Gefallen im Kampf gegen den IS

Die Berlinerin und der Peschmerga

Said und Renate, ein glückliches Paar: Said ist im Krieg gegen den Daesh gestorben, Renate ist nun Witwe.
Said und Renate, ein glückliches Paar: Said ist im Krieg gegen den Daesh gestorben, Renate ist nun Witwe. © Foto: privat
Von Anna Osius · 14.11.2016
Als ehemaliger PKK-Kämpfer war er spezialisiert auf die Räumung von Minen. Renates Mann wollte helfen, die Truppen des IS aus dem Nordirak zu vertreiben. Doch der Weg aus Berlin zurück in die Heimat führte ihn in den Tod.
Renate steht im Frühstücksraum eines großen Hotels in Erbil und weint. Die 63-Jährige mit den blonden kurzen Haaren hält sich an einer Papierserviette fest, die sie hier mit einem Kaffee bekommen hat. Sie ringt um Fassung, aber die Tränen laufen ihr über das Gesicht. Renate aus Berlin ist gerade in den Nordirak gekommen, um ihren Mann zu sehen. Aber er ist tot.
"Ich hatte ihm letzte Woche noch geschrieben, ich hatte so ein komisches Gefühl … - und da war‘s dann passiert."
Doktor Said Suleiman, nannten sie ihn hier alle, den Doktor. Mit vollem Namen hieß er Said Cürükkaya. Ein Kurde, ehemaliger PKK-Kämpfer, der sich später von der verbotenen türkischen Arbeiterpartei losgesagt hat, ein erfahrener Peschmerga – der aus Deutschland zurückgekommen war in den Nordirak, um hier gegen den IS zu kämpfen. Um die Terrormiliz aus dem Irak zu vertreiben, wie Renate sagt. Man muss was tun gegen die Dschihadisten, als Mensch, das habe Said immer gesagt.
"Said war ein sehr selbstbewusster Kurde, der immer für die Kurden eingetreten ist und er hat gesagt, ich halt das nicht mehr aus, ich muss dahin. Man kann einen Tiger nicht ewig im Käfig halten, er wollte hierher, das muss ich respektieren."

Er zieht mit in den Sturm auf Mossul

Von der deutschen Bundeswehr ausgebildet und mit Waffen ausgerüstet, unterstützen die kurdischen Peschmerga die irakischen Regierungstruppen in ihrem Kampf gegen den IS. Said trainiert kurdische Peschmerga-Kämpfer, will sie fit machen für den Kampf gegen den IS. Dann zieht er selbst mit in den Sturm auf Mossul - war vor allem spezialisiert auf Minen – er konnte sie entschärfen, wusste aus langjähriger Erfahrung, wie er mit den tödlichen Sprengfallen umgehen muss. Dutzende Minen, die der IS überall deponiert hatte, machte Said unschädlich, auch einen Pickup voller Sprengstoff.
Und dann war es dieser eine Moment, diese eine Mine, mit der er nicht gerechnet hatte.
"Sie stießen dann in dem einen Dorf auf dieses Haus und entdeckten darin einen ganz tiefen Tunnel. Said sagte: Das ist das Haus von einem Offizier, wir gehen hier raus. Wir gucken nochmal drumherum. Der eine Peschmerga ist links rum gegangen, Said rechtsrum und er hatte noch einen jungen Peschmerga an seiner Seite. Er ist dann auf den Auslöser einer Mine getreten, der andere war wohl gleich tot, Said schwer verletzt. Das sind diese neuen Minen, die professionell gemacht sind. Freunde von uns hatten noch gesagt, Said lass es, du kennst dich mit den modernen Dingern nicht aus. Hätte er es mal sein lassen!"

Sie haben sich nicht mehr gesehen

Schwerverletzt bringen sie Said ins Krankenhaus von Erbil, benachrichtigen seine Frau Renate in Berlin. Sie nimmt den nächsten Flieger, doch sie verpassen sich: Said wird gleichzeitig ausgeflogen, ins Bundeswehrkrankenhaus nach Koblenz. Sie haben sich nicht mehr gesehen, Renate und ihr Said. Im Hotel in Erbil erreicht sie dann die Nachricht: Hirntot. Wenig später hört auch Saids Herz auf zu schlagen.
"Und er schrieb mir noch zuvor: Es ist sehr schwierig hier. Der Daesh wurde unterschätzt. Er hat es gespürt."
Renate nimmt den nächsten Flieger zurück nach Deutschland. Said bekommt ein Ehrenbegräbnis in Irakisch-Kurdistan. Er, der gegen den IS gekämpft hat, der für viele Kurden ein Vorbild war.
"Er war wirklich ein sehr beliebter, das ganze Fernsehen war voll mit Filmen über ihn."
Renate weiß: Er hätte gewollt, dass seine Kameraden und Verbündeten niemals aufgeben – im Kampf gegen den IS.
"Wenn er noch kämpfen könnte, würde er sagen: Kämpfen."
Renate schickt ein Foto. Es zeigt einen freundlich aussehenden Mittfünfziger in Uniform – mit angegrauten Haaren und Lachfältchen, daneben Renate.
Sie sehen glücklich aus, die beiden – die Berlinern und ihr Peshmerga.