Ganzkörpertraining mit Axt und Säge

Sportholzfällen - eine Nischensportart wird populär

Der Sportholzfäller Rene Heims (Mecklenburg-Vorpommern) in Aktion am Samstag (11.07.2009) beim Vorentscheid zur Deutschen Meisterschaft der Stihl Timbersports Series in Frankfurt (Oder).
Ein Sportholzfäller in Aktion. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Günter Herkel · 17.04.2016
Holzfällen ist eine der ältesten Kulturtechniken der Menschheit. Als Leistungswettbewerb, bei dem es gilt, das Holz mit Axt und Säge passgerecht zu bearbeiten, ist die Tradition dagegen noch vergleichsweise jung. Doch das Sportholzfällen wird immer beliebter.
In Neuseeland, Kanada und den USA wird das Sportholzfällen immerhin schon seit rund 150 Jahren betrieben. In Deutschland lassen es die starken Männer erst seit Anfang dieses Jahrhunderts krachen.
Alljährlich messen sich die besten Profis bei ihrer Weltmeisterschaft. Dabei treten die Athleten in drei Axt- und drei Sägedisziplinen an. Das erfordert nicht allein Kraft, mindestens ebenso wichtig sind Technik und Erfahrung. In der Leidenschaft für diesen Sport, so sagen Kenner, manifestiert sich der Wunsch vieler Menschen nach Ursprünglichkeit.

Das vollständige Manuskript im Wortlaut:
Der stämmige junge Mann führt mit schnellem Griff die Motorsäge an den Holzblock. Seine Aufgabe: Den waagerecht befestigten Stamm – Durchmesser: 40 Zentimeter – zweimal zu durchtrennen. Ein Schnitt abwärts, ein Schnitt aufwärts. Beide Scheiben – oder auch Cookies genannt – müssen innerhalb eines markierten Bereichs von etwa 10 Zentimetern sauber geschnitten werden. So sind die Regeln dieser Disziplin, der so genannten Stock Saw. Alles läuft reibungslos ab.
Schauplatz: Der Stihl-Timbersports-Stützpunkt Mellrichstadt in der fränkischen Rhön. Ein Dutzend junger Männer ist an diesem Samstagmorgen aus verschiedenen Regionen der Republik angereist, um ein Probetraining mit Axt und Säge zu absolvieren. Bei einem eintägigen Workshop wollen die Teilnehmer herausfinden, ob sie sich für das Sportholzfällen dauerhaft begeistern können. Stützpunktleiter Philipp Vielwerth zur Faszination dieser Disziplin:
"Mit Holz zu arbeiten, mit Äxten zu schlagen und des noch so schnell wie möglich. Ich glaub wirklich, oder ich weiß, dass viele, die das erste Mal n Holzblock gehackt haben und sind interessiert, die sind von da an infiziert."
Über mangelnden Zuspruch muss Vielwerth sich nicht beklagen. Die Kurse in diesem Jahr sind ausgebucht. Es sei die Kombination aus Funsport und ehrlicher Arbeit, die die Teilnehmer anziehe, glaubt er. Das Ganze unter Wettkampfbedingungen und einem verfeinerten Regelwerk. Vielwerths selbst hat sein berufliches Glück beim Umgang mit Holz gefunden.
"Seit meinem 18. Lebensjahr mach ich Holz, arbeite im Forst selbständig, und mach so lang schon Akkord. Ich hab schon viel Holz gemacht, und stehe da total drauf, weil es für mich einfach ne Materie, wo ich mich wohl fühle. Alles, was mit Holz zu tun hat."
Ganz ungefährlich ist dieser Sport nicht. Schließlich hantieren die Teilnehmer mit rasiermesserscharfen Äxten und Kettensägen mit hoher Umdrehungszahl. Der 53-jährige Vielwerth erläutert in der Halle die Sicherheitsregeln. Bei den Axt-Disziplinen müssen die Teilnehmer zum Beispiel rüstungsähnliche Alufüße anziehen.
"Wenn mal die Axt ausrutschen soll, dann klingelt’s n bisschen am Blech, aber sonst auch nix. An der Stock Saw natürlich Sicherheitskleidung, Augenschutz, Ohrenschutz, Beinschutz – ist Pflicht."
Die erste Übung mit der Axt.
"Wir fangen mal an mit der Disziplin Underhand."
Beim Underhand Chop geht es um das Zerteilen eines bereits gefällten Baumes. Dabei stehen die Akteure auf einem horizontal verankerten Block. Mit präzisen Axtschlägen versuchen sie, den 32 Zentimeter dicken Stamm zu durchschlagen. Eine zusätzliche Auflage: Der Block muss von beiden Seiten durchschlagen werden.

