Gefahrtiergesetz für NRW

Landesregierung will das Halten hochgiftiger Reptilien verbieten

09:16 Minuten
Nachtaufnahme einer Boa Constrictor.
Eine Boa Constrictor im nächtlichen Terrarium. © unsplash / Jan Kopřiva
Von Frank Überall · 20.04.2020
Audio herunterladen
In Nordrhein-Westfalen will die Landesregierung die Haltung von Giftschlangen strenger regulieren. Die Umweltministerin strebt auf lange Sicht sogar ein generelles Verbot mit wenigen Ausnahmen an. Schlangen-Fans wie Frank Weinsheimer geht das zu weit.
Frank Weinsheimer wohnt in einem Einfamilienhaus in Alfter bei Bonn. Der Mann mit Jeans, Hemd, Brille und kurzem Bart lächelt freundlich, lädt zum Kaffee ein.
Als der Außendienstmitarbeiter auf sein Hobby zu sprechen kommt, kann man ein Leuchten in seinen Augen sehen. Frank Weinsheimer hält mehrere Schlangen, hochgiftige Schlangen, die innerhalb von Sekundenbruchteilen zubeißen und so töten können. "Grundsätzlich sind Schlangen ja Tiere, die sich vollkommen vom Menschen unterscheiden. Ich mag halt die Körperform. Ich mag, dass die Tiere häufig Farben und Musterungen haben, die mir sehr, sehr gefallen", sagt Weinsheimer.

Zum Angucken, nicht zum Anfassen

"Ja, es ist halt einfach ein Tier, das sich sehr gut, in meinen Augen zumindest, als Haustier eignet", fährt der Reptilienfan fort: "Sie haben keine Probleme, dass Sie mal in Urlaub fahren können, weil die Tiere fressen ja nur alle paar Wochen. Sie haben keine Probleme mit einer Geruchsbelästigung, die Tiere selber riechen halt gar nicht. Sie haben keine Allergien oder sowas. Man muss allerdings im Hinterkopf behalten: Es ist was zum Angucken. Nichts zum Anfassen!"
Die Faszination des Giftschlangenhalters Frank Weinsheimer kann Ursula Heinen-Esser nur bedingt nachvollziehen.
Eine Giftschlange zwischen grünem Blattwerk.
Nur was zum Angucken. Nichts zum Anfassen!© unsplash / Conscious-Design
Die CDU-Politikerin ist Umweltministerin in NRW. "Um ehrlich zu sein, kann ich verstehen, dass man Schlangen und andere Tiere halten möchte. Mein Verständnis hört aber da auf, wo es sich um Tiere handelt, die wirklich lebensgefährlich für Mitmenschen werden. Das heißt, bei einer Giftschlange kann der Biss direkt zum Tod führen. Da habe ich kein Verständnis für. Denn es kann immer passieren, durch Unachtsamkeit oder durch einen blöden Zufall, dass ein solches Tier entwischt. Und dann ist der Aufwand, das Tier zu finden und die Menschen vor diesem Tier zu schützen, doch enorm groß. Und das rechtfertigt meines Erachtens nicht die Haltung."

Halteverbot für die Zukunft

Als Ministerin hat Ursula Heinen-Esser deshalb ein strenges Gefahrtiergesetz in den Landtag eingebracht. An Rhein und Ruhr soll künftig kein Privatmensch mehr dem Hobby nachgehen dürfen, das Frank Weinsheimer so wichtig ist. "Wir verbieten das Halten dieser Tiere", sagt die Politikerin. "Aber es gibt einen tatsächlichen Bestandsschutz. Das heißt, jeder Halter muss die Tiere melden, die Anzahl der Tiere et cetera; muss ein Führungszeugnis, also eine persönliche Zuverlässigkeit, beibringen und natürlich eine entsprechend hohe Haftpflichtversicherung. Wenn das Tier entweicht, dass auch tatsächlich die Kosten abgedeckt sind. Und dann gilt der Bestandsschutz. Aber neues Halten von Tieren lassen wir eben einfach nicht mehr zu."
Reptilienexperte Roland Byner trägt die entwischte Monokelkobra in einem Behälter aus einem Hauseingang. Am 25. August war im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses eine hochgiftige Monokelkobra mit einer geschätzten Länge von mindestens 1,40 Metern gesichtet worden. Mehrere Mehrfamilienhäuser wurden evakuiert. Das Tier wurde schließlich gefangen. 
Reptilienexperte Roland Byner mit der geflüchteten Monokelkobra aus Herne.© picture alliance/ dpa / Marcel Kusch
Im Jahr 2014, noch unter einer rot-grünen Landesregierung, war schon einmal ein Vorstoß für ein Gefahrtiergesetz in Nordrhein-Westfalen gemacht worden. Die CDU verteidigte damals noch die Halter von unter anderem Giftschlangen.
Jetzt plädiert die Union sogar dafür, das bloße Halten von Schlangen unter Strafe zu stellen. Mit einer Ausnahme: "Nach dem Gesetz gibt es immer noch die Möglichkeit, dass sich Halter als Auffangstation registrieren lassen. Da müssen sie zwar besonders hohe Hürden erfüllen, aber dann können sie tatsächlich auch die Tiere weiter halten. Aber generell wird es in Nordrhein-Westfalen künftig so sein, dass die Haltung von Giftschlangen nicht mehr erlaubt ist."

