Galileos Augen

Von Thomas Migge |
Der berühmte italienische Astronom Galileo Galilei litt unter Sehproblemen. Ob diese Einschränkungen auch Auswirkungen auf seine wissenschaftlichen Erkenntnisse hatten, will nun eine Gruppe von italienischen und britischen Forschern anhand einer DNA-Analyse herausfinden.
"Er ist ganz in Weiß gekleidet und kniet. Vor einer Gruppe von Klerikern, die über ihn zu Gericht sitzen. Er soll von seinen Thesen abschwören, wonach sich die Erde um die Sonne dreht und nicht, wie die katholische Kirche lehrt, die Sonne um die Erde."

In Filmen wird der Gelehrte Galileo Galilei immer wieder als kräftiger älterer Mann dargestellt, der mit eindringlichen und scharfen Augen seine Zeitgenossen und den Himmel mustert: auf der Suche nach den wahren Kräften, die den Weltraum ausmachen und in Bewegung halten. In Wirklichkeit aber hatte der Astronom große Schwierigkeiten nicht nur mit der Kirche und ihren damals noch astronomisch engstirnigen Geistlichen, sondern auch mit seinen Augen, weiß Paolo Galluzzi, Direktor des staatlichen Wissenschaftsmuseums in Florenz:

"Traditionellen Überlieferungen zufolge sind die ersten Brillen im 14. Jahrhundert entstanden, in Pisa vermutlich. Es gibt Hinweise darauf, dass Galileo selbst solche Brillen benutzte, doch Darstellungen eines Galileo mit Brille existieren nicht. Wir wissen aber sehr wenig über die Sehprobleme des Wissenschaftlers. Was liegt da also näher als uns seine Augen vorzunehmen, sie zu untersuchen."
Nicht etwa nur, präzisiert Galluzzi, um herauszufinden, ob der berühmte Florentiner tatsächlich Brillenträger war oder nicht, sondern vor allem um feststellen zu können, ob Sehprobleme seine Sicht der himmlischen Dinge beeinträchtigten oder nicht. Die Frage ist also die: Sah Galileo in Wirklichkeit nur eine verzerrte Realität durch die von ihm selbst entwickelten und gebauten Teleskope, die in Galluzzis Museum aufbewahrt werden, verursacht durch eine mögliche Augenkrankheit?

"Galileo wusste, dass man mit konvexen Gläsern nicht nur besser das Firmament studieren kann. Er selbst ließ ja für seine Teleskope speziell solche Gläser anfertigen, und er wird sich auch Brillengläser gemacht haben. Schon deshalb, weil er in der zweiten Hälfte seines Lebens, vor allem nach 1610, erhebliche Sehprobleme hatte und während der letzten zwei Jahre vollkommen blind war. Die Augen und ihre Probleme Galileos sind bisher nie erforscht worden."

Die Frage nach Galileos Augenproblemen könnte von enormem Interesse für die Wissenschaft sein, meinen Galluzzi und britische Wissenschaftlerkollegen. Wenn man weiß, worunter seine Augen litten und wenn man eine Antwort auf die Frage erhält, was er mit ihnen überhaupt sehen konnte, dann wird es möglich sein, herauszufinden, was er beim Blick durch seine Teleskope tatsächlich sehen konnte.

Der Brite Peter Watson, er ist Präsident der Internationalen ophtalmologischen Akademie und Mitarbeiter an der Addenbroke Universitätsklinik in Cambridge hat die Handschrift Galileos untersucht. Watson ist davon überzeugt, dass der Italiener an einer einseitigen starken Kurzsichtigkeit oder an einer gefährlichen Augenentzündung litt. Haben diese Augenprobleme etwa zu Galileos Fehleinschätzungen geführt - wie zum Beispiel zu seiner Behauptung, wonach der Planet Saturn nicht rund sei?

Klarheit kann nur eine DNA-Analyse liefern. Dafür muss aber das Grab Galileos geöffnet werden.

Galileos leibliche Überreste ruhen in einer marmornen Gruft in der Florentiner Kirche Santa Croce. Zusammen mit dem Astronom liegen in dem marmornen Sarkophag, der von vielen Touristen besucht wird, sein Lieblingsschüler Vincenzo Viviani sowie eine anonyme Frau. Galluzzi vermutet, dass es sich um Maria Celeste handelt, eine seiner illegitimen Töchter. Der Direktor des Florentiner Wissenschaftsmuseums wartet derzeit auf die Genehmigung der Kirche, um den Sarkophag öffnen zu können:

"Wir brauchen für einen solchen DNA-Test nur einige Millimeter der Haut des Verstorbenen. Damit können wir Erkenntnisse über seine Sehprobleme gewinnen. Am Computer lässt sich dann rekonstruieren, was er durch seine Teleskope zu sehen bekam. Eine DNA-Probe kann uns viele Antworten geben."
Vorausgesetzt, die Kirche ist mit von der Partie und gibt die Genehmigung zur Öffnung der barocken Gruft. Und das ist alles andere als sicher. International für Aufsehen sorgte vor einigen Jahren die Erforschung der Florentiner Medici-Gräber. Die Grabkapelle blieb dafür monatelang geschlossen und konservative Kirchenkreise protestierten gegen diesen Grabfrevel. Nicht ausgeschlossen ist, dass sich auch im Fall Galileos kritische Stimmen aus der Kirche zu Wort melden, die Galluzzi und seinen britischen Kollegen einen Strich durch die Rechnung machen könnten.