Gedankenlesen per Computer

Von Susanne Nessler · 29.05.2007
Wissenschaftler können inzwischen die Vorbereitung einer Entscheidung im Gehirn verfolgen. Durch Messungen der Hirnaktivität lässt sich erkennen, für welche Alternative eine Versuchsperson sich entscheidet. Der elektrische Impuls im Gehirn allein reicht jedoch nicht aus, um vorherzusagen, was ein Mensch am Ende tun wird.
Völlig regungslos, ohne auch nur ein einziges Mal mit der Wimper zu zucken, sitzt der Proband im Labor und denkt, was der Computer vor ihm tun soll. Bewege die Armprothese von rechts nach links, denkt der Proband. Die Prothese bewegt sich von rechts nach links.
Das Signal aus dem Gehirn hat dem Computer gesteuert.

Was wie Science-Fiction klingt, ist für Hirnforscher Alltag. In Experimenten zapfen sie Gehirn an, um die Mechanismen der 15 Milliarden Nervenzellen, die der Mensch zum Denken besitzt, zu studieren. Dazu kleben sie kleine Elektroden auf die Kopfhaut, die die elektrischen Impulse der Nervenzellen messen, sagt Gabriel Curio vom Projekt Hirn-Computer-Schnittstelle, der Charité in Berlin:

" Es gibt eine ganze Reihe von Patientengruppen, zum Beispiel Menschen mit Querschnittslähmungen […], die haben eine völlig intakte Hirnrinde, die können denken fühlen, sie können auch an Bewegungen denken, aber sie können diese Bewegungen durch ihre gestörte Motorik, durch ihre Rückenmarksverletzung nicht mehr in der Welt realisieren. Und das Ziel [der BBC] ist es, diese intakte Willensbildung auf Hirnebene […] zu messen und dann den Computer zum Beispiel einen Rollstuhl steuern zu lassen oder eine Art mentale Schreibmaschine auf einer Computertastatur zu bedienen, so dass die Patienten in der Lage sind, dann sich wieder in der Welt zu entäußern. "

Amerikanische Forscher haben Querschnittsgelähmten bereits Elektroden direkt ins Gehirn verpflanzt. Der Chip verbindet die Hirnrinde mit dem Computer. Die Forscher waren überrascht, wie leicht sich die verloren geglaubte Hirnaktivität anzapfen lässt.

Ebenfalls überraschend sind die Ergebnisse eines britischen Forscherteams: Sie stellten durch Hirnstrommessungen fest, dass Wachkomapatienten anders als bislang angenommen, teilweise doch noch über Bewusstsein verfügen. Als sie die Patienten aufforderten, sich ein Tennisspiel vorzustellen, wurden bei einigen die Hirnregion für räumliche Koordination aktiv.

Ähnlich können Wissenschaftler die Vorbereitung von Entscheidungen verfolgen. Durch Messungen der Hirnaktivität lässt sich erkennen, für welche Alternative eine Versuchsperson sich entscheidet. Zum Beispiel, ob bei einer Rechenaufgabe addiert oder subtrahiert wird, erklärt Gabriel Curio. Tatsächlich Gedankenlesen kann man aber nicht, das heißt, welche Absicht sich zum Beispiel hinter dem Wunsch einer Bewegung befindet, ist nicht erkennbar. Neurologen messen nur das Motorengeräusch des Gehirns.

" Was das Ziel dieser Bewegung ist, ob die rechte Hand eine Feder führt, um ein Gedicht zu schreiben, oder einen Hammer führt, um jemandem damit einen Schaden zuzufügen, das ist nicht herauszulesen, in dem Sinne sind die Gedanken immer frei und privat. "

Das schnelle Voranschreiten der Hirnforschung ist spannend, muss aber auch kritisch betrachtet werden, betont Gabriel Curio. Weltweit interessieren sich Streitkräfte und Armeen für die Experimente der Hirnforschung. Das Militär hat meist eigene Forschungsgruppen, die auf diesem Gebiet forschen. Das ist nicht unbedenklich. Etwas zu denken und etwas zu tun, sind immer noch zwei verschiedene Prozesse. Der elektrische Impuls im Gehirn allein reicht nicht aus, um vorherzusagen, was ein Mensch am Ende tut.

Das Gespräch zum Thema mit Thomas Metzinger, Philosophie-Professor in Mainz, können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player hören.