Zehn LKW-Ladungen Trainings- und Wettkampfholz

Co-Trainer Steffen Graf demonstriert das Einspannen des Übungsblocks. Zur besseren Orientierung darf auf dem Holz die Ideallinie eingezeichnet werden. Um die Standfestigkeit zu erhöhen, flacht er mit der Axt die Holzrundung an den Blockenden ab. Oder, wie es im Fachjargon heißt: Er präpariert die so genannten Footholes.
Profis benötigen für das Zerteilen eines solchen Stamms weniger als 20 Sekunden. Aber heute geht es weniger um Schnelligkeit als um Sicherheit und Technik. Graf zeigt, wie es funktioniert. Die Führungshand packt die Axt am unteren Ende des Stiels, die Powerhand liegt oben und sorgt für die Beschleunigung des Schlags.
"Jetzt den obersten erst. Der ist jetzt vorgeschnitten, und wenn ich den jetzt schneid, fällt der Chip raus."
Bei der Hälfte der Übung wechselt der Sportler auf die andere Seite. Kurz vor dem finalen Schlag gilt es, das Gewicht zu verlagern, sonst riskiert der Akteur einen Sturz.
"Das Holz sollte weich sein und sollte aus einem Bestand, aus einem Waldstück sein, damit die Gleichheit da ist, damit alle Sportler unter denselben Voraussetzungen hacken können oder auch trainieren können."
Steffen Graf, im Hauptberuf Zimmerer, ist zuständig für das Trainings- und Wettkampfholz. Es handelt sich in der Regel um Pappelholz – das erfüllt am besten die Materialanforderungen. Graf schlägt das meiste Holz selbst, in Deutschland und gelegentlich auch in Frankreich. Mittlerweile, so hat er ausgerechnet, braucht er jedes Jahr an die 200 Festmeter Pappelholz – das sind ungefähr zehn LKW-Ladungen. Der Kenner überprüft natürlich den Werkstoff Holz auf seine präzisen Eigenschaften.
"Wo sind Äste? Wie gleich ist es gewachsen? Wo ist der Mittelpunkt von meinem Kern? Wenn der Kern außer der Mitte ist, gibt’s eine Seite, die ein bisschen weicher ist, da sind die Jahresringe größer auseinander. Und es gibt n Bereich, da sind sie enger. Und den engeren Bereich leg ich mir jetzt nach unten, weil ich da einfach mehr Kraft in die Axt bekomme."
Nächster Punkt: Das Werkzeug. Die Äxte zum Beispiel. Da reicht es nicht, mit möglichst viel Kraft draufzuschlagen. Der Umgang mit der Sportaxt ist eine kleine Wissenschaft für sich.
"Es gibt Grundmaße, es gibt den Schneidewinkel, es gibt das Axtgewicht, es gibt die Axttiefe und die Schneidweite, die Größe der Axt. Die Gradzahl kann man noch wählen und die verschiedenen Schliffe: Combo, Supercrine, Chisel – und dann kann man aber individuell selber noch dran schleifen."
Auch die Stiellängen fallen unterschiedlich aus, je nach Handgröße und Armlänge des Sportlers.
"Deswegen hat jeder Sportler seine eigenen Äxte und kuckt halt dann auch, dass er sie hegt und pflegt und so individuell fertigt, dass er mit seiner Hand zurecht kommt, sonst kriegt er Blasen. Wenn ich ne Axt von nem anderen Sportler nehm, die mir gar nicht behagt, hab ich Blasen. Ist einfach so, weil das ist dann ungewohnt."

