Fußball mit Geschichte
Das 800. Länderspiel hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit 4:0 gegen die Schweiz gewonnen. Bereits vor 100 Jahren, beim ersten Auftritt, spielte die deutsche Elf gegen dasselbe Land. Dietrich Schulze-Marmeling blickt auf einer CD-Rom auf die "Geschichte der deutschen Nationalmannschaft" zurück.
Zwei Jahre ist das nun schon her, das "Sommermärchen". Einer der ersten Höhepunkte der WM 2006 war das 1:0 der Deutschen Elf gegen Polen:
"Odonkor, und jetzt ist es da, Oliver Neuville, und das ist hoch verdient für das deutsche Team, in der ersten Minute der Nachspielzeit, und hier spielen sich unbeschreibliche Szenen ab"
Der erste offizielle internationale Auftritt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, am 5. April 1908 in Basel gegen die Schweiz, weckte bei weitem nicht so viele Emotionen.
"Die Organisation im Vorfeld war haarsträubend. Die nach Basel eingeladenen Spieler hatten lediglich über die Tagespresse von ihrer Berufung erfahren und waren ansonsten weitestgehend im Unklaren gelassen worden."
Acht Jahre nach der Gründung des Deutschen Fußball-Bundes gab es das Amt des Nationaltrainers noch gar nicht und ausgewählt wurden nicht die besten Spieler - die Landesverbände durften bestimmte ihnen zugeteilte Positionen besetzen. Die Spieler, die sich untereinander kaum kannten, hatten kein einziges mal zusammen trainiert.
"Sportlich schlug sich die bunt zusammengewürfelte Mannschaft - die elf Akteure repräsentierten elf verschiedene Vereine aus neun Städten, - durchaus achtbar und ging nach fünf Minuten sogar mit 1:0 in Führung."
Der Endstand vor 4000 Zuschauern lautete 5:3 – für die Schweiz.
"Einige Quellen behaupten, die hohe Zuschauerzahl sei der Tatsache zu verdanken gewesen, dass es für jede anwesende Dame eine Tafel Schokolade gegeben habe, dafür gibt es allerdings keine Belege"
Die CD-Rom "Die Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft", herausgegeben von Dietrich Schulze-Marmeling, ist weit mehr als eine Ansammlung von Anekdoten. Kenntnisreich wird die Entwicklung des deutschen Fußballs von seinen Anfängen an nachgezeichnet. Volkssport wurde Fußball erst nach dem ersten Weltkrieg, in den Zwanzigerjahren. Der "Bürgersport" entwickelte sich zum "Proletarier Vergnügen."
"Wo vor dem Krieg noch feiner Stoff und Zylinder die Zuschauerränge beherrscht hatten, traf man nun auf eine bunte Mischung aus abgewetzten Jackets, Schiebermützen und Bowler-Hüten. Wo es bis 1914 noch ruhig und zurückhaltend zugegangen war, herrschte nun laute Aufregung, wurden Fahnen geschwenkt, waren Tröten und Gesänge zu hören."
Während der NS-Zeit wurde auch Fußball politisch instrumentalisiert, ohne dass sich der DFB dagegen gewehrt hätte.
"Die Nationalelf war einem erhöhten Erfolgsdruck ausgesetzt, denn in Kriegszeiten war Verlieren kontraproduktiv und sozusagen 'verboten'. Siege hingegen wurden als Ausdruck der Überlegenheit der arischen Rasse angesehen und wurden propagandistisch entsprechend ausgeschlachtet."
Die Buch-Ausgabe der "Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft" umfasst rund 670 Seiten. Die CD-Rom-Version passt auf eine Scheibe und hat den Vorteil, dass sich leichter und schneller recherchieren lässt. Per Volltextsuche: Beckenbauer kommt auf 427 Treffer, Klinsmann auf 358, alle bequem mit der Maus ansteuerbar. Sepp Herberger wird 245 mal erwähnt, Helmut Rahn 120 mal:
"… aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt – Toooor! Toooor! Toor! Toor!"
Audios und Videos sind nicht auf der CD-Rom, die gibt es ja inzwischen ausreichend im Netz, bei Youtube etwa. Dort findet sich das "Wunder von Bern", mit dem der Aufstieg Deutschlands zur internationalen Fußballmacht begann, genauso wie das entscheidende Tor 1974 in München, im WM-Finale gegen Holland:
" … und prompt ist der Ball bei Bonhof gelandet, zieht jetzt im 16 Meterraum zur Mitte, da kommt der Ball zu Müller, der dreht sich um die eigene Achse und Tor! Tor durch Gerd Müller!"
