Geburtstagskonzert für Pierre Boulez

In der Echokammer der Geschichte

Daniel Barenboim
Daniel Barenboim © dpa / picture alliance / Mohamed Omar
29.03.2015
Alle fünf Jahre wieder: Pierre Boulez hat einen runden Geburtstag, und Daniel Barenboim feiert ihn. Inzwischen gehört die Staatskapelle Berlin zu den weltweit erfahrensten Orchestern, wenn es um Boulez geht – Zeit für ein Porträtkonzert.
Da haben sich zwei gefunden: Seit den 1960er Jahren treten Pierre Boulez (in der Rolle des Dirigenten) und Daniel Barenboim (in der Rolle des Pianisten) als durchaus ungleiches Duo auf. Barenboim schätzt Boulez als unerschütterlich sicheren Dirigenten und überragenden Komponisten, Boulez schätzt an Barenboim dessen pianistische Risikobereitschaft und die bedingungslose Hingabe an die Musik.
Im Umfeld des 90. Geburtstages von Pierre Boulez (26. März) widmen die österlichen Festtage der Berliner Staatsoper dem Jubilar einige Veranstaltungen. Die Staatskapelle Berlin bestreitet dabei mit Vater und Sohn Barenboim ein reines Boulez-Konzert, das den Bogen vom Früh- zum Spätwerk spannt. „Le visage nuptial" („Das bräutliche Antliz") von 1946 ist Boulez' erstes großes Werk – eine enorm ambitionierte Kantate nach Texten des surrealistischen Dichters René Char. Immer wieder hat sich Boulez diese hermetischen Verse vorgenommen, bis 1989 hat er an diesem Werk gefeilt, mehr und mehr flossen die Erfahrungen des Dirigenten Boulez in die Partitur ein. Dem verfeinerten Frühwerk steht die späte Reflektion einer Kindheitserinnerung gegenüber: „Anthèmes 2" für Violine solo und Live-Elektronik von 1997 bezieht sich auf kirchenmusikalische Eindrücke, vor allem auf die Psalmgesänge der Karwoche. Die Live-Elektronik versetzt das ebenfalls mehrfach bearbeitete Stück in eine Echokammer der eigenen Geschichte.
Schließlich Boulez' wohl meistgespieltes Werk: Die „Notations" entstanden zunächst 1945 als Klavierminiaturen und wurden Jahrzehnte später sukzessive für sehr großes Orchester bearbeitet – ein Prozess, der heute noch nicht abgeschlossen ist. Wie sehr er dieser Musik verbunden ist, wird Daniel Barenboim als Pianist wie auch als Dirigent zeigen, wenn in diesem Konzert, das wir an diesem Palmsonntag Mittag in der Philharmonie Berlin aufzeichnen, dieses meisterhaften Jugend- und jugendlichen Alterswerke erklingen.
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom Mittag
Pierre Boulez
„Le visage nuptial" für Sopran, Alt, Frauenchor und Orchester
„Anthèmes 2" für Violine und Live-Elektronik
„Notations I-IV" und „VII" für Klavier
„Notations I-IV" und „VII" für Orchester
Mojca Erdmann, Sopran
Anna Lapkovskaja, Alt
Damen des MDR Rundfunkchores
Damen des NDR Chores
Michael Barenboim, Violine
Staatskapelle Berlin
Klavier und Leitung: Daniel Barenboim