"Geht verdammt auf das Herz-Kreislauf-System"

Was sind das für Kerle, die sich für eine derart anstrengende und schweißtreibende Sportart interessieren?
"Es ist im Moment alles dabei – Gärtner, Industriemechaniker, also das ist völlig egal. Es muss einem einfach liegen, das ist ja schon mal die Grundvoraussetzung, die körperliche Voraussetzung, und mer kann nicht alles erlernen. Also mancher Körper gibt’s halt einfach nicht her."
Für den Körper von Matthias Bachhofer gilt das mit Sicherheit nicht. Der 28-jährige kräftige Zimmermann aus dem schwäbischen Weilheim ist mit seinen beiden Brüdern angereist. Gemeinsam wollen sie ihr Geschick an Axt und Säge erproben. Nach der Übung ist er noch ziemlich außer Atem.
"Ist ziemlich anstrengend, und hätt ich jetzt ehrlich gesagt auch nicht gedacht, dass es so jesusmäßig auf die Pumpe geht."
Auch seine Brüder sind hauptberuflich Handwerker, der eine als Baggerfahrer, der andere als Schlosser. Matthias ist von der neuen Erfahrung sehr angetan.
"Hat echt Spaß gemacht bis jetzt, und ist super. Ich kann’s nur jedem empfehlen, hier mitzumachen. Das ist ein Erlebnis. Kriegt man sonst nimmer."
Ähnlich klingt auch der 24-jährige Martin, ein angehender Ingenieur aus Hannover. Trotz seiner nicht ganz so athletischen Statur kann er bislang gut mithalten.
"Geht verdammt auf das Herz-Kreislauf-System, muss ich sagen. Ich bin sehr aus der Puste, aber… kann ich nur empfehlen. Macht auf jeden Fall viel Spaß."
Trainer Graf listet auf, was künftige Timbersport-Athleten mitbringen müssen, um erfolgreich zu sein.
"Es ist einfach so, körperliche Voraussetzung sollte man schon haben, also irgendwo 1,80 Meter, 90 Kilo. Man sollte halt sportlich sein. Ausdauer, Ehrgeiz und einfach sich stetig weiterentwickeln zu wollen. Also nicht einfach aufhören, wenn’s nicht klappt, sondern probieren, besser zu machen. Und wenn man gewissen Erfolg hat, da nicht stehen bleiben, sondern stetig sich weiter zu entwickeln."
Nicht alle, die sich zum Timbersport melden, gehen so an die Sache heran. Stützpunktleiter Vielwerth:
"Viele kommen hierher, dieses typische Klischee 'Holzfäller'…"
Ein Klischee, das möglicherweise durch etwas reißerische Berichterstattung auf einschlägigen TV-Spartenkanälen befördert wird…
"Siehste schon durch das Auftreten, wenn sie das erste Mal am Block schlagen, und wollen dann nen neuen Weltrekord machen. Die werden immer langsamer, der Kopf wird knallrot, der Schweiß rennt, und die sind dann natürlich eines Besseren belehrt. Und da zeigt sich natürlich wieder die Technik."
Einer, der seit mehr als zehn Jahren in vorderster Linie bei den deutschen Sportholzfällern mitmischt, ist Dirk Braun.
"Ich glaube, die Technik ist entscheidender als die Kraft. Klar ist die körperliche Fitness schon wichtig, und man sollte auch ne gewisse körperliche Statur haben, um dort mithalten zu können. Aber die Technik ist der ausschlaggebende Punkt."

