"Elser - 13 Minutes"

Denkmal für den Hitler-Attentäter

Regisseur Oliver Hirschbiegel bei der Eröffnungsgala der 65. Internationalen Filmfestspiele in Berlin; Aufnahme vom 5.2. 2015
Regisseur Oliver Hirschbiegel sagt über Georg Elser: "Der Mann hat mich immer fasziniert" © picture alliance / dpa
Regisseur Oliver Hirschbiegel im Gespräch mit Holger Hettinger |
Am 8. November 1939 platziert der Schreiner Georg Elser im Münchner Bürgerbräu-Keller eine Bombe: Er will Adolf Hitler töten. Doch der verlässt den Ort früher als geplant. Regisseur Oliver Hirschbiegel erzählt in "Elser - 13 Minutes" von dem gescheiterten Attentat.
Für Regisseur Oliver Hirschbiegel ist Georg Elser ein lange vergessener Held: Der schwäbische Schreiner sei 1939 geradezu "hellsichtig" gewesen, als er beschloss, Hitler zu töten. Zumal sich das deutsche Volk "in einem Taumel" befand, als Nazi-Deutschland gerade Polen eingenommen hatte. "Dass da einer sagt: 'Das kann nicht sein', das ist bis heute faszinierend", so Hirschbiegel.
"Ein peinlicher Zustand für die Elite unseres Volkes"
Dass Georg Elsers Rolle und Motivation erst seit den 1990er Jahre erforscht wird, findet der Regisseur empörend. "Es ist ein peinlicher Zustand für die Elite und die Intelligenz unseres Volkes, dass letztlich der einzige echte Widerstandskämpfer der ersten Stunde ein Mann des Volkes war, der keinerlei politische Organisation im Rücken hatte und auch keine politische Überzeugung - sondern aus sich heraus wie ein Snowden heute sagt: Das muss gestoppt werden."
Hirschbiegel stellt "Elser - 13 Minutes" heute auf der Berlinale vor. Er hoffe, sagt er, dass der verhinderte Hitler-Attentäter durch seinen Film die Anerkennung und Bewunderung erfährt, die ihm jahrzehntelang verwehrt waren.
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Das Interview mit Oliver Hirschbiegel im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: "13 Minuten", das ist der internationale Titel des Films "Elser" von Oliver Hirschbiegel, 13 Minuten, die haben gefehlt, 13 Minuten, sonst wäre Adolf Hitler am 8. November 1939 im Münchener Bürgerbräukeller womöglich durch eine Bombe getötet worden, die der schwäbische Schreiner Georg Elser am Rednerpult deponiert hatte. Das Attentat schlug fehl, und Elser wurde von den Nationalsozialisten umgebracht. Oliver Hirschbiegel hat sich filmisch mit dieser Figur des Widerstands auseinandergesetzt, sein Film hat bei der Berlinale Premiere, und im Gespräch mit Holter Hettinger hat Oliver Hirschbiegel erzählt, warum ihn diese historische Figur so beeindruckt und welche Facetten aus dem Leben Georg Elser er hervorheben wollte.
Oliver Hirschbiegel: Ich kenne Elser eigentlich als Menschen, als historische Figur, seit ich 15 bin, und der Mann hat mich immer fasziniert, auch deshalb, weil er bis zu einem bestimmten Punkt immer ein Rätsel war und ich diese eigenartigen Theorien, dass der eigentlich von den Nazis engagiert worden ist, das zu tun, um die Unverwundbarkeit Hitlers zu beweisen.Oder dann die andere hanebüchene Theorie war ja, dass er dann doch für ausländische Nachrichtendienste gearbeitet hätte mit deren Unterstützung. Und das war einfach beides für mich nicht glaubwürdig. Und in den letzten Jahren hat man halt zusätzliche Informationen bekommen, die ein ganz anderes Bild von Elser zeichnen. Das ist nämlich kein einfacher Mann. Der hat zwar keine Schulbildung, keine akademische Ausbildung gehabt, aber das war ein sehr, sehr emotional intelligenter, sensibler Mann, der hochbegabt war auch als Musiker, er hat verschiedene Instrumente gespielt und war eben feinmechanisch extrem begabt und eben ein schwäbischer Tüftler gleichzeitig noch.
