Gefangener der eigenen Kindheit

Von Tobias Wenzel |
Nach zehn Filmen ist Schluss - das hatte sich Luc Besson vorgenommen. Nun hat er mit <papaya:link href="http://www.arthur-derfilm.de/" text="&quot;Arthur und die Minimoys&quot;" title="Film-Homepage: &quot;Arthur und die Minimoys&quot;" target="_blank" /> seinen zehnten Streifen gedreht und will doch weitermachen, denn sein soziales Engagement für Kinder und Jugendliche schließe die Regiearbeit nicht aus, meint der Vater von fünf Töchtern.
Wüsste man nicht, wer er ist, würde man meinen, er hätte die Tür des noblen Hotels am Potsdamer Platz mit dem S-Bahn-Eingang verwechselt. Luc Bessons Erscheinungsbild beißt sich regelrecht mit dem edlen, cremefarbenen Ambiente des Hotelzimmers.

Besson ist ein kleiner, etwas rundlicher Mann mit strubbeligen Haaren. Sein dünner 15-Tage-Bart kaschiert das Doppelkinn nur dürftig. Ein in die Jahre gekommener Heavy-Metal-Anhänger, könnte man denken. Doch auf dem schwarzen T-Shirt mit dem bunten Aufdruck steht nicht "ACDC", sondern "Arthur und die Minimoys".

Heute sei er sehr philosophisch drauf, warnt der französische Regisseur sein Gegenüber und erzählt von seinem neuen Film. Darin schrumpft der zehnjährige Arthur auf die Größe von zwei Millimetern und erkundet das Reich elfenhafter Gestalten, der so genannten Minimoys. Arthur ist anfangs ein trauriger Junge, auch weil seine Eltern nicht zu seinem Geburtstag kommen. Schon in seinen Filmen "Im Rausch der Tiefe" und in "Léon der Profi" erzählte Luc Besson Geschichten von traurigen Kindern. Wir seien nun mal, bemerkt Besson, Gefangene unserer Kindheit:

"Wir sind Opfer der ersten emotionalen Enttäuschungen, die wir im Alter von sieben oder acht Jahren gemacht haben, als uns die Mädchen Ohrfeigen gaben. Und wenn man als Kind glücklich verliebt war, dann bewahrt man sich das sein ganzes Leben lang. Als Kind habe ich geradezu gebadet in den ersten großen Geschichten der Literatur und des Kinos: Schneewittchen, Aschenputtel, Die Schöne und das Biest. Diese großen sentimentalen Märchen, die zwangläufig mit dem Kuss von Prinzessin und Prinz enden, rufen doch den Wunsch nach Zweisamkeit hervor. Wir suchen doch alle das ganze Leben lang unsere charmante Prinzessin oder unseren charmanten Prinzen. Und die Enttäuschungen des Lebens zeigen uns dann, dass das alles nicht so einfach ist."

Dieser Gegensatz von Wunsch und Wirklichkeit hat es Luc Besson angetan. Und bringt ihn während des Gesprächs zur Weißglut: Als er hört, dass jemand von außen an der Türklinke seines Hotelzimmers nestelt, rennt er wutentbrannt zur Tür und fordert schreiend Ruhe ein. Wie nach einer Heldentat stapft Luc Besson zum Gespräch zurück, um dann wieder feingeistig zu beschreiben, warum ihn jegliche Art von Gegensätzen so sehr interessiert. Der Gegensatz zwischen der Welt über der Erde und jener darunter zum Beispiel. In "Arthur und die Minimoys" leben die Minimoys unter der Erde, so wie einst die skurrilen Gestalten in Bessons Film "Subway" im Pariser U-Bahn-Netz.

"Mich interessieren beide Seiten: die dunkle Seite des Mondes ebenso wie die leuchtende. Ich erzähle gern von der männlichen Seite der Frau und zugleich von der weiblichen Seite des Mannes. In Angel-A trifft zum Beispiel ein sehr introvertierter Mann auf eine sehr extrovertierte Frau. Ich liebe diesen Gegensatz. Man versteht die Frauen besser, wenn man ihnen einen Mann an die Seite stellt. Und umgekehrt. Und dann ist da eben diese Begrenzung der Oberfläche. Es gibt eine Welt in der Luft und eine im Wasser. Und dazwischen gibt es eine Grenze. Mich hat diese Grenze immer interessiert."

Klar sichtbar wurde das mit seinem Taucher-Film "Im Rausch der Tiefe". Luc Besson verbrachte seine Kindheit am Mittelmeer und lernte früh das Tauchen. Das Wasser ließ ihn nie mehr los.

"Man ist im Wasser in einer dritten Dimension, nicht wie an Land beschränkt auf die horizontale und vertikale Bewegung. Die Unterwasserwelt ist der uns nächste Planet. Der Mensch träumt von Mars, Venus und Jupiter und hat eben diesen Mars, diese Venus oder diesen Jupiter vor sich in zwei Metern Entfernung. Sobald man seine Sauerstofflasche umhängt und in diese Welt eintaucht, entdeckt man, wie unglaublich sie ist. Es gibt andere Ausmaße, andere Bewohner, eine andere Vegetation. Ich liebe also am Wasser vor allem eins: Es ist der uns nächste Planet."

Als Kind wünschte sich Luc Besson, den Planeten Wasser auch beruflich zu erkunden. Er wollte Meeresbiologe werden. Doch ein Tauchunfall mit 17 Jahren machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Es war die schlimmste Zeit seines Lebens. Fragt sich also, wie viel von Luc Besson in dem traurigen Arthur steckt:

"Im Film ist Arthur in den 60er Jahren zehn Jahre alt. Auch ich war in den 60er Jahren zehn Jahre alt. Ich habe meine Inspiration für den Film aus vielen kleinen Erinnerungen geschöpft. Mit dem Film ‚Arthur und die Minimoys’ wollte ich diese kleinen Verletzungen der Kindheit herausheben. Wenn zum Beispiel ein Kind von einem roten Fahrrad träumt und seine Eltern ihm ein blaues schenken, dann sagen die Erwachsenen: ‚Ist doch egal, Hauptsache ein Fahrrad!’ Für das Kind, das sich ein rotes Fahrrad gewünscht hat, ist das eine kleine Katastrophe. Ich erinnere mich gut an diese Art von Schmerz. Das wollte ich mit dem Film betonen und den Eltern sagen: Unterschätzt diesen kleinen Schmerz nicht. Denn für die Kinder ist es ein viel größerer!"

Das weiß Luc Besson auch von seinen eigenen fünf Töchtern. Der 1959 geborene Besson hat sich Kindern und Jugendlichen verschrieben. Im Herbst 2006 wurde er mit den Worten zitiert, er werde sich ab sofort mit einer Stiftung für Jugendliche in französischen Vororten engagieren und "Arthur und die Minimoys" werde sein letzter Film sein. Jetzt dementiert Luc Besson. Soziales Engagement schließe ja nicht seine Tätigkeit als Regisseur aus. Da "Arthur und die Minimoys" in Frankreich ein Riesenerfolg war, wird es zwei Fortsetzungsfilme geben. Und da wird Luc Besson wieder Regie führen. Diese Freude gönne er niemand anderem, bemerkt er grinsend. Es werde also auf jeden Fall zwei neue Filme von Luc Besson geben.
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