Gegen die philosophischen Scheinprobleme
Der Fernsehmoderator, Jesuitenschüler und Grimme-Preisträger Gert Scobel untersucht das Verhältnis von Wissenschaft und Rationalität auf der einen und religiösem Glauben auf der anderen Seite.
Beinahe hübsch sieht so ein bauchiges Fliegenglas aus, doch seine Wirkung ist tückisch. Trotz einer weiten Öffnung im Boden des Gefäßes verfängt sich die Fliege und schwirrt, vom Licht angezogen, hilflos an der gläsernen Decke oder ertrinkt unten im Marmeladensud.
In seinem neuen Buch "Der Ausweg aus dem Fliegenglas" macht der Fernsehmoderator, Jesuitenschüler und Grimme-Preisträger Gert Scobel keinen Hehl aus seiner Liebe für Ludwig Wittgenstein, der die Metapher vom Fliegenglas prägte. Der Mensch hat sich verirrt, diagnostizierte der Sprachphilosoph - in Scheinproblemen und Begriffsverwirrungen. Unsere Sprache stülpt sich mit ihrer schillernden Unbestimmbarkeit über all unsere Erkenntnisse. Erst wenn wir uns dessen bewusst werden, finden wir philosophierenden Fliegen den Weg aus dem unsichtbaren Gefängnis.
Auf seinen Spuren also wandelt Gerd Scobel, wenn er fragt: Könnte es sein, dass der harsche Gegensatz zwischen Wissenschaft, Rationalität auf der einen und religiösem Glauben auf der anderen Seite auf einer Scheinopposition beruht? Bei großen Philosophen und Theologen - immer wieder Kant, Nietzsche und eben Wittgenstein - macht sich der Autor auf die Suche, nimmt Möglichkeiten und Grenzen der Rationalität unter die Lupe, Sinn und Unvernunft des Glaubens.
Wissenschaft überzeuge uns nicht allein mit ihren guten Argumenten, sondern weil wir existenziell darauf angelegt seien, uns auf etwas zu verlassen, das wir als wahr empfinden. Darum gehe Glaube der Vernunft voraus und die beiden ließen sich nicht auseinander dividieren, erläutert der Autor anhand des kanadischen Philosophen Charles Taylor.
Umgekehrt könne die Wahrheit des Glaubens weder durch Vernunftgründe noch durch Empirie bewiesen werden, betonte der große christliche Theologe Rudolf Bultmann. Darin liege jedoch keine Schwäche, sondern gerade die Vernünftigkeit des Glaubens: Gott lasse sich eben nicht denken als ein Objekt der Welt. Indem der Mensch glaube, trete er in das Heilsgeschehen ein.
"Sitting on the fence" heißt es im Englischen, zwischen den Stühlen sitzen - das will Gerd Scobel und es gelingt ihm. Wer meint, die Erscheinungen der Welt auf Physik und Genetik zusammenschnurren zu können, wird klug über die Denkfehler solch eines Reduktionismus und über moderne Komplexitätsforschung belehrt. Wer sich an religiösen Dogmen orientiert, muss sich mit Nietzsche "Ägyptizismus" vorwerfen lassen - das Mumifizieren lebloser Gedankenhülsen.
Nach seinen sprachlich teils packenden, teils allzu verästelten Ausführungen fällt das Resümee des Autors ein wenig lahm aus: Wir sollten aufhören, über religiöse Dogmen zu streiten und lieber gemeinsam die Welt besser machen. Gott leuchtet ihm nur als Gleichnis und Mittel der Angstreduktion ein. Mit dem Buddhismus flirtet er ernsthaft, weist dessen religiöse Dimension allerdings gleich wieder von sich. Und so bleibt der Eindruck, dass Gerd Scobel, was die Spiritualität angeht, öffentlich mit dem Zeh im Wasser spielen möchte. Eintauchen möchte er nicht.
Besprochen von Susanne Billig
Gert Scobel: Der Ausweg aus dem Fliegenglas - Wie wir Glauben und Vernunft in Einklang bringen können
Fischer Verlag
464 Seiten, 22,95 Euro
In seinem neuen Buch "Der Ausweg aus dem Fliegenglas" macht der Fernsehmoderator, Jesuitenschüler und Grimme-Preisträger Gert Scobel keinen Hehl aus seiner Liebe für Ludwig Wittgenstein, der die Metapher vom Fliegenglas prägte. Der Mensch hat sich verirrt, diagnostizierte der Sprachphilosoph - in Scheinproblemen und Begriffsverwirrungen. Unsere Sprache stülpt sich mit ihrer schillernden Unbestimmbarkeit über all unsere Erkenntnisse. Erst wenn wir uns dessen bewusst werden, finden wir philosophierenden Fliegen den Weg aus dem unsichtbaren Gefängnis.
Auf seinen Spuren also wandelt Gerd Scobel, wenn er fragt: Könnte es sein, dass der harsche Gegensatz zwischen Wissenschaft, Rationalität auf der einen und religiösem Glauben auf der anderen Seite auf einer Scheinopposition beruht? Bei großen Philosophen und Theologen - immer wieder Kant, Nietzsche und eben Wittgenstein - macht sich der Autor auf die Suche, nimmt Möglichkeiten und Grenzen der Rationalität unter die Lupe, Sinn und Unvernunft des Glaubens.
Wissenschaft überzeuge uns nicht allein mit ihren guten Argumenten, sondern weil wir existenziell darauf angelegt seien, uns auf etwas zu verlassen, das wir als wahr empfinden. Darum gehe Glaube der Vernunft voraus und die beiden ließen sich nicht auseinander dividieren, erläutert der Autor anhand des kanadischen Philosophen Charles Taylor.
Umgekehrt könne die Wahrheit des Glaubens weder durch Vernunftgründe noch durch Empirie bewiesen werden, betonte der große christliche Theologe Rudolf Bultmann. Darin liege jedoch keine Schwäche, sondern gerade die Vernünftigkeit des Glaubens: Gott lasse sich eben nicht denken als ein Objekt der Welt. Indem der Mensch glaube, trete er in das Heilsgeschehen ein.
"Sitting on the fence" heißt es im Englischen, zwischen den Stühlen sitzen - das will Gerd Scobel und es gelingt ihm. Wer meint, die Erscheinungen der Welt auf Physik und Genetik zusammenschnurren zu können, wird klug über die Denkfehler solch eines Reduktionismus und über moderne Komplexitätsforschung belehrt. Wer sich an religiösen Dogmen orientiert, muss sich mit Nietzsche "Ägyptizismus" vorwerfen lassen - das Mumifizieren lebloser Gedankenhülsen.
Nach seinen sprachlich teils packenden, teils allzu verästelten Ausführungen fällt das Resümee des Autors ein wenig lahm aus: Wir sollten aufhören, über religiöse Dogmen zu streiten und lieber gemeinsam die Welt besser machen. Gott leuchtet ihm nur als Gleichnis und Mittel der Angstreduktion ein. Mit dem Buddhismus flirtet er ernsthaft, weist dessen religiöse Dimension allerdings gleich wieder von sich. Und so bleibt der Eindruck, dass Gerd Scobel, was die Spiritualität angeht, öffentlich mit dem Zeh im Wasser spielen möchte. Eintauchen möchte er nicht.
Besprochen von Susanne Billig
Gert Scobel: Der Ausweg aus dem Fliegenglas - Wie wir Glauben und Vernunft in Einklang bringen können
Fischer Verlag
464 Seiten, 22,95 Euro