Also, das ist schon eine sehr komplexe Figur an sich. Und dass dann so einer geht und sagt, im Jahr '38, das muss gestoppt werden, das ist fast hellsichtig. Weil das Volk ist eigentlich in einem Taumel, die haben sich in Mehrheit überreden lassen dazu, diese Leute zu wählen und sich einreden lassen, dass alles besser wird und dass sie wieder wer sind, ein Herrenvolk, und haben gerade, also '39 dann, Polen in einem vierwöchigen Blitzfeldzug eingenommen. Und einer sagt, das kann nicht sein. Das ist bis heute faszinierend.
Holger Hettinger: Elser hat man im Prinzip bis in die späten 60er-Jahre hinein totgeschwiegen, dann hat das Münchener Institut für Zeitgeschichte ja begonnen, sich dieser Figur historisch und biografisch zu nähern. Und erst so 1990 hat man da völlig angefangen, mal die Rolle, die Herkunft, die Motivation zu erforschen. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum das so elend lang gedauert hat?
"Der einzige echte Widerstandskämpfer der ersten Stunde"
Hirschbiegel: Das ist ein peinlicher Zustand für die Elite und die Intelligenz unseres Volkes, dass letztlich der einzige echte Widerstandskämpfer der ersten Stunde, ein Mann des Volkes war, der keinerlei politische Organisation im Rücken hatte und auch keine politische Überzeugung, sondern aus sich heraus, wie ein Snowden heute, sagte, das muss gestoppt werden. Ich meine, es gibt ja eine Elite, die auch Meinung bildet und kontrolliert – das geht auch in die Kirche rein –, der das nicht gefallen hat. Deswegen ist meine Hoffnung jetzt, dass Elser über den Film zuletzt jetzt die Anerkennung endlich erfährt und hoffentlich die Bewunderung für diese Tat, auf die er eigentlich Jahrzehnte warten musste.
Hettinger: Lassen Sie uns mal über die filmische Umsetzung reden. Eigentlich, wenn man so diese Geschichte dieser historischen Ereignisse sich so anschaut, das hat ja fast schon Showdown-Qualitäten. Diese 13 Minuten, die da am Ende fehlen – wie groß war denn die Verlockung, dass just auf diesen Showdown hin zu zeichnen und, ja, wenn Sie es schon verraten können oder wollen, sind Sie dieser Verlockung erlegen oder nicht?
Hirschbiegel: Der Verlockung bin ich nicht erlegen. Wir beginnen mit dem Showdown und spulen dann quasi die Geschichte, was das Verhör angeht, von da an weiter und auch zu 50 Prozent zurück in die Vergangenheit, indem wir erzählen, stufenweise, wo der Georg Elser herkam, was der getan hat, als er jünger war, und was dann schrittweise dazu geführt hat, dass er diesen Plan gefasst hat.
Hettinger: Sie flankieren den Georg Elser mit verschiedenen Figuren. Da ist zum Beispiel, kommt vor Arthur Nebe, der Chef der Reichskriminalpolizei. Der ist mit Burghard Klaußner besetzt, deswegen vermute ich mal, keine kleine Rolle. Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie diese Figur Elser mit anderen Charakteren arrondiert.
