Gegen die bürgerlichen Vorstellungen der Eltern

Von Katrin Albinus · 10.04.2013
Frank Spilker ist Sänger der Hamburger Band "Die Sterne". Zwar hat sich nicht aus der Musik verabschiedet, aber er macht jetzt ganz was anderes: Sein erster Roman ist erschienen. Darin erzählt er die Geschichte eines Mittvierzigers, dessen Leben in eine Krise gerät.
"Was hat dich bloß so ruiniert?"

... das fragt Frank Spilker, Sänger der Hamburger Formation "Die Sterne" bereits 1999 in einem Lied. Und das möchte man auch die Hauptfigur seines Romandebüts fragen: Thomas Troppelmann. Seine Freundin hat ihn verlassen und die Geschäfte als Grafiker laufen schlecht, es droht der Rausschmiss aus den Büroräumen. Doch anstatt sich den Problemen zu stellen, flieht Troppelmann. Er steigt in einen Zug, wohin der fährt ist ihm egal.

"Für mich ist ja das sozusagen ein bisschen eine tragische Figur, weil er hat sich eigentlich nie überlegt, dass er Grafiker sein will, oder dass er dieses Büro machen will. Das ist ihm alles so passiert und in dieser Situation trifft ihn die Krise halt besonders hart, weil er es gar nicht gewohnt ist, Entscheidungen zu fällen."

Am Anfang waren da die Erfahrungen des Rockmusikers
Frank Spilker, Jahrgang 1966, sitzt auf einem flachen roten 70er-Jahre-Sofa in einem Keller-Geschoss im Hamburger Schanzenviertel. Ein Zwei-Meter-Mann, ganz in Schwarz gekleidet. In dem Keller, der einmal eine Bäckerei war, teilen sich Spilkers Band "Die Sterne" mit anderen Musikern Übungsräume und Studio. Mit seinen Erfahrungen als Songtexter geht der Musiker zunächst auch an den Roman heran:

"Tatsächlich hab ich sehr assoziativ geschrieben am Anfang und hab gemerkt, dass es schwer ist, über ne sehr lange Strecke dabei zu bleiben und nicht zu langweilen. Da bin ich irgendwann immer stecken geblieben."

Zwei Jahre arbeitet er an dem Buch, zu dem ihn seine Familie und Freunde motiviert haben. Er entwickelt eine neue Schreibweise, doch der Autor Frank Spilker bleibt auch der Musiker. Und der hat es schon immer vorgezogen, nur über das zu schreiben und zu singen, was er kennt.

"Ich mag es modellieren und verzerren und variieren, bis es passt, aber ich mag es nicht erfinden...."

Natürlich kennt sich Frank Spilker, der mit seiner Frau und zwei Kindern im Teenager-Alter im Hamburger Karolinenviertel wohnt, auch mit Krisen aus - beruflich wie privat. Doch anders als seine Hauptfigur leidet der 47-jährige nicht darunter, älter zu werden.

"Diese Lebenskrisen kann ich für mich sagen, hab ich so alle sieben Jahre. Dass man sich als Person in Frage stellt, finde ich relativ normal. Aber es gibt nicht so was wie die eine große mid life crisis."

Eine große Krise gab es allerdings in den letzten Jahren in der Musikindustrie - und die bekamen auch Frank Spilker und die Sterne zu spüren:

"Wenn du in einer Industrie oder einem Geschäft tätig bist, das seit 15 Jahren 20 Prozent weniger wird und du bist dann halt auch nicht einer von den Top-Verdienern auf den ersten drei Plätzen der Charts, dann wird's natürlich immer enger. Man ist nicht mehr so dick im Geschäft wie früher."
Ein unsicheres Leben
Doch Frank Spilker verdient nach wie vor mit den Sternen einen Teil seines Lebensunterhalts und betreibt nebenbei auch ein paar Soloprojekte. Die zweite Einnahmequelle ist das Schreiben. Von seiner kreativen Arbeit kann er leben, auch wenn es ein unsicheres Leben ist.

Eigentlich sollte alles ganz anders laufen, wäre es nach seinen Eltern gegangen, die im westfälischen Bad Salzuflen eine Gärtnerei betreiben.

"Am Besten so in der Kleinstadt irgendwie Arzt oder Steuerberater oder so was. Es ist halt einfach für meine Eltern schwierig, weil sie es nicht so richtig verstehen, was ich mache."

Die Eltern wollen ihrem Sohn in jeder Hinsicht eine gute Ausbildung zukommen lassen: Er geht aufs Gymnasium, treibt viel Sport, geht reiten, segeln oder schwimmen und erhält klassischen Musikunterricht. Doch wirklich begeistern kann er sich für all das nicht.

"Was mich berührt waren so liegen gelassene Beatles-Platten von meinem Onkel, aber auch Trash, meine erste große Liebe war Abba natürlich, so Schlager-Kram, aber egal, es ist ja auch... wo die Liebe hinfällt bei den jungen Herzen..."

Vielleicht liegt in seiner Liebe zu einer Pop-Gruppe wie Abba auch schon der Hinweis auf seine späteren literarischen Vorlieben.

"Da waren immer so Autoren wichtig, die eigentlich nicht wirklich als Literatur angesehen wurden, Douglas Adams aber auch zum Beispiel Dashiell Hammett, der ja in den 30er Jahren Kriminalromane geschrieben hat in Billig-Heften, die aber auf ne Art eben so komplex waren wie Dostojewskis Schuld und Strafe."

Zwischen Fluxus und Punk
Mit 16 entscheidet sich Frank Spilker gegen die bürgerlichen Vorstellungen seiner Eltern. Er greift zu einer Gitarre und fängt an, mit anderen zusammen Musik zu machen, die sich zwischen Fluxus und Punk bewegt.

"Wir haben gemerkt, dass wenn man sich die Sache selber beibringt, dann gibt es niemanden, der einen zwingt, was richtig zu machen und die technischen Hürden, die dazu nötig sind, Gitarre spielen zu lernen, das ist ja das tolle an dem Instrument, sind erst mal nicht so hoch."

Nach dem Abitur studiert er erst in Bielefeld, dann in Lüneburg angewandte Kulturwissenschaften. Doch parallel beginnt es auch, mit den Sternen gut zu laufen, die sich 1991 in Hamburg gegründet haben. Er bricht das Studium ab und entscheidet sich für die Band. Jahrelang touren die Sterne dann durch Deutschland und darüber hinaus - Reise-Erfahrungen, die auch in das Buch einfließen. Die Zukunft seiner Romanfigur Thomas Troppelmanns bleibt am Ende ungewiss; ihm scheint das Leben weiterhin irgendwie zu geschehen. Das sieht bei Frank Spilker ganz anders aus:

"Es gibt einen Plan, ich hoffe, dass ich weiter schreiben kann, weil das Schreiben eine Fortführung ist von dem, was ich mit der Band gemacht habe und ich möchte auch mit der Band weiter machen und auch als Solokünstler und möchte im Grunde so viel Freiraum wie möglich haben, das ist erstmals so ein Nah-Ziel. Und das Fernziel ist es, immer besser zu werden."

"Du kannst jetzt wieder laut sein!"
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