Gedenkstunde im Bundestag

Wunder der Versöhnung

Der polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski bei der Gedenkstunde zum Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren.
Der polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski bei der Gedenkstunde zum Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren. © AFP / Tobias Schwarz
Von Christiane Habermalz · 10.09.2014
In einer Gedenkstunde gedachte heute der Bundestag an den Kriegsbeginn 1939. Polens Präsident Komorowski erinnerte als Gastredner an die schwierige Versöhnung seines Landes mit Deutschland bis zu einer jetzt freundschaftlichen Beziehung.
Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski hat heute eine sehr politische Rede gehalten. Anlässlich des Gedenkens an den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren lenkte er die Aufmerksamkeit auf die aktuellen Konflikte. Angesichts der gewachsenen Spannungen in Osteuropa betonte er die große Bedeutung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit.
Er würdigte das große Wunder der Versöhnung zwischen beiden Ländern und gemahnte an eine deutsch-polnische Verantwortung für die Verteidigung der gemeinsamen Werte von Demokratie und der persönlichen Freiheit und Würde des Einzelnen. Polen setze auf die NATO und hoffe, dass die Verteidigungsgemeinschaft auch heute ein effizientes Militärbündnis bleibe.
"Abschreckung bildet keinen Widerspruch zu Zusammenarbeit und Dialog, sondern ist deren notwendige Ergänzung. Denn es gibt Mächte auf der Welt, die auf eingegangene Verpflichtungen keine Rücksicht nehmen, sobald sie bei ihren Partnern militärische Schwäche und fehlende Entschlossenheit verspüren."
Gerade die polnische Geschichte, führte er in seiner Rede aus, habe in Polen die große Wertschätzung für die Freiheit und nationale Selbstbestimmung wachsen lassen. Russland setzte er in eine Reihe mit den Regimen in Syrien und Libyen und den Islamisten im Irak. Ihnen allen sei gemeinsam die Verachtung von Menschen, die nach Freiheit und Solidarität strebten, die ein demokratisches Volk sein möchten. Ausdrücklich bedauerte er, dass Russland sich für den Weg des Antioccidentismus entschieden habe, um seine eigene nationale Identität zu begründen. Dahinter stehe die Angst des Kreml vor demokratischer Modernisierung, die die Polen auch Russland wünschen würden.
Dass er, Komorowski heute am historischen Ort, als Sohn eines Partisanen und Offiziers der polnischen Streitkräfte, der in seinem Marsch auf Berlin bis in die Lausitz gekommen sei, eine Rede an die gewählten deutschen Volksvertreter hielt, erfülle ihn auch heute noch mit tiefer Rührung.
Lammert würdigt Aussöhnungsbereitschaft Polens
Zuvor hatte Parlamentspräsident Norbert Lammert die Aussöhnungsbereitschaft Polens nach dem Zweiten Weltkrieg gewürdigt. Kaum ein Land habe unter der deutschen Aggression im Zweiten Weltkrieg schwerer gelitten als die Polen. Sie waren das erste Opfer Hitlers und mussten am längsten die furchtbaren Gräuel der deutschen Besatzung ertragen. Er zitierte einen anderen großen Polen, den früheren Papst Johannes Paul den II, bei einem Besuch im wiedervereinigten Deutschland 1996.
"Er fragte: "Wo liegt die Wasserscheide zwischen Generationen, die nicht genug bezahlt haben, und Generationen, die zu viel bezahlt haben? Und wir, auf welcher Seite stehen wir?"
Diese Frage, führte Lammert aus, stelle sich bis heute, angesichts des Leids gegenwärtiger Kriege. Auch heute gebe es Generationen, die zuviel bezahlten für ihre Freiheit, ohne Garantie, sie auch zu erringen. Auf welcher Seite stehen wir? Diese Frage müsse sich jede Generation neu stellen. Und Deutschland, angesichts der Verheerungen des von ihm ausgegangenen Weltkrieges, ganz besonders.
Mehr zum Thema