an den Oberen einzureichen ist, liest man:

"Aus verschiedenen Umständen schließe ich nun, daß diese Gesellschaft dieselbe ist, welche mein Herz längst gesucht hat, eine Gesellschaft in deren Schooße der Aufschluß der wichtigsten, die Menschheit interessieren[den] Geheimnisse, zu finden ist, die sich unter verschiedenen Nahmen bekannt gemacht, in den Chor-Rock eines gewissen Ordens und nachher in die Schürze der Freymaurerey versteckt hat."

Knigge, auf der Suche nach Erkenntnis und Seelenheil, ist insbesondere in Hessen mit unermüdlichem Eifer aktiv: "Nun werde ich in Göttingen und Cassel anfangen ..." Was die Verbreitung des Ordens betrifft, schreckt er nicht vor der Idee zurück, bestehende Freimaurerlogen zu unterwandern und bei Gelegenheit auf die neuen Inhalte hin auszurichten. Was letztere anbelangt, ersucht Knigge mehrmals den hochgeschätzten Ordensgründer um Konzeption und Darlegung der illuminatischen Lehre.

"Der Gedanke, daß wir in dieser Hülle so gar nicht in das Wesen der Dinge dringen, so immer nur in Täuschungen leben sollten, schlägt mich nieder, zumal ich noch immer nicht den Begriff eines nach meinem Tode fortdauernden mein eigendliches Ich ausmachenden Wesens, fassen kann. Gern will ich weitre Belehrung erwarten."

Der vorliegende Band vereint mehr als zweihundert Briefe, angeordnet in chronologischer Reihenfolge. Mitunter stößt man auf ordensinterne Kürzel; verschlüsselte Stellen sind aufgelöst. In französischer Sprache notierte Briefe werden nicht übersetzt, Zitate aus den alten Sprachen hingegen schon. Der Sachkommentar in den Fußnoten bietet eine Fülle an Zusatzmaterial und gewährt gemeinsam mit den Briefzeilen einen erhellenden Blick hinter die Kulissen einer Organisation zur Zeit der Spätaufklärung, die diesen Blick selbst lange abzuwehren versucht hat. Eine veritable Edition, und – sieht man vom Preis ab – eine äußerst erfreuliche Alternative zu Dan Browns fiktivem Roman.


Reinhard Markner / Monika Neugebauer-Wölk / Hermann Schüttler (Hg.)
Die Korrespondenz des Illuminatenordens. Band I: 1776-1781,

Max Niemeyer Verlag: Tübingen 2005
484 Seiten, 126 Euro.