Holz wärmt zweimal: einmal beim Fällen, einmal beim Verfeuern

Dirk Braun, zweimal Europameister, siebenmal Deutscher Meister. Der 43-jährige Forstwirt aus Winterberg kam eher zufällig zum Sportholzfällen, wie er freimütig bekennt. Als 2003 die Deutsche Meisterschaft in seinem Heimatort stattfand, wurde er zuvor kurzerhand als eine Art local hero angeworben und aufgebaut. Mit 1,78 Meter ist er in Relation zu manchen Hünen in dieser Disziplin nicht gerade groß, aber sein Kampfgewicht von knapp 100 Kilo gleicht das ein wenig aus. Braun beginnt seinen Trainingstag schon um 5 Uhr morgens im heimischen Fitnessstudio mit Kraftübungen. Nach der Arbeit ist zwei bis drei Stunden Holzhacken im Garten angesagt.
"Man hat ne Bühne im Garten stehen, man hat den Dreck zu Hause. Man muss sich Holz kaufen. Das sind im Jahr 800 Euro nur für Holz allein. Das hack ich nur durch und dann schmeiß ich’s weg, und gib’s meinem Onkel oder sonst irgendjemandem, der es dann in den Ofen schmeißt."
Gemäß der alten Volksweisheit, wonach Holz zweimal wärmt: einmal beim Fällen, einmal beim Verfeuern. Timbersports ist nicht nur zeitaufwändig, sondern auch teuer. Die aus Spezial-Stahl handgeschliffenen Äxte gibt’s nicht im Baumarkt.
"Mit nem schlechten Werkzeug kann man eben auch nicht n guten Wettkampf machen. Ja, sone Axt kostet circa 600 Euro, ne Wettkampfaxt. Und bis die hier bei uns ist, mit allem Zipp und Zapp. Und sone Single Buck, also ne Zugsäge, kostet circa 2000 Euro."
"Es stimmt, billig ist unser Sport auf keinen Fall. Du musst schon sehr für diesen Sport brennen, um solche Beträge in deine Ausrüstung zu investieren. Ich denke, es verhält sich hier so wie in jeder anspruchsvollen Sportart: Wenn dich die Leidenschaft packt, tust du das, was du tun musst, um wettbewerbsfähig zu werden."
Ein Mann mit Ohrenschutz und Schutzkleidung durchsägt einen Baumstamm.
Gute Motorsägen kosten bis zu 5000 Euro.© Deutschlandradio / Günter Herkel
Der Neuseeländer Jason Wynyard ist mit 1,95 Meter Körpergröße und 135 Kilogramm Kampfgewicht ein Athlet von beeindruckender Statur. Dass er wettbewerbsfähig ist, hat der siebenmalige Weltmeister in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich bewiesen. Kein Wunder, wurde ihm der Sport doch sozusagen in die Wieg gelegt."
"Mein Vater war ein Spitzenathlet, auch mein Großvater war ein großer Holzfäller. Mein Vater wuchs auf inmitten der Holzindustrie, ehe die Kettensäge aufkam. Daher musste er lernen, wie man mit einer Axt und einer Handsäge umgeht. Er wurde ein guter Athlet, sogar Weltmeister. Auch meine Onkel waren sehr versiert mit Axt und Säge. Man kann schon sagen: Es liegt mir im Blut."
Schon mit zwölf Jahren nahm Wynyard an Wettkämpfen teil, mit 22 wurde er Profi. Viele Jahre verdiente der heute 42-Jährige sein Geld bei zahlreichen Events in den traditionellen Holzfäller-Nationen: in Kanada, USA, Australien und in seiner Heimat Neuseeland. In den USA kassieren die Besten dieses Sports pro Show Preisgelder von 10.000 Dollar und mehr. Von solchen Prämien können deutsche Timbersportler nur träumen. Für den Deutschen Meister Dirk Braun ist der Sport erstmal mit Unkosten verbunden.
"Wenn der vor der Wahl steht, ich muss jetzt ne Axt kaufen für 600 Euro, ich brauch ne Single Buck für 1,5 bis 2000 Euro, um am Wettkampf teilnehmen zu können, das ist natürlich sehr, sehr aufwändig und sehr kostspielig. Da braucht es einfach Menschen oder Typen, die echt Eier haben und sagen: Ey, ich find das so geil, ich zieh das jetzt durch. Und das hab ich zum Beispiel damals so gemacht, dass ich gesagt hab, ich find den Sport so geil, ich will da unbedingt erfolgreich werden, dass ich für mein erstes Geld, das ich für’s Werkzeug investiert habe, Schulden aufs Haus gemacht habe."

