Garzweiler II

Vorrang für die Braunkohle

Von Georg Ehring  · 17.12.2013
Das Bundesverfassungsgericht hat für Rechtsklarheit gesorgt. Über die Zukunft der Braunkohle hat es nicht entschieden. Die könnte eher zu Ende sein, als das manche Energiemanager erwarten, kommentiert Georg Ehring.
Für die verbliebenen Anwohner ist es ein bitterer Tag: Das Ergebnis sei sehr enttäuschend, kommentierte der Kläger Stefan Pütz den Spruch des Bundesverfassungsgerichts. Sein Heimatdorf Immerath muss der Braunkohle weichen. Dem Allgemeinwohl zuliebe müssen die Menschen sich eine neue Heimat suchen, weil die alte in einer Tagebau-Grube verschwindet.
Allgemeinwohl geht vor Eigennutz - vermutlich musste das Bundesverfassungsgericht so urteilen. Bei überragenden Interessen des Allgemeinwohls müssen private Interessen zurücktreten, das ergibt sich aus dem Grundgesetz. Ob der Braunkohleabbau in den nächsten Jahren wirklich noch dem Allgemeinwohl dient, hatten die Richter nicht zu entscheiden. Und hier beginnen die Zweifel. Der RWE-Konzern hat jetzt die Rechtssicherheit, ein Projekt fortzusetzen, das durch die Energiewende schon heute zum Anachronismus geworden ist - es ist kaum vorstellbar, dass in Garzweiler II wie geplant bis zur Mitte des Jahrhunderts Braunkohle gefördert wird.
Es reicht, sich eine Zahl vor Augen zu führen: 40 Millionen Tonnen Braunkohle pro Jahr. Das ist die geplante Fördermenge in Garzweiler - und sie entspricht bei der Verbrennung etwa 40 Millionen Tonnen klimaschädlichem Kohlendioxid. Das wiederum sind fast fünf Prozent des Ausstoßes von Treibhausgasen aus Deutschland. Unser Land will den Ausstoß aber bis zur Mitte des Jahrhunderts um 80 bis 95 Prozent senken - und das passt einfach nicht zusammen.
Braunkohle passt nicht mehr in die energiepolitische Landschaft
Wenn Garzweiler bis dahin in Betrieb bliebe, würden die 40 Millionen Tonnen dann im Extremfall nahezu den gesamten CO2-Ausstoß Deutschlands ausmachen. Eine absurde Vorstellung, denn wir wollen ja auch künftig Landwirtschaft betreiben, fliegen, mobil sein, Computer betreiben, produzieren und Wohnungen heizen. All dies geht bisher nicht ohne Emissionen und auch in einigen Jahrzehnten werden sie sich nicht ganz vermeiden lassen. Die Braunkohle passt also bald nicht mehr in die energiepolitische Landschaft.
Hinzu kommt: Noch ist Strom aus Braunkohle relativ billig. Denn wegen des Preisverfalls bei den Emissionsrechten zum Ausstoß von Treibhausgasen werden die Energieversorger als Verursacher von Klimaschäden derzeit kaum zur Kasse gebeten. Wenn Deutschland und die Europäische Union ihre Klimaziele ernst nehmen, muss sich dies in den nächsten Jahren ändern. Dann ist der Kostenvorteil der Braunkohle dahin und Energieriesen wie RWE müssen ihre Pläne für den Tagebau revidieren. Das Unternehmen hat sich über das Urteil gefreut und hält an der Umsiedlung von Tausenden von Menschen fest. Auch die neue Bundesregierung will an der Kohlenutzung festhalten - aber gleichzeitig die Energiewende weiter entwickeln. Beides passt absehbar nicht zusammen.

Das Bundesverfassungsgericht hat für Rechtsklarheit gesorgt. Über die Zukunft der Braunkohle hat es nicht entschieden. Die könnte und muss eher zu Ende sein als das manche Energie-Manager heute erwarten.
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