"Geheimagentur" am Theater Oberhausen

Geheimes Künstlerkollektiv erstmals auf der Bühne

Das Theater Oberhausen.
Das Theater Oberhausen. © dpa / picture alliance / Caroline Seidel
Von Stefan Keim · 14.03.2015
"Es ist und bleibt unklar, wer zur Geheimagentur gehört und wer nicht", das steht im Gründungsmanifest des Künstlerkollektivs "Geheimagentur". Seit 12 Jahren gibt es die Gruppe schon, zum fünften Mal arbeiten sie bereits in Oberhausen - und zum ersten Mal im Theater.
"Wir befinden uns in der Alleestraße, im Industriegebiet. Beat. – Im Bürogebäude der ehemaligen Babcock Handel wird zur Zeit ein ganz neues Veranstaltungskonzept erprobt: Party mit Parkplatz."
Die Geschichte einer verlorenen Liebe. Viele Jahrzehnte lang waren die Stadt Oberhausen und die Industrie ein perfektes Paar. Dann hat die Industrie mit der Kommune Schluss gemacht, einfach so, per SMS. Zurück bleiben Leerstellen im Stadtkörper und verzweifelte Versuche, sie zu füllen.
"Party mit Parkplatz im Industriegebiet. Autos und Alkohol im Industriegebiet..."
Das Lecture-Musical "Sweat Shop" besteht aus Songs, Choreographien und kurzen Texten über die Lage des überschuldeten und von den Firmen verlassenen Oberhausen. Schräger Humor und Melancholie wechseln sich ab. Am Ende singen die Zuschauer "Ich bin eine Stadt" und werden zum Exodos aufgerufen, zum Ausmarsch, einem Neuanfang.
"Tatsächlich geht es darum, dass ne Stadt, wenn sie verlassen wird, in der blöden Situation ist, dass sie selber nicht weg kann. Eine Stadt ist sesshaft per Definition, so entsteht die Stadt. Und dass man sich darüber hinweg setzen kann, das finden wir einen befreienden Gedanken."
In der Öffentlichkeit bleiben sie anonym
Wir, das ist die Geheimagentur. Wer hier spricht, darf nicht verraten werden. Im privaten Gespräch sagen die Theatermacher natürlich, wie sie heißen. Aber in der Öffentlichkeit bleiben sie anonym.
"Das ist nicht nur so ne Marotte, sondern das ist Teil unserer künstlerischen Strategie. Wir nennen unsere Namen nicht, denn es geht uns darum, das kulturelle Kapital, das wir mit unserer Arbeit akkumulieren, in dieser Anonymität weiter verteilen zu können, also sozialisieren zu können."
Das klingt nach einem gründlichen Studium der politischen Theorie. Und wahrhaftig hat das Performancekollektiv einen akademischen Hintergrund.
"Geheimagentur hat angefangen erstens aus einem universitären Zusammenhang raus, da gab es Forschungszusammenhänge zu performativen Strategien in Kunst und Wissenschaft. Und aus so einem Politaktivistentum andererseits. Es gab ein sogenanntes Grenzcamp in Hamburg. Da geht es darum, die EU-Außengrenzenpolitik anzugreifen."
So wie es vor kurzem das Zentrum für politische Schönheit in Berlin getan hat, als die Gedenkkreuze für die Maueropfer kurzfristig entwendet wurden. Damals in Hamburg waren die Aktionen noch nicht so originell.
"Wir waren da und hatten den Eindruck, die Aktionsformen, die der linke politische Aktivismus dieser Zeit hatte, ist zwar in vielem gut. Zäune aufschneiden, solche Sachen. Aber bei Demonstrationen oft ein bisschen langweilig. Und es wäre gut, da eine performative Eingreiftruppe zu haben."
Sonst arbeitet das Kollektiv im öffentlichen Raum
Ein Stück zu inszenieren, ist ungewöhnlich für die Geheimagentur. Sonst arbeitet das Kollektiv im öffentlichen Raum. In Nürnberg gründete es im vergangenen Jahr die "Agentur für Zeitverschwendung". Und in Oberhausen hat es unter anderem eine Bank eröffnet, die Schwarzbank, und eigenes Geld gedruckt, Kohle, mit der man wirklich etwas kaufen konnte. Viele Geschäftsleute haben die Scheine akzeptiert.
"Eigentlich meinen wir das ernst. Wenn wir sagen, wir machen ne Bank, wir drucken unser eigenes Geld, dann ist das kein Spielgeld, dann ist das keine Theaterbank, sondern das ist eine Institution, in der Geld ausgegeben wird, mit dem Leute wirklich etwas anfangen können."
Die Anonymität hat natürlich Nachteile. Denn niemand aus der Geheimagentur kann sich einen Namen in der Theaterszene machen und vielleicht einmal allein arbeiten. Und auch das Kollektiv bleibt unberechenbar, weil nicht immer dieselben Leute damit verbunden sind. Man könnte den Namen einfach klauen. Einspruch einer Geheimagentin:
"Klauen nicht, weil die Idee ist, dass jeder das Label benutzen kann, der oder die zwei Projekte der Geheimagentur kennt oder in irgendeiner Form dabei mitgemacht hat. Alle diejenigen, die das schon mal getan haben, dürfen das Label Geheimagentur gern weiter benutzen. Deshalb können wir gar nicht sagen, wie viele Geheimagenten und Geheimagentinnen es gibt, weil sich so viele Leute Geheimagentur nennen können."
"Es geht uns tatsächlich darum, in diesem Betrieb, in dem es so eine strenge Ökonomie der Aufmerksamkeit gibt – du machst dir nen Namen, dann kriegst du ne neue Produktion, dann kriegst du noch ne Produktion, weil du hast ja schon ne Produktion gehabt – diesem Prinzip wollen wir relativ deutlich entgegen treten."
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