"Dieser Sport bringt dich wirklich zurück zur Natur"

In klassischen Holzfäller-Nationen wie Australien oder Neuseeland wird der Timbersport bereits seit mehr als 150 Jahren praktiziert. Auch wenn man es damals noch nicht so nannte. Von harten Kerlen, die neben der Arbeit in Wettkämpfen Kraft und Geschick maßen. Aber erst 1985 wurde in den USA eine Meisterschaftsserie ins Leben gerufen. Europa zog im Jahr 2000 nach. Wenn passionierte Holzfäller über ihren Sport reden, schwingt oft eine gehörige Portion Stolz und Pathos mit.
"Dieser Sport bringt dich wirklich zurück zur Natur, gibt dir wieder die Wertschätzung für die freie Wildbahn. Timbersports hat sich aus dieser alten Tradition der Forstwirtschaft entwickelt."
Mathew Cogar, amtierender US-Meister aus West Virginia.
"Bevor die Kettensäge entwickelt wurde, musste man mit Äxten und Handsägen in die Wälder ausrücken – nur so kam man ans Holz. Es ist so eine Art zurück zum Ursprünglichen, zurück zu dieser Tradition, diesem Kulturerbe. Wie eine Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit."
Wie Jason Wynyard stammt auch der 29-jährige Cogar aus einer alten Holzfäller-Familiendynastie. Schon sein Ur-Ur-Großvater arbeitete in der Forstwirtschaft, berichtet er. Dieser habe das Holz noch mit Äxten geschlagen. Im Grunde habe sich an der Technik gar nicht so viel verändert – nur die Geschwindigkeit sei an die neuen Zeiten angepasst.
"Das, was wir auf der Bühne machen, unterscheidet sich wirklich nicht sehr von dem, was im frühen 19. Jahrhundert oder noch davor gemacht wurde. Es gibt Unterschiede, klar: Die Motoren sind besser, alles ist spezialisierter und feiner getunt. Aber eigentlich geht es hauptsächlich darum, schneller zu sein als damals."
Das sieht Weltmeister Wynyard ganz ähnlich.
"Meine Vorfahren hackten Holz, weil sie das Land roden mussten, und es gab keine andere Möglichkeit, das zu tun als mit einer Axt und ner Säge. Es ist eine uralte Technik des Menschen, einen Baum zu fällen. Jetzt haben wir das in einen Sport verwandelt, das Ganze nennt sich Timbersports und es ist ein toller Sport, der viel Spaß macht."
In der Mellrichstädter Halle machen sich die Nachwuchs-Holzfäller jetzt an die letzte Übung: die Single Buck. Dabei gilt es, mit einer zwei Meter langen Handsäge eine Holzscheibe von einem horizontal befestigten Blick abzuschneiden. Die langen Zähne der Säge wecken Assoziationen an das Gebiss des Weißen Hai. Trainer Graf demonstriert die Technik.
Bei dieser Disziplin sind Rhythmus und Dynamik entscheidend: Den Körper leicht in Zugrichtung gebeugt, kommt es darauf an, die Säge möglichst auf Linie zu halten, um ein Verkanten zu verhindern.
"Ja, dann lieber mal kurz gezogen und dann noch einmal nach vorn. So, das war’s, mehr isses net. Und das Ganze wie alles möglichst schnell."
Was bei Graf so leicht aussieht, bringt manchen Probanden an seine körperlichen Grenzen.
Aber schließlich schaffen es alle, eine Scheibe mit einem Durchmesser von immerhin 46 Zentimeter abzutrennen. Am Ende darf jeder sein Werkstück mitnehmen, datiert und signiert. Ob damit der Grundstein für eine erfolgreiche Karriere als Timbersportler gelegt wurde? Dazu gehört denn doch einiges mehr, sagt Steffen Graf.
Beim Probetraining wird eine Scheibe mit einem Durchmesser von immerhin 46 Zentimeter abgetrennt - und anschließend signiert.
Beim Probetraining wird eine Scheibe mit einem Durchmesser von immerhin 46 Zentimeter abgetrennt - und anschließend signiert.© Stihl
