Gegen eine Diktatur der Ökonomie

Rezensiert von Maximilian Preisler · 15.08.2005
Der "Spiegel"-Reporter Dirk Kurbjuweit lässt keinen Zweifel an seiner Eingebundenheit in das kapitalistische System. Sein Buch richtet sich gegen die Unterordnung aller Lebensbereiche unter das Prinzip der Effizienz. Mit federnder Sprache knüpft er sich die Auswüchse der "Diktatur der Ökonomie" vor.
Wer jagt den Angestellten im Großraumbüro, den Arbeitern in den Fertigungshallen und den Managern in ihren Abteilungsleiterzimmern heute den größten Schrecken ein? Es sind, so Kurbjuweit, jene smarten jungen Leute, meist im Zweierteam auftretend, im dezenten dunklen Anzug, die offenen Hemdkragen bringen einen Hauch von Dynamik.

Plötzlich, eines Morgens, postieren sie sich neben dem Arbeitsplatz, beobachten, stellen freundliche Fragen, notieren sich Daten in einem dünnen blauen Ordner, füttern eifrig ihren Laptop mit Eingaben. Es sind Gesandte einer höheren Macht – es sind Unternehmensberater. Ihr Kommen bedeutet im Zweifelsfall: Verschlankung, Rationalisierung, letztlich: Wegfall von Jobs. Und alles mit dem obersten Ziel einer Steigerung der Effizienz, um (weiterhin) Gewinn machen zu können.

Kurbjuweit lässt von Beginn an keinen Zweifel an seiner Eingebundenheit in das herrschende kapitalistische System:

"Ich halte die soziale Marktwirtschaft nach wie vor für das richtige System."

Seine Kritik richtet sich vielmehr gegen die Unterordnung aller Lebensbereiche unter das Prinzip der Effizienz, also gegen die "Verwandlung der gesamten Gesellschaft in ein Unternehmen".

Vielleicht haben McKinsey und andere Firmen gar nicht den durchschlagenden Erfolg, der ihnen immer zugesprochen wird (siehe Firma Holzmann), der Einfluss ihres Denkens allerdings überwuchert alles. Politiker sehen Manager als ihr Ideal, Bürger werden zu Kunden, ökonomische Kriterien bestimmen den Alltag, selbst die Kirche und die Kultur - und die Forschung.

Zum Beispiel die Genforschung: Kurbjuweit besucht einen der weltweit führenden Genom-Forscher, André Rosenthal, aus dem Osten Deutschlands stammend, ehrgeizig, leistungswillig, effizient. Rosenthal verwandelte sich von einem Forscher in einen forschenden Manager. Kann er es sich künftig noch gestatten, Zweifel, an dem was er erforscht, laut werden zu lassen?

Und machte Mercedes nicht fatale Fehler, als durch die Internationalisierungsmaßnahmen von Jürgen Schrempp die "Heimat zertrümmert" wurde, weil die Werte, die man mit diesem Begriff verbindet, nicht mehr zu den geforderten neuen Eigenschaften gehören?

Der "neue Mensch" zeigte sich nach Kurbjuweit am prägnantesten während der Zeit der New Economy. Als "cool" galt es, für Start-up-Firmen ohne Zeitbegrenzung zu schuften, total "uncool" war es, sich Gedanken über einen Betriebsrat zu machen.

Dirk Kurbjuweit knüpft sich die Auswüchse der "Diktatur der Ökonomie" vor, mit federnder Sprache. Vergnüglich zu lesen sind vor allem die spritzigen, auch leicht süffisanten Mini-Porträts. Am Ende jedoch wirkt er etwas atemlos. Wie soll es weitergehen, das wäre doch die spannendste Frage. Wo finden sich Widerstandsnester? Da bleibt es beim Einklagen des immer gern zitierten "Blicks nach innen" von jedem Einzelnen, dem Ruf nach Ende des Exzess-Kapitalismus - und der Hoffnung, dass es auch weiterhin Freiräume geben wird, zum Beispiel bei "Zeit" und "Spiegel", die es Reportern wie Kurbjuweit gestatten, warnend die Stimme zu erheben.

Dirk Kurbjuweit: Unser effizientes Leben - Die Diktatur der Ökonomie und ihre Folgen (Rowohlt Taschenbuchverlag, Hamburg 2005)