Gegensätzliche Geschwister

Beethovens Violinsonaten op. 23 und 24 (Frühlingssonate)

Zwei Beethoven-Büsten
Zwei Beethoven-Büsten © imago / JOKER
Moderation: Ulrike Timm · 03.01.2016
Sie sind gegensätzliche Geschwister, die fünfte Violinsonate, die lyrische sogenannte Frühlingssonate op. 24 und die ihr vorausgehende, düster-gespannte vierte Sonate op. 23 in a-moll. Ob Beethoven gleichzeitig daran gearbeitet hat oder doch nacheinander?
Das eine Werk vom Pult genommen und ein neues Notenblatt draufgelegt oder aber zwischen Lyrischem und Dramatischen hin und her gependelt? So genau wissen wir das nicht, aber es ist sicher, dass beide Sonaten ursprünglich unter einer Opuszahl erscheinen sollten und erst ein Versehen des Verlegers zu zweien geführt hat. Gewiss ist aber, dass Beethoven häufiger an mehreren Werken unterschiedlichen Charakters parallel arbeitete, so an der 5. Sinfonie c-moll – deren Anfangsmotiv bis heute so etwas wie Beethovens akustische Kennung ist – und der 6., der Pastorale.
Der Dirigent Michael Gielen meinte einmal, das sei kein Zufall, sondern eine Notwendigkeit für Beethovens "seelischen Haushalt" gewesen, weil er mit so einem gewalttätigen Werk wie der Fünften allein "nicht leben konnte". Und Anne-Sophie Mutter fand für die Beziehung zwischen den beiden Violinsonaten op. 23 und op. 24 das Bild, man könne doch den Frühling gar nicht so richtig lebendig werden lassen, wenn man vorher nicht die Dunkelheit des Novembers erfahren habe, die in der a-moll Sonate versteckt sei. Ob solche Bilder hilfreich sind, möge jeder selbst entscheiden, Tatsache bleibt, dass zwei sehr verschiedene Sonaten Beethovens Weg der Auseinandersetzung mit dem Duo Violine und Klavier um 1800 fortsetzen.
Die Zeitgenossen beurteilten Beethovens Violinsonaten Nr. 4 und 5 weitaus positiver als die vorangegangenen: "Die beiden Sonaten zählen zum Besten, was Beethoven geschrieben hat, und das heißt ja wirklich unter die besten, die gerade jetzt überhaupt geschrieben werden. Der originelle, feurige und kühne Geist dieses Komponisten, der schon in seinen früheren Werken dem Aufmerksamen nicht entgehen konnte, der aber wahrscheinlich darum nicht überall die freundlichste Aufnahme fand, weil er zuweilen selbst unfreundlich, wild, düster und trübe daherstürmte...er wird jetzt immer klarer, fängt immer mehr an, alles Übermaß zu verschmähen, und tritt, ohne von seinem Charakter zu verlieren, immer wohlgefälliger hervor."
Zu hören sind Aufnahmen aus 80 Jahren Diskographie, darunter auch eine mit Beethovens eigenen Instrumenten. Die Sendung ist Teil eine Reihe, die sich mit den zehn Violinsonaten Beethovens beschäftigt.