Fußballjournalist zum Eklat bei Schalke 04

"Es ist lupenreiner Alltagsrassismus"

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Clemens Tönnies steht in der rechnten Ecke auf der Mitgliederversammlung 2019 des FC Schalke 04 in Gelsenkirchen am 30.06.2019.
Argumentierte vor Handwerkern am rechten Rand: Schalkes Tönnies. © imago images / DeFodi
Philipp Köster im Gespräch mit Nicole Dittmer · 02.08.2019
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Schalke-Boss Clemens Tönnies hat mit rassistischen Äußerungen für einen Eklat gesorgt. Doch so richtig scheint sich kaum jemand darum zu scheren, sagt Philipp Köster, Chefredakteur des Fußballmagazins "11 Freunde", über den Fall: "Die Aufarbeitung ist mangelhaft."
Eigentlich sollte Clemens Tönnies nur auf einer Festveranstaltung zum Tag des Handwerks sprechen. Der Fußballboss hatte für die Finanzierung von Kraftwerken in Afrika geworben und dann gesagt: "Dann würden die Afrikaner aufhören, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren."
Mittlerweile hat sich Tönnies für seine Äußerungen entschuldigt, als Vorsitzender des Aufsichtsrats des FC Schalke 04 stehe er 1.000-prozentig hinter den Vereinswerten. Dazu gehöre der Einsatz gegen Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung, teilte er mit. Die Empörung indes bleibt. Bisher sei Tönnies in der Öffentlichkeit nicht durch rassistische Äußerungen aufgefallen, sagt Philipp Köster, Chefredakteur des Fußballmagazins "11 Freunde". Er sei zwar für seine saloppe Sprache bekannt, habe sich aber nicht alltagsrassistisch geäußert.
"Es ist merkwürdig, dass er, der schon viele Reden gehalten hat und der natürlich auch wusste, dass diese Rede nicht im geschlossenen Kreis stattfindet, sondern von vielen Leuten gehört werden würde, dass er sich dann zu solchen Stereotypen verstiegen hat. Es ist lupenreiner Alltagsrassismus: Dieses Klischee vom sexwütigen Afrikaner", so Köster. "Insofern ist es fast bei der Intelligenz, die Clemens Tönnies unzweifelbar hat, eigentlich eine dumme Entgleisung."

Kritik von Ex-Spieler Hans Sarpei

Auch der in Ghana geborene Hans Sarpei, Mitglied bei Schalke und Ex-Spieler, äußert sich auf Twitter kritisch und spricht von einem Weltbild, das an die Kolonialzeit erinnere. Er fordert, dass der Ehrenrat über Konsequenz beraten solle.
"Ich glaube, was Hans Sarpei vor allem erzürnt hat, ist die Krisenbewältigung", sagt Köster. Das Zurückrudern von Tönnies sei halbherzig, findet er: "Dann natürlich auch noch die Versuche, diese ganze Diskussion im Keim zu ersticken, ohne dass man das Gefühl hätte, dieser Vorfall ist richtig reflektiert worden. Da konnte ich schon sehr gut verstehen, dass Hans Sarpei dann gesagt hat: 'Leute, so geht das nicht, ihr müsst anders damit umgehen, wenn ihr gleichzeitig als Verein für Antirassismus steht.'"

"Aufarbeitung mangelhaft"

Schalke wolle das Thema schnell abhaken. "Das funktioniert nur nicht, weil man sich tatsächlich auch mal fragen könnte, warum Clemens Tönnies nicht erstmal bei all denen, die er da beleidigt hat, um Entschuldigung bittet", so Köster. "So hat man das Gefühl, man ist an Kommunikation gar nicht interessiert. Clemens Tönnies hat sich gar nicht damit auseinandergesetzt, warum ihm das eigentlich rausgerutscht ist."
Die Aufarbeitung des Vereins sei bisher "mangehalft", er müsse sich intensiver und ehrlicher mit der Problematik beschäftigen. "Ob man Tönnies gleich zum Rücktritt zwingen muss, wage ich zu bezweifeln, aber zumindest eine ehrliche, offene und selbstkritische Auseinandersetzung", hält Köster für wünschenswert.
(nho)
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