Gänsehaut für die Ohren

Von Maria Riederer |
Sechs Chorleiter haben aus einem Schülerchor ein renommiertes Ensemble mit breit gefächertem Repertoire erschaffen. Ob Jazz, Swing oder A-Cappella-Hard-Rock - die dynamische, poppige Musik lockt neue Sänger an. Nachwuchsprobleme hat der Münchener Chor jedenfalls nicht.
In Baldham, einem Vorort von München, treffen sich jeden Sonntagabend die Sänger des Don Camillo-Chores. Rund 35 Mitglieder proben regelmäßig zusammen. Sie geben Konzerte, nehmen an Wettbewerben und Festivals teil und wurden schon mehrfach ausgezeichnet. So waren sie etwa Preisträger beim Deutschen Chorwettbewerb 2010 und beim Bayerischen Chorwettbewerb 2009. Aber auch in ihrem nächsten Umfeld, südöstlich von München, haben sie eine Menge Fans. Manche davon treten nach einem Konzert begeistert in den Chor ein. Und das hat seine Gründe.

Katharina Groth: "Ein Grund, warum ich hier anfangen wollte oder angefangen habe, ist natürlich das Repertoire, mit einer Mischung aus Jazz und Pop - und Swing. Und ein anderer Grund war die Qualität des Chores. Es ist zwar natürlich ein Amateurchor, aber das Niveau ist relativ hoch und es macht Spaß, da mitzumachen."

Katharina Groth singt im Alt und ist eines der neueren Mitglieder im Chor. Der Don Camillo Chor hat keine Probleme mit Nachwuchs: Musik und Besetzung sind jung und dynamisch – das lockt viele neue Sänger an. Auch die Altistin Melanie Kude, die sich bei einem Konzert vom Gänsehautgefühl hat locken lassen.

Melanie Kude: "Diese Gefühle, die da rüberkommen bei den Stücken, dass man wirklich nicht 40 Einzelpersonen hat, sondern da kommt eine große Stimme und das ist auch in den Proben so - ich gehe hier jedes Mal mit einem Lächeln raus."

Vor fast 20 Jahren fand sich eine kleine Gruppe von Schülern sich zusammen, um einen Gottesdienst in der Pfarrkirche in Baldham zu gestalten. Aber dabei blieb es nicht. Signe Faber, Sopran, ist eine Frau der ersten Stunde.

Signe Faber: "Ich war damals in der 13. Klasse, da haben wir ein Paar Nummern aus Sister Act einstudiert und es hat uns damals so viel Spaß gemacht, dass das eine regelmäßige Sache wurde. Und als wir gesagt haben: Gut, jetzt machen wir also einen richtigen Chor und geben Konzerte, musste natürlich ein Name her."

Don Camillo, der bekannte italienische Film-Pfarrer, der mit viel Humor fest im Leben steht, stand Pate bei der Namensgebung.

Faber: "Und mittlerweile muss man sagen, passt der Name nicht mehr so optimal zu unserem Programm. Vor allem in den letzten sieben, acht Jahren ging das doch deutlich in Richtung reine Unterhaltungs-Musik, aber irgendwie ist der Name geblieben, und wir haben den Namen auch sehr lieb gewonnen."

In der Kirche singt der Chor nur noch ganz selten, zum Beispiel bei einer Hochzeit. Dafür geben die Sänger Konzerte, treten auf Festivals und bei Wettbewerben auf. Der Chorleiter, Andrea Figallo ist an diesem Abend nicht da. Er ist Mitglied der Kölner a capella Band Wise Guys und teilt sich deshalb die Leitung des Don Camillo Chors mit Matthias Seitz.

Matthias Seitz: "Es funktioniert erstaunlich gut. Also, man kann es sich schlecht vorstellen, aber wir hatten bisher zweimal das Vergnügen, zusammen zu arbeiten bei einem Probenwochende und sprechen uns ab, was wir so machen. Andrea hat seine Stücke, an denen er arbeitet, ich hab meine Stücke, an denen ich arbeite, und wir fragen den anderen, was er meint, wie wir das machen wollen, jeder hat Vorschläge und dann entscheidet man eben, was man macht."

Aus einem Schülerchor in Eigenregie wurde über die Jahre - und mithilfe von sechs Chorleitern - ein gefragtes Ensemble mit breit gefächertem Repertoire. Pop, Jazz und Swing stehen ganz oben. Aber die Sänger lassen sich nicht gerne festlegen.

Seifert: "Don Camillo ist auch immer offen für Projekte, so haben wir auch schon chorübergreifend mit anderen Chören gearbeitet und mal ein Jazz-Requiem gemeinsam aufgeführt. Das sind natürlich tolle Projekte - insofern haben wir da vielleicht noch einiges Neues in den nächsten Jahren vor uns."

Faber: "Wir sind auch schonmal als Opernchor zum Einsatz gekommen. Cosi fan tutte haben wir da aufgeführt, also auch mit szenischen Darstellungen und Kostüm bisschen, das war sehr lustig."

Andreas Ettmayr: "Man hat sogar die Möglichkeit, selber mal mit einem Arrangement herzukommen und dem Chorleiter zu sagen: Pass auf, ich hab das gemacht, wollen wir das nicht gerade mal probieren - und wenn es gut ist, dann wird es auch aufgeführt."

Die ungewöhnliche Probenzeit am Sonntagabend ist Tradition seit Gründung des Chores. Tenor Andreas Ettmayr und Altistin Petra Seifert, pfeifen auf den Tatort:
Seifert: "... dafür gibt es Video, Internet ... Streamingportale - es ist tatsächlich so, dass man in der Regel - also ich zum Beispiel - sonntags nie etwas vorhabe. Da ist die Probe sehr willkommen, um sich nochmal bisschen Kraft zu holen für die nächste Woche."

Ettmayr: "Es war also jetzt auch immer so, wenn wir einen neuen Chorleiter gesucht haben, dass das eigentlich ganz oben auf der Liste stand, dass man diesen Termin einhalten kann."

Während der Chor das Schlaflied "Guten Abend, gut Nacht", arrangiert von Matthias Seitz, einstudiert, schleicht eine Mutter mit ihrem Baby zum Stillen nach draußen. Der Chor mit Sängern von 17 Jahren bis Ende 40 ist auf Mütter und Väter und Berufstätige eingestellt, die nicht immer nach Probenplan funktionieren können. Wer weiß, vielleicht sind die heute noch schlafenden Chorbabys bald selbst engagierte Sänger.

Ettmayr: "Ja, das kann natürlich uns relativ bald blühen, dass wir hier parallel einen Kinderchor aufziehen - das ist auch Buben und Mädchen recht gut gemischt, also das könnt durchaus was werden."

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.