Hirschbiegel: Ja, Klaußner ist ein Schauspieler, der erstaunliche Facetten hat. Er ist eine sehr mächtige Erscheinung. Das Interessante an Arthur Nebe – der war Kriminaler vom Scheitel bis zur Sohle –, war strammer Nationalsozialist, auch ein Kämpfer, der war von der ersten Stunde dann dabei. Aber wie das halt ist bei Kriminalisten: Irgendwann entwickeln sie dann eine persönliche Faszination auch für den Täter, den sie jagen. Das war mir wichtig. Andererseits gibt es den Gestapo-Müller, also den Chef der Gestapo, der gespielt wird von Johann von Bülow, der ein absoluter Pragmatiker war. Ein kalter, präziser, pragmatischer Executor. Und das ist wichtig, diese Figuren möglichst dreidimensional zu zeichnen, um zu verstehen, wie das System funktioniert hat.
Hettinger: So ein historischer Stoff ist ja einerseits sehr verlockend, sehr dankbar, einfach, weil das ein Thema ist, das Menschen anspricht, Menschen interessiert, die Faszinationskraft, aber auch das Interesse an solchen Figuren ist ja riesig groß. Auf der anderen Seite ist das auch eine Gefahr, wenn man sich so einer historischen Figur nähert, weil die ja auch festgeschrieben ist in der Geschichtsschreibung. Wie haben Sie sich als Regisseur in diesem Spannungsfeld bewegt, einerseits den historischen Befund zu respektieren, andererseits der Geschichte aber auch Raum und Schwingung zu lassen.
Hirschbiegel: Ja, das ist die Verantwortung des Regisseurs natürlich, den Quellen zu folgen. Aber ab einem bestimmten Punkt ist es natürlich immer die Interpretation des Künstlers. Es ist schon meine Farbe, es ist mein Film. Ich benutze halt alle möglichen Aspekte, äußerliche wie zutiefst innerliche, um die Figur so authentisch zu erzählen, wie es geht. Und dann gibt es halt dies Prinzip, das jeder Schriftsteller kennt: Irgendwann beginnt man, seine Figuren zu verstehen, und die sprechen mit einem, und die korrigieren dann auch und sagen, nee, das wäre so nicht. Man spürt das dann. Ab einem bestimmten Punkt ist man da latent in der immateriellen Welt unterwegs, wie jeder Maler, jeder Künstler, jeder Komponist, der findet. Erfinden heißt ja Finden, Aufnehmen aus dem Äther, aus dem Gehirn, aber eben massiv aus der immateriellen Welt.
"Ich wollte eine Heutigkeit herstellen"
Hettinger: Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie diesen Film bebildert? Sie haben ja mit dem "Untergang" bereits Erfahrungen gesammelt mit der filmografischen Wiedergabe dieser Epoche. Gab es da eine Entwicklung oder konnten Sie da auf was aufbauen?
Hirschbiegel: Der Ansatz beim "Untergang" war der, dass ich eine Heutigkeit herstellen wollte. Ich wollte da keine Mottenbox wie bei der Großmutter erzeugen, in die man so reinschaut und sagt, so war das damals. Und das wollte ich eigentlich jetzt noch mehr steigern. Es gibt dabei die elektronischen Kameras, die, wenn man sie richtig einsetzt, erstaunliche Möglichkeiten haben, noch etwas weiter zu gehen so in Extremen.
Gleichzeitig habe ich teilweise mit Neon beleuchtet und Farbkorrekturen über Licht vorgenommen, die eigentlich sehr heutig sind, sodass man das Gefühl hat, Teil dieser Figuren zu werden, Teil dieser Geschichte zu werden, ohne dass das so einen Modernitätsschick bekommt. Das ist halt eine dünne Linie, auf der man da wandelt, und ich glaube, das ist uns sehr gut gelungen.
von Billerbeck: Der Regisseur Oliver Hirschbiegel im Gespräch mit meinem Kollegen Holger Hettinger. Heute läuft der Film während der Berlinale, ab April kommt er in die deutschen Kinos. Und dieses Gespräch und alle anderen Informationen über die Berlinale, die finden Sie auch im Internet unter deutschlandradiokultur.de und natürlich auch hier noch im Programm.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.