Gedenkstätte

Ein einzigartiger Ort des Erinnerns

Von Ursula Welter · 14.07.2014
Politisch war die Gedenkstätte für das Lager von "Rivesaltes" lange umstritten - zu schmerzhaft die Erinnerung. Fast zwei Jahrzehnte kämpften private Initiativen und die Spitze der Regionalverwaltung um ihre Errichtung, jetzt hat der Bau begonnen.
Eine karge Landschaft in Südfrankreich. Die Ebene breitet sich zwischen dem Mittelmeer und den Pyrenäen aus. Die spanische Grenze ist nicht weit.
"Hier befinden Sie sich mittendrin, in diesen berühmten 612 Hektar des 'Kamp Joffre'."
Nathalie Fourcarde lenkt die Besuchergruppe auf das Gelände. Von der Autobahn, die sich am Küstenstreifen Richtung Süden schlängelt, geht es vorbei an mittelständischen Betrieben, einem Ausbildungszentrum, an Windrädern. Private Parzellen in einem staatlichen Gelände, militärisches Sperrgebiet.
Nathalie Fourcarde ist im Leitungsteam für ein Erinnerungsprojekt der Region Languedoc-Roussillon, das lange undenkbar war. Nicht zuletzt, weil das Gelände jenseits der Stacheldrahtzäune Militärgelände ist und bis heute von französischen Spezialeinheiten für Übungen genutzt wird.
Das Erinnerungsprojekt gilt dem Lager, das auf einem Teil der weiten Fläche in den späten dreißiger Jahren eröffnet wurde.
Glühende Hitze und beißende Kälte
Unweit des Örtchens Rivesaltes. Dort, wo eigentlich berühmter Wein vermutet wird, wo der Held des Ersten Weltkrieges, General Joffre, geboren wurde.
Hier aber, wo Weinanbau unmöglich ist, weil glühende Hitze im Sommer und beißende Kälte im Winter keine Pflanze gedeihen lässt, wo Fallwinde von mehr als 100 Stundenkilometern von den Bergen der Pyrenäen für extremste Bedingungen sorgen, mussten Menschen leben.
"Hier haben sich, an ein und demselben Ort, nacheinander die drei großen Augenblicke der französischen Geschichte im zwanzigsten Jahrhundert abgespielt."
Erklärt Denis Peschanski, Historiker und wissenschaftlicher Leiter der Erinnerungsstätte von "Rivesaltes“.
1939 wird das Lager von "Rivesaltes“ in der Ödnis unweit von Perpignan aus der Taufe gehoben: Als Militärlager zunächst. Wenig später ist es Durchgangslager für die Flüchtlinge des spanischen Bürgerkriegs. Bis Ende 1942, bis auch der Süden Frankreichs von den Nazis besetzt wird, Hauptinternierungslager für Juden und "Zigeuner". Nach der Befreiung Frankreichs 1944 werden zunächst Vichy-Kollaborateure, dann, ab 1945, Kriegsgefangene in den Baracken untergebracht. Deutsche und Österreicher vor allem, fast zehntausend sind es bis zur vorläufigen Schließung des Lagers.
Undichte Baracken und Zelte
Nach der Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich schließlich, 1962, bringt die französische Republik die "Harki" und ihre Familien in die einfachen Baracken und Zelte. Die überwiegend muslimischen Algerier also, die auf Seiten Frankreichs gekämpft hatten, von de Gaulle aber fallen gelassen wurden, als Frankreich Algerien in die Unabhängigkeit entließ.
"Dort war nur eine Tür, man muss sich vorstellen, bis zu achtzig, manchmal 100 Menschen waren hier untergebracht, keine Fenster, Stroh, vielleicht Tücher vor den Öffnungen.“
Fourcarde weist auf die Latrinenbaracke, die türlosen Mauern erzählen einen Teil der Elendsgeschichten, die sich hier abgespielt haben. Familien wurden getrennt, Frauen und Männer, Eltern und Kinder. Die pralle Sonne über der Ebene, die eiskalten Nächte im Winter, die undichten Baracken und Zelte tun ihr Übriges, um Rivesaltes zu einem Ort des Elends zu machen.
Die verfallenen Baracken sollen, so weit möglich, gerettet und rekonstruiert werden, sie stehen unweit der Großbaustelle:
"Hier sehen Sie das Hauptgebäude der Erinnerungsstätte. Die im Januar 2015 eröffnet werden wird. Die Konstruktion des Architekten Rudy Ricciotti. Gut 220 Meter lang, 20 Meter breit, vier Meter hoch."
Das Gebäude duckt sich in die rötliche Erde dieser wüstengleichen Landschaft.
"Das ist ein Gebäude, das unterirdisch beginnt und sich langsam erhebt, aber niemals höher sein wird als die Barackendächer. Ein Gebäude, das sich in die Landschaft fügt, das nicht durch seine Architektur erdrückt, nicht die noch stehenden Baracken erdrückt , nicht die Erinnerung erdrückt, das den Ort respektiert. Der Ort an dem dieses Internierungslager stand, soll für sich sprechen.“
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