"Manch einer schafft’s nicht zwingend. Das ist dann so wie lernresistent, die haben ihren eigenen Stiefel, und das erzählst du denen zigmal, und beim nächsten Kurs wieder, und dann nimmt er das einfach nicht an. Und dann bleibt der stehen. Dann hat er das Glücksgefühl net, denkt, er hat eh keinen Erfolg, dann resignieren die und dann springen viele von dem Sport ab."
Einmal im Jahr treffen sich die Profis dieser Sportart zu ihrer Weltmeisterschaft. Zur Stihl Timbersports Series, organisiert und gesponsert vom Gerätehersteller aus dem schwäbischen Waiblingen. Zuletzt ermittelten im polnischen Posen knapp 120 Sportler aus 23 Nationen die Besten im Mannschafts- und Einzelwettbewerb. Im Einzelwettkampf treten die Sportler in sechs verschiedenen Disziplinen gegeneinander an.
So klingt es, wenn eine Hot Saw aufheult. Eine extrem getunte Motorsäge – 60 bis 80 PS stark, Kettengeschwindigkeit circa 240 Stundenkilometer, Gewicht: rund 27 Kilogramm. Für eine "Heiße Säge" müssen Profis mindestens 5000 Euro und mehr anlegen. Im Wettbewerb gilt es, mit dieser Höllenmaschine von einem waagerecht verankerten Holzblock in kürzester Zeit drei vollständige Scheiben abzusägen.
"In diesen paar Sekunden, wo die Hot Saw ist, muss alles passen. Da muss der Start passen, die Kette muss aufs Holz passen, du musst direkt den ersten Schnitt gut treffen – also in sechs Sekunden passiert da so viel…"
Dirk Braun, seit Jahren Frontmann der deutschen WM-Mannschaft. Die Hot Saw ist nur eine von insgesamt sechs Säge- und Axtdisziplinen, in denen die Athleten sich messen. Eine weitere ist der Standing Block Chop. Dabei muss ein senkrecht verankerter Holzblock mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern so schnell wie möglich von der Seite durchschlagen werden. Eine kräftezehrende Übung, die von geübten Athleten in rund 20 Sekunden bewältigt wird. Besonders spektakulär erscheint die Disziplin Springboard.
Dabei hackt der Sportler Kerben oder so genannte Pockets in einen senkrecht verankerten Holzstamm und befestigt nacheinander zwei Trittbretter oder Springboards mit jeweils einem Meter Abstand übereinander. Ziel ist es, am Ende aus zwei Meter Höhe die Spitze des Stamms zu durchschlagen. Springboard gilt den meisten Timbersportlern als die Königsdisziplin. Erforderlich ist maximale Vielseitigkeit: Balance, Kraft und vor allem Technik. Letztere sei besonders wichtig, meint der Neuseeländer Jason Wynyard.
"Ein, zwei Grad Winkelverschiebung mit der Axt können dich zwei, drei Sekunden Zeit bei einer Disziplin kosten. Es ist wichtig, eine gute Technik zu haben. Und der einzige Weg, die zu erwerben, ist beharrlich daran zu arbeiten, immer und immer wieder."
Wilde Kerle, die in zwei Metern Höhe auf einer Planke stehen, die nur einen Fuß breit ist und dabei verbissen auf das obere Ende eines Baumstamms einschlagen – für den Betrachter entbehrt diese Übung nicht eines gewissen Nervenkitzels. Aber erfahrene Sportler sind darin geübt, die Risiken zu minimieren. US-Meister Matt Cogar räumt ein, auch schon ein-, zweimal abgerutscht zu sein.
"Normalerweise steige ich nicht auf Brett, wenn ich kein gutes Gefühl dabei habe. Wenn ich das Brett ins Pocket lege, steige ich nur drauf, wenn ich sehe, dass es funktioniert. Ich versuche, so sicherheitsbewusst wie möglich zu agieren. Bei diesem Sport gibt es eine Menge scharfer Objekte, daher muss man schon aufpassen."

