Gegen die Flut gerüstet

Von Annegret Faber · 11.09.2012
Vor zehn Jahren gab es in Sachsen eine Naturkatastrophe, die vielen Menschen noch heute gut im Gedächtnis ist - die sogenannte Jahrhundertflut. Niemand war in Sachsen damals darauf eingestellt. Heute gibt es ein Frühwarnsystem: Im Landeshochwasserzentrum Dresden laufen alle Informationen zusammen.
Uwe Höhne, der Leiter des Landeshochwasserzentrums, steigt die Treppen hinab in den Keller der Hochwassermeldezentrale in Dresden. Hier fließen alle Informationen zusammen. Er selbst wohnt an der Elbe und vertraut dem neuen System zu 100 Prozent:

"Wir sehen hier unser Herzstück vom Landeshochwasserzentrum. Einmal die ganze Rechentechnik, Servertechnik, wir sehen hier unsere moderne Telefonanlage, die auch die Messwertansage, also eine Sprachausgabe realisiert und wir sehen hier den Pegelabruf, der hier alle Viertelstunde läuft, wo sie hier an den vielen roten Lämpchen sehen, wann der Abruf abläuft."

Alle 15 Minuten werden Pegelstände und Fließgeschwindigkeit der Flüsse über eine Telefonverbindung zum Landeshochwasserzentrum geschickt. Zusätzlich gibt es einen Funktelefonempfänger. Über ihn werden die Daten abgerufen, wenn die Festnetzleitung ausfällt. 130 Pegelmessstellen stehen an Sachsens Flüssen. Unter anderem in der Mulde, der Zschopau, der Weißen und Schwarzen Elster, der Pleiße, Spree und Elbe. Insgesamt werden etwa 3000 km Gewässerstrecke überwacht:

"Erst einmal ist es so, dass wir draußen vor Ort Pegelhäuschen haben mit einem Pegelschacht. In dem Schacht schwimmt ein Schwimmer, der schwimmt auf der Wasseroberfläche, das kommuniziert mit dem Fluss, so dass wir dort den Wasserstand messen können. Dieses Signal, was wir damit erhalten, wird digital übersetzt und wird dann per Modem übertragen."

Dabei leuchten im Keller des Landeshochwasserzentrums in Dresden dann die roten Lämpchen. Eine Etage über dem Server und der aufwändigen Rechentechnik werden die Daten ausgewertet - hier ist die Zentrale der Hochwassermeldestelle. Ein heller Arbeitsraum mit neun Computerplätzen.

Beim betreten des Raumes sieht man Rechts, hinter einer Glasscheibe die Meldestelle - von hier aus werden die Pegelstände nach draußen gegeben. Auf der anderen Seite des Raumes sitzt im Hochwasserfall die Pressesprecherin der Landeshochwasserzentrale und kommuniziert mit den Medien. Vor ihren Augen werden die Daten ausgewertet. Ein eineinhalb Meter breiter Flachbildschirm steht im Zentrum des Raumes. Er zeigt eine Deutschlandkarte mit unzähligen Punkten - die Pegel-Messstationen:

"Die werden geprüft, ob wir keine Fehler finden, automatisch, geprüft, weil, das lässt sich manuell kaum noch machen, kann man nur noch mit Technik machen. Werden geprüft, so dass die dann alle Viertelstunde zur Verfügung stehen. Wir rufen die automatisch ab und diese Werte werden dann automatisch im Internet bereit gestellt, die werden im Videotext bereit gestellt, die werden auch über die Messwert-Ansage bereit gestellt, so dass wir sagen können, das wir Flutsicher sind."

Behörden, Gemeinden, Gaststätten und ausgewählte Anwohner, die nah am Fluss wohnen, werden direkt informiert. Außerdem gibt es 24 Stunden täglich Informationen per Telefon, übers Internet oder über eine Telefonische Sprachhotline. Auch per SMS werden die Daten übermittelt. Im Ernstfall lautet die so genannte Eilbenachrichtigung: "Der Hochwassernachrichtendienst wurde im Flussgebiet eröffnet ":

"Und diese Eilbenachrichtigung, die wir heraus geben, die muss auch von den Empfängern, und das sind fast 1300, bestätig werden, innerhalb von einer Stunde. Wenn die nicht bestätigen heißt es im Beamtendeutsch, wird die Aufsichtsführende Behörde informiert. Das heißt, bei der Gemeinde ist es das Landratsamt, was dann informiert wird, dass wir den nicht erreicht haben und dann muss das Landratsamt sich darum kümmern, dass die Gemeinde informiert wird."

Das neue Frühwarnsystem gibt den Flussanwohnern Sicherheit. Simon Knaller zum Beispiel führt direkt am Elbhang bei Bad Schandau einen Landgasthof. Steigt das Flusswasser, wird er per SMS informiert:

"Es entsteht mehr technische Versiertheit im Umgang mit der Katastrophe. Es ist nicht mehr das ausgeliefert sein, einer Sache, die man überhaupt nicht erkennen kann. Sondern jetzt ist auch das Frühwarnsystem so gut ausgefeilt."

Auch Andreas Eggert, der Bürgermeister von Bad Schandau, findet mit dem neuen Warnsystem viel besser in den Schlaf:

"Gott sei Dank, das ist ein Wahnsinns Vorteil, haben wir relativ langfristige und sichere Voraussagen, das heißt insbesondere, da rede ich jetzt von der Elbe, da haben wir Vorwarnzeiten von über 60 Stunden mit großer Treffergenauigkeit. Da haben wir Zeit uns vorzubereiten bzw. können uns gedanklich drauf einstimmen, was erwartet uns dann und demzufolge können wir auch die Einsatzpläne, Vorsorgepläne abarbeiten. Das ist alles das, was es vorher nie gab."

Bis 2020 werden 2 Milliarden Euro in den sächsischen Hochwasserschutz geflossen sein. Abgesehen von technischen Bauwerken und einem modernen Warnsystem wurden auch Menschen aus den Flussgebieten ausgesiedelt.

Die Arbeiten sind noch lange nicht abgeschlossen. Auch das neue Frühwarnsystem wird in den nächsten Jahren weiter entwickelt. Zukünftig werden Anwohner durch eine App, ein kleines Programm fürs Handy, noch schneller auf Pegelstände und Fließgeschwindigkeit zugreifen können. Denn Menschen werden immer am Fluss leben sagt Uwe Höhne, der selbst direkt an der Elbe wohnt. Deshalb hat er auf einen Keller verzichtet und am tiefsten Punkt ist eine Wasserpumpe installiert. So ist er für ein Hochwasser gerüstet. Denn auch ihm ist bewusst. Ein Flutwarnsystem kann nur informieren, nicht aber eine Flut verhindern.
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