"Abwehrschirm" und ostdeutsche Proteste

Eine Frage der gerechten Verteilung

07:07 Minuten
Demonstranten halten ein Plakat hoch, auf dem steht: Gas, Sprit, Strom: Wer soll das bezahlen?
Demonstration in Schwerin: Im Osten sind die Existenzängste größer als im Westen, sagt die Politologin Judith Enders. © picture alliance / dpa / Jens Büttner
Judith Enders im Gespräch mit Ute Welty · 30.09.2022
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Gegen steigende Preise wird vor allem in Ostdeutschland protestiert. Wegen des Umbruchs nach der Wende seien hier die Existenzängste besonders groß, sagt die Politologin Judith Enders. Sie plädiert dafür, die Gaspreisbremse gezielt einzusetzen.
Mit einem "Abwehrschirm" will die Bundesregierung Bevölkerung und Unternehmen angesichts der immer weiter steigenden Energiepreise und der Inflation unterstützen. Dafür will die Ampelkoalition bis zu 200 Milliarden Euro ausgeben. Doch wohin genau mit dem Geld?
Die Politikwissenschaftlerin Judith Enders von der Initiative "Perspektive hoch drei" sagt: nicht "mit der Gießkanne" verteilen, sondern jene begünstigen, die hohen Bedarf haben. Dazu zählt sie auch ostdeutsche Kommunen, die weniger Ressourcen zur Verfügung hätten als jene im Westen. Die Kommunen müssten die Daseinsvorsorge sichern und Investitionen in die Infrastruktur tätigen. "Das könnte aus meiner Sicht ein Zeichen für die sein, die in Ostdeutschland aus Ängsten heraus auf die Straße gehen", sagt Enders. Die Hilfe dürfe nicht nur dort ankommen, wo "große Industrien zu retten" seien.
Mit den derzeitigen Sorgen in Ostdeutschland habe es eine „besondere Bewandtnis“, meint Enders: Die Menschen fühlten sich an die 1990er-Jahre erinnert, als sie nach der deutschen Einheit aufgrund des "gesellschaftlichen Mini-Zusammenbruchs" grundsätzliche Existenzängste verspürten. Die Erinnerung an diese schwierige Phase treibe sie auf die Straße, zumal der Tag der deutschen Einheit am dritten Oktober bevorstehe.

Weniger Vermögen im Osten als im Westen

Es gehe allerdings nicht nur um Gefühle, sondern auch um Fakten, betont Enders. Ostdeutsche hätten im Durchschnitt weniger Vermögen angespart als Westdeutsche. Sie hätten weniger Handlungsspielräume und eine geringere Absicherung durch Tarifverträge oder stetige Lohnsteigerungen. Dazu komme, dass Ostdeutsche in den Führungsetagen wenig vertreten seien und dadurch geringeren Einfluss hätten.
(bth)

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