Die Schlangensuche von Herne

In anderen Bundesländern wie Hamburg oder Niedersachsen gibt es bereits Gesetze, die die Haltung von Gifttieren reglementieren. In NRW war das bisher gescheitert, weil die Städte und Gemeinden zu hohe Kosten fürchteten. Denn sie müssen bisher alle Tiere aufnehmen, die von Behörden sichergestellt werden. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf soll das Land dafür verantwortlich sein. Das Landesamt für Umwelt und Naturschutz soll die giftigen Tiere einsammeln und an Auffangstationen vermitteln.
Reptilienexperte Roland Byner trägt die entwischte Monokelkobra in einem Behälter aus einem Hauseingang. Am 25. August war im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses eine hochgiftige Monokelkobra mit einer geschätzten Länge von mindestens 1,40 Metern gesichtet worden. Mehrere Mehrfamilienhäuser wurden evakuiert. Das Tier wurde schließlich gefangen. 
Entwischte Kobra in Herne.© picture alliance / dpa / Marcel Kusch
Ein in ihrem Bundesland vielfach gelebtes Hobby einfach zu verbieten, findet Ministerin Ursula Heinen-Esser absolut richtig. "Ich glaube, passionierte Giftschlangenhalter sollten sich noch mal das Drama in Herne überlegen, wo Anwohner tagelang nicht in ihre Wohnungen zurückgehen konnten, wo es schwierig war, das Tier tatsächlich einzufangen und zu finden. Wo der Aufwand immens war. Wenn sich das der passionierte Giftschlangenhalter nochmal vor Augen führt, hat er vielleicht Verständnis dafür, dass wir hier auch entsprechende Maßnahmen ergreifen müssen."

Schlangen im Tierheim

Im Tierheim Gelsenkirchen bellen Hunde, die nach neuen Besitzern suchen. Tierpfleger Mike Hemke geht an den Zwingern vorbei, in einen kleinen Raum, in dem Kleintiere leben: Fische, Echsen, Schlangen. Mike Hemke wäre es nicht geheuer, wenn in seiner privaten Nachbarschaft jemand Giftschlangen halten würde.
Die kleinen Schlangen im Tierheim Gelsenkirchen, die abgegeben oder von Behörden sichergestellt wurden, finden so schnell keinen neuen Halter. Und wenn, dann sind sie vergleichsweise teuer, erklärt Tierpfleger Hemke: "Wir haben die Tiere, die wir rausgeben, alle einem Tierarzt vorgestellt, die sind definitiv parasitenfrei. Da müssen wir natürlich gucken, dass wir da auch ein bisschen was zurückbekommen. Wir nehmen natürlich auch eine Schutzgebühr für die Tiere. Die werden hier versorgt, werden tierärztlich betreut. Dann holen die sich lieber die Tiere für zehn Euro irgendwo auf einer Börse oder bei Ebay."
Hinzu kommt, dass Mike Hemke und sein Team genau darauf achten, an wen sie die exotischen Tiere vermitteln. "Ich finde, sowas sollte auch nicht in irgendwelche Hände kommen, wo man sich jetzt denkt, och, habe ich mich belesen, finde ich toll, hätte ich mal gerne."
Tierheime in NRW haben es immer häufiger auch mit exotischen Tieren wie etwa Schlangen zu tun. Detlef Fohlmeister, Vorsitzender des gemeinnützigen Trägervereins beim Tierheim Gelsenkirchen, betont, dass solche Tiere harmlos sein müssen, um ins Heim zu kommen. Giftschlangen nimmt man hier nicht auf.
Noch aber werden giftige Tiere in Nordrhein-Westfalen gehalten und auch gehandelt. Im westfälischen Hamm gibt es bei der Messe Terraristika die bundesweit größte Reptilienbörse.
Vogelspinnen in Plastikdosen auf einer Terrarienbörse. 
Auf einer Terrarienbörse werden exotische Tiere wie Echsen, Vogelspinnen, Skorpione und Schlangen gehandelt.© picture alliance / Yannick Tylle
Menschenmengen drängen sich in den Hallen bei der Terraristika. Interviews verbietet der Veranstalter. An einem Raum sind Zugangskontrollen. Man muss mindestens 18 Jahre alt sein, um reinzudürfen. Hier gibt es ausschließlich hochgiftige Exoten.
Auch Frank Weinsheimer hat einen Stand. Er bietet für jeweils mehrere hundert Euro seine Nachzuchten an. Nach der Veranstaltung erzählt er, dass er seine Giftschlangen grundsätzlich nicht an jeden verkauft. "Bei mir ist es so, dass ich ganz klar erst mal wie eine Art kleines Interview führe, um zu gucken, wie ist da der Kenntnisstand, ja?", sagt Weinsheimer. "Ich würde auch niemandem irgendwie seine erste Giftschlange verkaufen. Bei mir können grundsätzlich nur Leute kaufen, die selber schon Giftschlangen halten. Weil, ich möchte auch nicht, dass ich später mal irgendwie mitbekomme, dass damit irgendwas passiert ist."

