Gaumenkino auf der Berlinale

Von Gerd Brendel · 09.02.2007
Essen auf der Berlinale: Ein Thema für sich, mit dem jeder Festivalbesucher seine leidvollen Erfahrungen gemacht hat: Fast-Food-Hamburger zwischen zwei Filmen oder hastige Mahlzeiten im Laufschritt unterwegs. Dabei haben Essen und Kino eine ganze Menge miteinander zu tun: Das zumindest meinen Filmemacher Thomas Struck und Alfred Biolek und servieren auf der Berlinale "Kulinarisches Kino".
Kino und Essen wird oft unangemessen verbunden

Struck: "Dadurch, dass die Leute im Kino permanent essen, schmatzen Geräusche, Gerüche verbreiten …"

Sehr zum Leidwesen von Filmemachern und Hobbyköchen wie Thomas Struck.

"Fernseh-Dinner ist ein Gräuel, es ist weder für das Essen gut, noch für die Aufmerksamkeit."

Dabei haben Kochen und Filmemachen viel gemeinsam.

"Es gibt fantastische Parallelen für mich: Es ist so, das Essen ist das älteste Medium für mich. Die Zivilisation beginnt mit der Zähmung des Feuers, und mit der Wandlung vom Rohen in das Gekochte. Der Film ist das jüngste, und beide verbindet, dass die existieren nur in einem bestimmten Zeitraum, beides ‚time-based media’"."

Und was beim Kochen der Topf auf dem Herd, ist beim Film die Kamera.

""Das Leben liefert bestimmte Rohstoffe. Manche sind sehr alt, und diese müssen transformiert werden in die mediale Welt. Und das geschieht durch die Kamera, und diese Kamera ist mit dem Kochtopf mit dem Herd zu vergleichen: Weil in diese Kamera werden wie beim Herd die Rohstoffe eingeführt und dann gewandelt. Und das geschieht durch Hitze oder in der Kamera durch Licht, auf lateinisch heißt der Herd auch ‚Focus’ und die Kamera hat auch den Fokus. Das ist eine sehr tiefe Beziehung, dort hat die Zivilisation einen Kreis geschlossen."

Deswegen hat Thomas Struck eine neue Reihe für die Berlinale erfunden: "Kulinarisches Kino", eine Reihe in der Cineasten wie Gourmets zu ihrem Recht kommen sollen.

"Film und Food das ist getrennt, erst der Film dann das Food: Weil erst Food, dann würde man beim Film einschlafen, weil es auch geistige Getränke bei uns gibt. Es ist ein sehr bürgerliches Modell, wir führen uns eine geistige Speise zu, in dem Fall ein Film und dann gehen wir essen und dabei unterhalten wir uns. Und das ist aufbereitet dadurch, dass Alfred Biolek den Talk führt."

Biolek: "Es ist ‚Kulinarik’ im weitesten Sinne. Wir haben Ballhaus, da geht’s um Kulinarik und Film, er selbst kocht so gut, hat für mich schon gekocht und ich für ihn. Wir haben Sarah Wiener, da geht’s um sinnliches Kochen, aber auch den Chef von ‚slow food’ da , das ist politisch."

Der Gründer der "Slow-Food"-Bewegung Carlo Petrini wird sich mit Alfred Biolek am Montag Abend zu geräuchertem Truthahn und Beelitzer Kartoffelmousseline über faires Essen unterhalten, im Anschluss an Taggart Siegels Dokumentarfilm über eine Öku-Farmer aus Illinois. An den restlichen Abenden laufen Filme über Kaffee aus Äthopien, Tee aus China und die kulinarischen Abenteuer der Hauptstadt-Gastronomin Sarah Wiener in Frankreich.

Zum Auftakt am Sonntag läuft der japanischen Spielfilm "Liebe und Ehre": Regisseur Yoji Yamada erzählt das Eifersuchtsdrama um einen verbitterten Vorkosters im feudalen Japan, der nach dem Genuss einer giftigen Schnecke erblindet ist und erst allmählich wieder zu seiner verlorenen Ehre und seiner großen Liebe findet. Ein Abend auf den sich Alfred Biolek besonders freut:

"Es kommt ein Designer, der mehrere Restaurants in Japan eingerichtet hat, und ich möchte über Stil sprechen, beim Essen, beim Kochen. Ich hab zum Beispiel überhaupt keine Ahnung, auf welcher stilistischen Ebene sich auf Japan Fast Food bewegt, was ist das: ‚japanische Currywurst’?"

Ein Höhepunkt verspricht die Premiere von Döris Dörries neustem Werk: "How to cook your life" am Dienstag zu werden. Ein Film über den Zen-Meister und Koch Edward Espe Brown. Nach dem Film wird Sterne-Koch Thomas Kammeier Safran-Graupen auf Süßkartoffeln servieren: Der einzige Programmpunkt, der Alfred Biolek nicht überzeugt - bisher.

""Vor allem kann ich mir noch nicht vorstellen , dass dieses Zen–Essen, das das gut sein wird. Aber vielleicht werde ich wunderbar überrascht."