Fußballdrama "Der rote Löwe" in Osnabrück

    Theater in der Spielerkabine

    Die Regisseurin Leonie Kubigsteltig
    Die Regisseurin Leonie Kubigsteltig hat zehn Jahre in England gelebt, im Mutterland des Fußballs. © Deutschlandradio / Matthias Horn
    Leonie Kubigsteltig im Gespräch mit Matthias Horn · 24.03.2017
    Was haben Theater und Fußball gemeinsam? Es gebe unendlich viele Parallelen, meint die Regisseurin Leonie Kubigsteltig. Sie inszeniert das Fussballdrama "Der rote Löwe" in der Spielerkabine des VfL Osnabrück - und erklärt, warum beides die "Sehnsucht nach etwas Heiligem" sein kann.
    Wie ist die Idee entstanden, "Der rote Löwe" zu inszenieren?
    Die Idee stammt von Dominique Schnizer, der ein großer Fußballfan ist und mich ans Theater Osnabrück geholt hat, um das Stück zu inszenieren. Das Theater Osnabrück liegt direkt gegenüber des Diözesanmuseums, dessen Direktor Hermann Queckenstedt zugleich Präsident des VfL ist. Es gab bereits frühere Zusammenarbeiten zwischen Theater und Museum. Diese Kooperation verbindet also Fußball, Religion und Theater nicht nur symbolisch sondern auch strukturell. Ich habe das Angebot daher mit Freude angenommen und bin direkt nach London geflogen, um den Autor Patrick Marber zu treffen. Er ist ebenfalls begeistert von der Idee, das Stück in einer Spielerkabine des VfL zu zeigen.
    Worum geht es in dem Stück?
    Für mich geht es um nichts weniger als das Überleben. Da sind drei Männer aus drei Generationen, die im Fußball zwar kaum überleben können, aber ohne Fußball erst recht wirtschaftlich und seelisch verloren sind. Fußball ist ihre Überlebensstrategie. Auf der Figurenebene geht es um die Beziehungen zwischen Trainer, Zeugwart und Spieler, die hochkomplex und ambivalent sind wie Vater-Sohn Beziehungen, und es geht um Vertrauen und Verrat.
    Ein junger Spieler kommt in einen semi-professionellen Verein und wird zum Hoffnungsträger. Es gibt die Möglichkeit, ihn zu halten und moralisch an sich und den Club zu binden oder die Möglichkeit, ihn zu Kapital zu machen und nebenbei die eigene Karriere voranzutreiben. Auf abstrakter Ebene geht es um eine romantische Idee vom Fußball wie er vermeintlich einmal war: ein Ort des Zusammenhalts, der reinen selbstlosen Liebe zum Spiel, zum Verein und der Gemeinde.
    Dagegen steht die Realität des Fußballs als Millionengeschäft. Noch weiter gefasst geht es auch um eine romantisierte Idee von England, welche sich ebenfalls über Zusammenhalt und Community definiert. Für uns nicht leicht ersichtlich, die wir mit kontinentaleuropäischer Perspektive auf die Insel und den Brexit blicken, aber im Selbstverständnis und Nationalverständnis Englands durchaus vorhanden. Damit hängt auch der Titel des Stücks "Der Rote Löwe" zusammen.
    Warum ist "Der rote Löwe" ausgerechnet in einer Spielerkabine des Fußballstadions in Osnabrück zu sehen?
    Das Stück selbst ist so geschrieben, dass es durchweg in einer Spielerkabine spielt und diesen Ort nicht verlässt. Daher ist es ein naheliegender und dennoch guter Gedanke, es direkt in der Heimkabine zu spielen. Mich persönlich interessiert an dieser Spielsituation ein gewisser Hyperrealismus, eine Art überscharfe Realität. Ich arbeite mit dem, was ich dort vorfinde. Wir bauen nichts nach und bauen da auch nichts rein. Die Veränderungen werden so minimal sein, dass man sie nach Möglichkeit nicht als solche wahrnimmt. Auch nehme ich ein Interesse des VfL und des DFB wahr, sich mit Themen wie Nachwuchsförderung und Korruption kritisch auseinander zu setzen. Das Stück wird im Anschluss auch in Partnerschulen des VfL und DFB zu sehen sein.
    Was erwartet den Theaterbesucher in der Spielerkabine?
    Es erwartet ihn die einmalige Chance, eineinhalb Stunden auf einem Spielerplatz zu verbringen. Es wird etwas eng werden, aber dafür ist man so nah dran, als würde man bei einem Fußballspiel direkt an der Seitenlinie stehen. Es ist vielleicht der Situation des Besuchers bei einem Fußballspiel wirklich nicht ganz unähnlich. Die Energie auf dem Spielfeld wird nicht unwesentlich durch die Fans mit erzeugt und befeuert, und dennoch agieren die Spieler nach der inneren Logik des Spiels. Die Projektionen und Bewertungen erfolgen von außen, in der Betrachtung und im Kommentar. Genau wissen wir noch nicht, was passieren wird, wenn wir uns diesen Raum plötzlich mit gut 30 Leuten teilen. Darauf bin ich gespannt.
    Sie haben selbst zehn Jahre in England gelebt, im Mutterland des Fußballs. Hat die Erfahrung dort ihre Arbeit beeinflusst?
    Ja, natürlich. Ich kenne die Milieus und ich habe eine Affinität zu britischer neuer Dramatik. Ich habe zunächst in Leeds eine zeitgenössische Tanzausbildung absolviert und dann viele Jahre in London gelebt und als Regisseurin gearbeitet. Ich habe zur der Zeit den englischen Fußball nicht verfolgt, meine Erinnerungen an für mich bedeutsame Spiele stammen eher aus der Kindheit. Es beeinflusst meine Arbeit besonders dahingehend, dass ich eine emotionale Beziehung zu England habe, dass ich dort auch sozialisiert bin und dass es einen großen Abschied bedeutet hat, nach Deutschland zurückzukehren.
    Abschied ist auch ein starkes Motiv in dem Stück "Der Rote Löwe". Es ist eine schöne Erfahrung ein Stück zu inszenieren, welches Patrick Marber zusammen mit dem Regisseur Ian Rickson entwickelt hat. Ian Rickson war für meine Entwicklung als Regisseurin sehr wichtig, ich habe über einen längeren Zeitraum mit ihm in London gearbeitet. Es ist ein großer Zufall, dass ich jetzt gerade dieses Stück in Deutschland inszeniere. Das verbindet mich in meiner Vorstellung auch mit Menschen, die ich sehr mag.
    Es gibt immer häufiger das Thema Fußball im Theater: "Peng! Peng! Boateng!" war im Heimathafen Berlin-Neukölln zu sehen, im Deutschen Theater in Berlin gibt es eine Gesprächsreihe zum Thema Fußball und nun ihre Inszenierung in Osnabrück. Haben Sie eine Erklärung dafür?
    Das kann ich nicht wirklich beantworten. Parallelen gibt es natürlich unendlich viele zwischen Fußball und Theater aber ob das wirklich der Grund ist? Eine Figur aus dem Stück würde es so beantworten: "Wir brauchen die Sehnsucht nach etwas Heiligem". Sei es nun Fußball oder Theater.
    Die Inszenierung von "Der rote Löwe" war auch Thema in der Sendung "Studio 9" am 24.03.2017.

    "Der rote Löwe" ist an folgenden Terminen im Stadion an der Bremer Brücke in Osnabrück zu sehen: 24.03., 28.03., 29.03., 6.04., 11.04., 20.04., 27.04. und 28.04. - weitere Informationen gibt es hier.