Futtern in Games

Mit Essen spielt man doch

04:55 Minuten
Ein junger Mann spielt das Computerspiel "Pac Man" an einem Automaten in der Ausstellung "Nineties Berlin" in der Alten Münze in Berlin.
Sich durchfressen – eine der Hauptaktionen im Computerspiel "Pac-Man". Hier in der Ausstellung "Nineties Berlin" in der Alten Münze in Berlin. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Dennis Kogel · 23.09.2019
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In Pac-Man frisst sich die Spielfigur durch ein Labyrinth, in The Legend of Zelda freut sich der Held über sein Curry. Schon immer war Essen ein Thema in Computerspielen. In Berlin beschäftigt sich die Ausstellung "Mit Essen spielt man (nicht)" genauer damit.
Von außen muss das alles ziemlich lächerlich aussehen: Ein Truthahn läuft kluckernd dem Sonnenuntergang entgegen. Und dahinter: ich. Mit einer Axt. Hungernd. Geifernd.
Das ist Don’t Starve, zu deutsch: Verhungere nicht. Don’t Starve erschien 2013, wurde zum Hit und war mit verantwortlich für den Erfolg eines Genres, das Videospiele verändern sollte: Survival. Spiele, in denen das Stillen des eigenen Hungers zentraler Bestandteil war. Aber eigentlich war Essen schon immer ein wichtiger Teil der Videospiele.
"Weil (...) Essen in Computerspiele eine bestimmte Wirkung hat. Man sieht das, denkt es ist arbiträr, aber trotzdem fasziniert uns das mehr, als wenn es etwas anderes ist", sagt Mascha Tobe, Kuratorin am Computerspielemuseum in Berlin.
"Ich hatte heute ein Vollkornbrot mit Feta und Avocado zum Frühstück…"
Aber vor allem beschäftigt sie sich in ihrer neuen Sonderausstellung "Mit Essen spielt man (nicht)" mit der Geschichte des Essens in Videospielen. Und die ist beeindruckend lang. Nur ein paar Beispiele.
1980 frisst sich die Spielfigur Pac-Man durch ein Labyrinth voller Snacks und verschlingt Kirschen auf der Suche nach dem High-Score. 1992 hüpft wiederum Jump’n’Run Zool, ein Ninja, durch farbenfrohe Süßigkeitenwelten, damit Kinder an der Kasse nach einer ganz bestimmten Lutscher-Marke fragen. Und 2007 in Cooking Mama auf Nintendos Wii schütteln Spieler und Spielerinnen den Controller, um zu simulieren wie Kartoffeln geschält werden.
Schließlich sei alles immer komplexer geworden, so Tobe.

Essen im Spiel folgt oft einer kapitalistischen Logik

Heute verhungern wir in Survival-Spielen, kochen gemeinsam mit Freunden um die Wette im Party-Game Overcooked, zermanschen Donuts im Kunstprojekt Nour.
Gleichzeitig zeigt Tobes Ausstellung "Mit Essen Spielt man nicht" auch, welche begrenzte Funktion Essen im Spiel, aber auch in unserer gesellschaftlichen Wahrnehmung gespielt hat: Essen als Lebenspunktelieferant, also als pure Kalorie; Essen als Wirtschaftsware; Essen als Beruf. Essen im Spiel folgt oft einer kapitalistischen Logik: Essen ist Funktion, Essen ist Pflicht, Essen ist Treibstoff.
Aber wo bleibt da der Genuss?
"Da hat es seine Grenzen, was vielleicht daran liegt, olfaktorische Qualitäten im Computerspiel überhaupt zu vermitteln, da steht uns vielleicht noch eine tolle Entwicklung mit Virtual Reality bevor…"


Unwahrscheinlich. Eher bleibt zu hoffen, dass sich Spieleentwickler und Entwicklerinnen Inspiration von japanischen Spielen holen, in denen die Ästhetik, die Schönheit, der Genuss des Essens gefeiert wird. Etwa hier, in Monster Hunter World, wo Katzenköche Gerichte zubereiten, die mit schmelzendem Käse und tropfendem Bratensaft so köstlich aussehen, dass unlängst ein echtes Monster Hunter Restaurant in Tokio eröffnet wurde.
Ein Mann spielt das Computerspiel "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" auf der Gaming-Konsole Nintendo Switch.
In dem Computerspiel The Legend of Zelda: Breath of the Wild gibt es Lagerfeuer-Curry.© picture alliance / dpa / Andrea Warnecke
Oder wie genussvoll sich der Held in Zelda: Breath of the Wild auf den Bauch klopft, wenn sein Lagerfeuer-Curry besonders gelungen ist. Hier überwindet das Essen im Spiel High-Score-Logik. Das sind Momente, die viele auch in der echten Welt zu selten erleben. Mascha Tobe hofft derweil auf eine ganz andere Entwicklung.

Es fehlt die kritische Auseinandersetzung mit Essen

"Also dass es mehr Spiele gibt, die darauf aufmerksam machen wie sehr... Essen als Politikum… unser Körper als das, was wir der Gesellschaft zeigen, in Verbindung stehen, wie sehr beides voneinander abhängt und wie sehr das Druck auf Individuen ausüben kann."
Spiele, die unser Verhältnis zu Essen in Frage stellen. Die auch die politische Dimension des Essens zeigen. Kompliziert. Unangenehm. Definitiv kein Genuss. Kein Wunder, dass Spieleentwicklerinnen jahrelang lieber Pac-Man sorgenfrei Punkte-Pillen und Kirschen in sich hineinstopfen ließen, während wir den Gedanken über die Herkunft vom Euro-Steak beiseite schoben. Aber vielleicht ist das ja das nächste Level in der Videospielkultur: Nicht nur die bloße Abbildung von Essen, sondern die kritische Auseinandersetzung damit.

Die Ausstellung ist bis zum 29. März 2020 im Computerspielemuseum Berlin zu sehen.

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