"Gad Beck war ein kleiner Quecksilbertropfen sozusagen"

Von Peter Kaiser · 28.09.2012
Gad Beck, homosexueller Berliner Jude, Widerstandskämpfer während des Nationalsozialismus und später Leiter der Berliner jüdischen Volkshochschule, verstarb vor wenigen Wochen. Seine Quirligkeit und seine Unerschrockenheit bleiben unvergessen.
Gad Beck: "....und wenn die Amerikaner mich in New York einen Great Hero nannten habe ich gesagt: No, a Hero yes, but a little one..."

Nicola Galliner: "... und die kamen dann ins jüdische Gemeindehaus, und man sah, dass die dann dachten, ja, was machen wir denn hier, und was soll denn das, und da waren auch viele Kinder mit Migrationshintergrund..."

Film "Die Freiheit des Erzählens"
Sprecher: "...als junger schwuler Jude ist er in Berlin in den Untergrund gegangen, in den Widerstand..."

Frank Heibert: "Dass er dann nicht in den Folterkammern der Gestapo umgebracht wurde."

Nicola Galliner: "… und als der zu Ende war, hat man zwei Stunden die Kinder nicht mehr atmen gehört. Das war so packend, was er erzählt hat. Und zum Schluss haben alle verstanden, was Herr Beck durchgemacht hat."

Film "Die Freiheit des Erzählens"
Sprecher: "Aber auch eine Geschichte voller Wahrheit, Witz und Humor..."
Beck: "Stimmt überhaupt nicht, jetzt kommt die ganze Wahrheit raus."

Gad Beck, der eigentlich Gerhard hieß, war so manches in seinem Leben: Berliner, homosexuell, Jude, Chef der Untergrundgruppe "Hechaluz", später langjähriger Stadtbewohner von Tel Aviv, und darauf Leiter der Berliner jüdischen Volkshochschule. Vor diesen Bezeichnungen und Stationen eines Lebens kann man leicht etwas verwirrt stehen, wie etwa vor den Namensschildern an einem fremden Wohnhaus. Auf die Frage, wer Gad Beck wirklich war, sagt Frank Heibert, der Gad Becks Erinnerungen: "Und Gad ging zu David" 1995 herausbrachte...

"Er war ein kleiner Quecksilbertopfen sozusagen. Also ein kleiner Mann mit lebhafter Gestik, lebhafter Mimik, die Augen flitzten durch die Gegend, er hat viel gelacht oder gekichert, also er hat sich über sich selber lustig gemacht, er war einfach quirlig, wie ein Quecksilbertropfen."

Gad Beck, der 1923 in Berlin-Weißensee in eine jüdische Familie hineingeboren wurde, lernte früh flink, ernst und furchtlos zu sein.

"Er hatte keine Angst, er war wirklich furchtlos und unerschrocken, und das ist etwas, was er überspielt hat. Also er hat damit nicht angegeben, er hat es immer pragmatisch formuliert, auch berlinerisch in dieser Hinsicht. Also das war dann einfach dran, und dann hat man das gemacht."

Nicola Galliner, die nach Gad Beck die Jüdische Volkshochschule leitete und jetzt das Jüdische Filmfestival führt, setzt hinzu...

"Was ich so faszinierend fand, war dieses Lebensbejahende, das Positive, das Nicht-Verbittert-Sein, das Begeistertsein von den jungen Leuten, die gekommen sind, oder überhaupt, wenn er da Vorträge gehalten hat oder vor Publikum war, das war sein Element. War sehr schön..."

Sequenz aus Trailer "Die Freiheit des Erzählens"
Beck: "Ich war erschrocken. Nicht die Größe seines Geschlechtes, die war auch ganz schön groß..."

Gad ist zwölf Jahre alt, als er sein Coming Out hat. Die Familie nimmt das hin, in dieser Zeit haben Juden andere Sorgen. 1935 ist Gad Mitglied in der Jugendgruppe der zionistischen Organisation "Hechaluz", die auf das Leben in Palästina vorbereitet. Gad verliebt sich 1941 in Manfred, der 1942 deportiert wird. Von da an will er niemanden mehr verlieren, er geht in den Untergrund, schmuggelt aus der Schweizer Botschaft Geld und Papiere und hilft so anderen untergetauchten Juden. Seine Jugend ist dabei wie ein Schutzschirm einige Zeit lang.

"Und dementsprechend erst mal, und ich glaube auch relativ lange, tatsächlich deswegen unter dem Radar geflogen ist. Also das heißt, SA und SS wussten das so genau am Anfang noch gar nicht. Natürlich haben die dann irgendwann dann was spitz gekriegt, und so ist er ja dann auch am Schluss ins Gefängnis gekommen."

Und überlebt auch das, wenige Tage vor dem Kriegsende. Dann Tel Aviv, neue Lieben, lange Jahre. Bis ihn Heinz Galinski 1978 mit der Leitung der jüdischen Volkshochschule beauftragt.

"Ich denke, was er aufgebaut hat in der jüdischen Gemeinde, und auch grade diese Volkshochschule, habe ich in einer anderen Art und Weise, weil ich jünger bin, eine andere Generation bin, weitergeführt. Er hat eine fantastische Einrichtung aufgebaut. Und war auch circa 15 Jahre da."

In den 1990er-Jahren ist die Zeit aufregend, als wäre es davor ruhig gewesen. Seine Memoiren erscheinen, er ist Gast bei Alfred Biolek, dann ist er auf Lesereisen in dien USA. Sein Leben wird verfilmt....

"Den haben wir auch im jüdischen Filmfestival gezeigt. Da kam er genauso rüber, wie er auch im Leben war. Aber damals war er auch schon zu krank um zu kommen, und er war sehr lange krank, und hat schrecklich gelitten."

89 Jahre als ist er geworden, der Widerstandskämpfer, der kleine und große Held. Und wenn er auch gegangen ist - da ist er immer noch...

"Es war einfach ein so faszinierender und sprühender und funkelnder und auch mutwilliger Mensch, im Sinne von übermütig und witzig, dass das natürlich auch eine Lehre ist, dass man selber auch in ganz ernsten Situationen, ja, noch nach zwei oder drei mehr Wegen suchen kann und sollte. Und eben sich auch nicht so schnell einschüchtern lassen sollte."