"Hauptsache es ist laut und macht Krach"

Übung macht den Meister – diese Regel gilt für Timbersportler ebenso wie für Golfer oder Tenniscracks. Bei der WM in Posen gelingt es Jason Wynyard vor 5000 begeisterten Zuschauern, auf eindrucksvolle Weise seinen Weltmeistertitel zu verteidigen. Mit knappem Vorsprung von seinem Herausforderer, dem erst 20-jährigen Australier Brayden Meyer. Ein Sieg der Erfahrung über die Jugend.
"Ladies and Gentlemen, our new world champion – Mr. Jason Wynyard!!!"
Dirk Braun hat diesmal Pech. Zwar stellt er an der Motorsäge einen neuen Weltrekord auf. Aber nach einer Disqualifikation wegen eines Frühstarts landet er am Ende auf dem siebten Platz.
"Na, ich hab’s mir selbst versaut. Die Axt-Disziplinen sind nicht wirklich meine Stärke. Und an der Säge wollte ich’s eigentlich rausholen. Ich hab’s mir leider selbst versaut."
Zurück in Mellrichstadt – Ende des Schnuppertrainingstags. Zwölf zufriedene Teilnehmer posieren mit ihren selbst geschnittenen Holzscheiben für das Abschlussfoto. Matthias und seine beiden Brüder sind begeistert.
"Das mit der Axt war sehr gut, mit der Motorsäge natürlich, das war das Allerschönste, das war das Beste. Das ist immer schön laut, und das gefällt uns Männern ja bekanntlich. Scheißegal, was es ist, Hauptsache es ist laut und macht Krach."
Für Martin war eher die ehrliche Handarbeit mit der Axt besonders reizvoll.
"Das, wo man auf dem Holzstamm stand und den mit der Axt durchhauen sollte. Underhand Chop, genau, das hat auf jeden Fall gut Laune gemacht."
Auch wenn es an der Technik noch haperte.
"Am Anfang hat der Winkel nicht ganz gepasst. Da hab ich dann mehr Schläge gebraucht, als vorgesehen war. Aber wenn man nachher den Winkel von 45 Grad einhält, kommt man auch zu guten Ergebnissen."
Die meisten Nachwuchs-Holzfäller haben Blut geleckt und würden gern weitermachen. Stützpunktleiter Vielwerth stellt denen, die ihn und sein Team am meisten überzeugt haben, eine Fortsetzung in Aussicht.
"Diejenigen werden eingeladen zu nem so genannten Basistraining. Das ist so wie heut, aber 5 ,6, 7, 8 Underhand, mehr Single Buck Sägen, mehr Stock Saw und gleich viel Mittagessen… (Gelächter)"
Am Ende läuft es auf die ewig gleiche Herausforderung hinaus.
"… die Axt und du und der Holzblock. Und dann gilt’s, auf jeden Fall."
Mehr zum Thema