Geburtsstunde des Geldscheins

Von Marzin Hartwig · 16.07.2006
Die Geschichte des Geldes ist die Geschichte der fortschreitenden Loslösung von materiellen Zahlungsmitteln. Vor 345 Jahren wurde dabei ein wichtiger Schritt gemacht. In Schweden wurden erstmals so genannte Kreditzettel ausgegeben.
"Von Zweigen der Maulbeerbäume wird Papier gemacht, das bis auf die kohlenschwarze Farbe, dem aus Baumwolle Hergestellten völlig gleicht. Es wird nun in rechteckige Stücke verschiedener Größen zerschnitten - je nach dem Wert, den es haben soll. Dann kommt das Geld zum obersten Münzmeister, und dieser taucht nun das ihm anvertraute Siegel in Zinnober, und stempelt alle Scheine damit."

Dass in China bedrucktes Papier als Zahlungsmittel akzeptiert wird, gehörte für Marco Polos Zeitgenossen zu den unglaubwürdigen Passagen seines Reiseberichtes - im Gegensatz zu den sehr realistisch klingenden Schilderungen der hundsköpfigen Menschen oder der einfüßigen Schnellläufer. Geld, das war im Europa des 13. Jahrhunderts Münzgeld und musste Edelmetall enthalten, um Wert zu haben.

Zahllose solcher Münzen waren in Umlauf. Allein auf dem Territorium des späteren Deutschland prägten rund 500 Münzstätten Geld. Die Frage, was wo als akzeptiertes Zahlungsmittel galt, war ein ständiger Konfliktherd und ein großes Handelshemmnis. 1524 unternahm Karl V. den Versuch, das Währungschaos zu beseitigen:

"§ 1 Nemlich, dass solch gemein Reichs Munß im Namen Stuck und Gehalt, auf ein fein Mark Silbers Colnische Gewichts gesetzt, und ausgeteilt werden soll."

Die Reichsmünzordnung von 1524 machte die Kölnische Mark zur entscheidenden Referenzgröße für alle anderen Münzen im "Heiligen Römischen Reich". Die grundsätzlichen Probleme der Währung waren damit allerdings nicht gelöst. Allein durch normalen Gebrauch nutzen sich die Münzen ab und verloren - bei gleich bleibendem Nominalwert - an realem Wert.

So genannte "Kipper", die Teile der Münzen abschnitten, verschärften das Problem. Grundsätzlich war die wirtschaftliche Entwicklung eng an die Verfügbarkeit der Edelmetalle gekoppelt. Neue Funde konnten Boomphasen einleiten, Gold- oder Silbermangel führte zur Stagnation. Als in Schweden wieder mal die Silbermünzen knapp wurden, führte die Stockholmer Bank am 16. Juli 1661 eine finanztechnische Innovation ein:

"Kreditzettel! Der Inhaber dieses Kreditzettels hat von der Stockholms Banco unter Nr. 388 zu fordern: 10 Taler Silbermünzen, was uns, dem Bankdirektor, dem Kommissar, Buchhalter und Kassierer jeder für sich mit eigenhändiger Unterschrift und Siegel bestätigt wird. Zur weiteren Sicherheit durch das große und kleine Banksiegel: Johan Palmstruck, Jacob Barchman, Heinrich Marhein, Hanß Hasselhun, Nils Appelgrehn, Hindrich Stockström, Erich Torbiörnsen Anders Meyer, …"

Dieser Kreditzettel, der als erste europäische Banknote gilt, war eher eine Urkunde, als ein handlicher Schein, jedoch immer noch praktischer als die 22 Kilo schwere Kupfermünze, die drei Jahre zuvor in Schweden geprägt worden war.

Dokumente waren auch zuvor schon als Zahlungsmittel benutzt worden. Um nicht ständig das schwere Edelmetall transportieren zu müssen, und um sich vor Räubern zu schützen, zahlten Kaufleute und Händler schon seit dem 12. Jahrhundert mit Wechseln, die es ihren Inhabern ermöglichten, bei einer bestimmten Bank Münzgeld über einen festgelegten Betrag zu erhalten. Deren Gültigkeit war jedoch auf die beteiligten Parteien beschränkt.

Mit der neuen Note der Stockholmer Bank konnte bezahlen, wer immer sie in der Hand hatte. Die Bank garantierte, dass sie das Geld tatsächlich vorhielt, und damit konnte die Note frei zirkulieren. Dass sich Geld dauerhaft in Papier verwandeln sollte, war vielen Menschen unheimlich.

Noch 170 Jahre später findet sich dieses Misstrauen in Goethes "Faust II", in dem der Kaiser seine Finanzprobleme mit der Druckerpresse zu lösen versucht:

"Und meinen Leuten gilt's für gutes Gold?
Dem Heer, dem Hofe genügt's zu vollem Sold?
So sehr mich's wundert, muss ich's gelten lassen."

Die schwedischen Noten galten zumindest den Kaufleuten für gutes Geld, das heißt sie glaubten, dass sie die Noten in Silbermünzen eintauschen konnten. Die Bank allerdings fand zunehmend Gefallen am Gelddrucken. Ausschnitt Faust:

"Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht.
Damit die Wohltat allen gleich gedeihe,
So stempelten wir gleich die ganze Reihe,
Zehn, Dreißig, Funfzig, Hundert sind parat.
Ihr denkt euch nicht, wie wohl's dem Volke tat."

Die Stockholmer Bank konnte der Versuchung nicht widerstehen, und gab Kreditzettel ohne die entsprechende Deckung aus. Der Schwindel flog auf und die Bank wäre zusammengebrochen, hätte sie nicht 1668 die schwedischen Reichsstände übernommen. Die Kreditzettel waren bereits im Laufe des Jahres 1667 ungültig geworden.

In nur sechs Jahren hatten die schwedischen Kaufleute so alle Vor- und Nachteile des neuen Geldes kennen gelernt. Die Reichsstände beschlossen, in Zukunft selbst das Geld zu drucken. Der Staat, so glaubte man, würde verantwortungsbewusster mit der Druckpresse umgehen.