Fußverkehr

Spazieren hilft der Wirtschaft

Zwei Passanten mit farbigen Regenschirmen gehen in Stuttgart über einen Zebrastreifen.
Gut zu Fuß: Auch im Alltag gehen wir mehr, als uns bewusst ist. © dpa / picture alliance / Sebastian Kahnert
23.12.2014
In den Feiertagen ist wieder Zeit für einen besinnlichen Spaziergang. Dabei ist Gehen nicht nur gesund, es bringt sogar die Wirtschaft in Schwung, wie Fußgängerforscher herausgefunden haben.
Autos, Flugzeuge, Bus, Bahn oder Fahrrad - Fortbewegungsmittel, die uns sofort einfallen, wenn wir an Verkehr denken. An den tagtäglichen Fußweg denken wir daher selten. Und das ist ein Fehler, sagt der Zürcher Verkehrsforscher Daniel Sauter:
"Menschen, wenn man sie fragt: Wie sind Sie jetzt gekommen? Dann sagen sie, sie seien mit dem Auto gekommen, obwohl sie schon eine halbe Stunde lang zu Fuß durch die Stadt gelaufen sind und eingekauft haben. Das Hauptverkehrsmittel ist für sie dann, wie sie in die Stadt gekommen sind und nicht, wie sie die letzte halbe Stunde verbracht haben. Das finde ich schon ein Phänomen, dass sich die Leute nicht selbst als zu Fuß gehend definieren, sondern über andere Verkehrsmittel."
Kein Wunder, dass der Fußgänger nicht nur in der Verkehrsplanung auf einen schmalen Gehweg am Straßenrand reduziert wird. Auch in der Verkehrsforschung wird er immer wieder an den Rand gedrängt:
"Nur was gezählt wird, zählt. Und den Fußverkehr hat man lange Zeit nicht adäquat gezählt. Das ist ein Grundproblem, weil hauptsächlich nach Distanzen gemessen wird oder Aussagen und Veröffentlichungen nach Distanzen vorgenommen werden. Wenn man aber die Zeit nimmt, so wissen wir, dass die meiste Zeit im Verkehr eben zu Fuß zurückgelegt wird."
Die jüngere Generation schätzt den Fußverkehr
Allzu gern wird das zu Fuß gehen mit Spazierengehen gleichgesetzt, gilt sozusagen als "Schön-Wetter-Verkehr". "Dahinter steckt eine gewisse Absicht", sagt Jörg Thiemann-Linden vom Deutschen Institut für Urbanistik.
"Lange Zeit wurde das Thema Fußgänger gar nicht verfolgt von Verkehrswissenschaft und Planung, denn es steckt ja auch keine Verkehrsbranche dahinter, die damit Geld verdient. Und Aktualität gewinnt es insofern, als sich die Verkehrswissenschaft über Jahrzehnte daran gewöhnt hat, dass die Leute immer weniger zu Fuß sind. Und da ist das Interessante, dass wir da seit wenigen Jahren eine Trendwende offensichtlich haben. Es ist vor allem die jüngere Generation, die die urbane Lebensweise von Schlendern und Stehenbleiben wieder neu schätzt und das drückt sich auch in der Statistik aus, dass die Leute jetzt mehr zu Fuß gehen."
Das Bundesverkersministerium hat genau das auch in einer bundesweiten Studie festgestellt. Es gibt eine Trendwendel: Während der motorisierte Verkehr nach langem, kontinuierlichen Aufstieg seit 1998 leicht abnimmt, legt der lange rückläufige Fußgängerverkehr im selben Zeitraum leicht zu. Von Stadt zu Stadt und von Stadtteil zu Stadtteil gibt es große Unterschiede.
"Dass es Städte gibt, wo sehr viel zu Fuß gegangen wird, hat auch was damit zu tun, ob es da interessant ist rumzulaufen. Und dann gibt es andere Städte, die sehr wenig Fußgängerverkehr haben und generell kann man sagen, in den Vororten, in den Suburbs, den Einfamilienhausteppichen, da wird weniger zu Fuß gegangen, was sich auch ausdrückt darin, dass bestimmte Zivilisationskrankheiten da auch häufiger sind."
Parkplätze in Innenstädten eher hinderlich
Gesundheit ist ein Aspekt, der für das zu Fuß gehen spricht. Dagegen wird aber immer wieder der Einzelhandel angeführt: Wenn man mit dem Auto nicht bis vors Geschäft fahren und dort auch gleich parken kann, ist das schlecht für die örtliche Wirtschaft. Dieser Argumentation steht Jörg Thiemann-Linden vom DifU skeptisch gegenüber:
"Das ist eine Schablone, die von Teilen des Einzelhandels immer wieder hochgehalten wird. Aber wenn man dann mal genauer hinschaut, sieht man sehr oft, dass die Einzelhändler die Fußgängerkunden unterschätzen, dass vielleicht doch mehr Leute aus der direkten Umgebung kommen oder in der Mittagspause mal kurz einkaufen kommen und dass sie ganz offensichtlich den Anteil der Leute, die aus dem Umland der Städte mit dem Auto reinfahren, überschätzen."
Die Lebensqualität in den Städten hängt auch mit den Möglichkeiten für Fußgänger zusammen. Die haben nämlich einen direkten Einfluss auf die Einzelhandelsentwicklung in der jeweiligen Innenstadt. Die Gleichung "Mehr Parkplätze, gleich mehr Umsätze" stimmt dagegen vielerorts nicht mehr. Daniel Sauter:
"Früher hat man gesagt, die Innenstadt braucht möglichst viele Parkplätze. Inzwischen sagt man, die Parkplätze sind eher hinderlich. Man möchte viel mehr, dass die Leute sich draußen aufhalten können. Das ist Lebensqualität, das ist Stadtqualität. Die zu Fuß Gehenden machen eigentlich die Stadtqualität aus."
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