Keine Befähigungsnachweis nötig

In einer Tierarztpraxis in der Kölner Südstadt sitzt Ralf Unna. Er trägt grüne Arztkleidung, hat gerade noch ein Haustier operiert. Ehrenamtlich engagiert er sich für die Grünen im Kölner Stadtrat und als Vizepräsident des Landestierschutzverbandes in Nordrhein-Westfalen.
Grundsätzlich habe er nichts gegen Menschen, die gefährliche Tiere wie Giftschlangen halten, sagt der Tierarzt. "Es gibt sicherlich private Halter, die vorbildliche Haltung haben, sowohl aus Gefahrenabwehrsicht als auch als Tierschutzsicht. Die teilweise auch zu Arterhaltungsprogrammen beitragen. Muss man ganz klar sagen. Kann man nicht alle über einen Kamm scheren."
Trotzdem fordert Ralf Unna, der als Arzt auch ein Tierheim betreut, strenge Regeln für Giftschlangen. "Es ist so, dass der Landestierschutzverband schon immer der Meinung war, dass solche Tiere nicht einfach frei gehandelt oder frei gehalten werden dürfen. Sondern dass das einer gewissen gesetzlichen Grundlage bedarf."
Momentan sei es so, dass jeder Halter eines Schäferhundes in Nordrhein-Westfalen einen Führerschein im Sinne des Landeshundegesetzes NRW machen müsse. "Dass aber jeder, das haben wir ja jetzt auch gerade nochmal bestätigt bekommen, eine Kobra halten darf oder auch zwanzig."

Halter Weinsheimer hat noch Diskussionsbedarf

Dem kann Frank Weinsheimer nur zustimmen. Der passionierte Giftschlangenhalter aus Alfter bei Bonn setzt sich dafür ein, dass ein künftiges Gesetz kein völliges Verbot enthält, die von ihm so geliebten gefährlichen Tiere zu Hause zu halten. "Ich glaube, dass hier vor allem die seriösen Giftschlangenhalter einfach auf unsägliche Art kriminalisiert werden", sagt der Halter und Züchter.
Ein Kehrblech und ein Greifer stehen an einer Haustür eines Mehrfamilienhauses. Eine giftige Kobra ist am 25. August einem Schlangenhalter in Herne entwischt. Vier Reihenhäuser wurden daraufhin evakuiert. 
Mit Kehrblech und Greifer wurde versucht, die entwischte Kobra in Herne wieder einzufangen, während die 30 Bewohner der geräumten Häuser bei Freunden und Verwandten sowie in einer städtischen Notunterkunft Zuflucht fanden.© picture alliance / dpa / Caroline Seide
"Ich glaube, die Unterscheidung wäre viel sinnvoller in sachkundige und seriöse Halter und solchen, die das halt nicht sind", fährt er fort. "So dass man sagen kann, derjenige, der die entsprechenden Haltungsbedingungen, die entsprechende Expertise nachweisen kann, dass demjenigen das auch durchaus erlaubt sein sollte, Tiere weiterhin zu halten. Und es einfach denjenigen, die sich halt nicht mit der Materie so gut auskennen und tatsächlich durch ihr Unwissen möglicherweise eine potenzielle Gefahr darstellen können, denen natürlich das dann auch zu erschweren. Das halte ich für absolut sinnvoll."
Es gibt also noch viel zu diskutieren im Landtag von Nordrhein-Westfalen – darüber, wie berechtigt die Angst von Anwohnern ist, wenn jemand in der Nachbarschaft zum Beispiel Giftschlangen hat. Aber auch darüber, ob und wie man die Haltung einfach sicherer machen kann oder ob sie komplett verboten werden muss.
Mehr zum Thema