Die Begeisterung, mit der dieser zweite WM-Titel in Deutschland gefeiert wurde, fiel allerdings deutlich geringer aus als 1954.
Christiane Eisenberg: "Nach der Studentenbewegung und vor dem Hintergrund der Entspannungspolitik der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt waren nationalistische Äußerungen jeder Art verpönt. Ebenso wie das Publikum eine dem Finale vorangehende Niederlage gegen die DDR klaglos hinnahm, entfachte auch der glückliche Titelgewinn keine Leidenschaften."
"Die Mauer auf dem Platz" – so ist das Kapitel über die DDR-Nationalelf überschrieben, die abgesehen von einem Gold bei der Olympiade 1976 eher glücklos agierte. Das letzte Länderspiel der DDR fand am 12. September 1990 statt, ein 2:0 Sieg in Belgien.
"Überragender Akteur war Matthias Sammer, der beide Treffer markierte. Sein Verein hieß in jenen Tagen schon VfB Stuttgart ... "
Die Grundlage für die großen Erfolge der bundesdeutschen Nationalelf sieht Dietrich Schulze-Marmeling, der Herausgeber der Chronik, in der Professionalisierung des Vereinsfußballs. Eine Entwicklung, die gleichzeitig zu einem Bedeutungsverlust der DFB-Auswahl führte:
"Mit den international agierenden Topadressen des deutschen Ligafußballs – vor allem dem FC Bayern München – erwuchsen ihr ernsthafte Konkurrenten, die sich nicht mehr einfach den Interessen der Nationalauswahl unterordnen ließen."
Vogts, Ribbeck, Völler – erst Klinsmann und Löw konnten die Nationalelf zu neuem Leben erwecken:
"Nach Phasen der sportlichen Krise und des Imageverlustes scheint sich »Deutschlands liebstes Kind« gleichsam selbst neu erfunden zu haben – pünktlich zu seinem 100. Geburtstag."
CD-Rom "Die Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft"
Herausgegeben von Dietrich Schulze-Marmeling
Directmedia Publishing, 2008, 14,90 EUR
"Odonkor, und jetzt ist es da, Oliver Neuville, und das ist hoch verdient für das deutsche Team, in der ersten Minute der Nachspielzeit, und hier spielen sich unbeschreibliche Szenen ab"
Der erste offizielle internationale Auftritt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, am 5. April 1908 in Basel gegen die Schweiz, weckte bei weitem nicht so viele Emotionen.
"Die Organisation im Vorfeld war haarsträubend. Die nach Basel eingeladenen Spieler hatten lediglich über die Tagespresse von ihrer Berufung erfahren und waren ansonsten weitestgehend im Unklaren gelassen worden."
Acht Jahre nach der Gründung des Deutschen Fußball-Bundes gab es das Amt des Nationaltrainers noch gar nicht und ausgewählt wurden nicht die besten Spieler - die Landesverbände durften bestimmte ihnen zugeteilte Positionen besetzen. Die Spieler, die sich untereinander kaum kannten, hatten kein einziges mal zusammen trainiert.
"Sportlich schlug sich die bunt zusammengewürfelte Mannschaft - die elf Akteure repräsentierten elf verschiedene Vereine aus neun Städten, - durchaus achtbar und ging nach fünf Minuten sogar mit 1:0 in Führung."
Der Endstand vor 4000 Zuschauern lautete 5:3 – für die Schweiz.
"Einige Quellen behaupten, die hohe Zuschauerzahl sei der Tatsache zu verdanken gewesen, dass es für jede anwesende Dame eine Tafel Schokolade gegeben habe, dafür gibt es allerdings keine Belege"
Die CD-Rom "Die Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft", herausgegeben von Dietrich Schulze-Marmeling, ist weit mehr als eine Ansammlung von Anekdoten. Kenntnisreich wird die Entwicklung des deutschen Fußballs von seinen Anfängen an nachgezeichnet. Volkssport wurde Fußball erst nach dem ersten Weltkrieg, in den Zwanzigerjahren. Der "Bürgersport" entwickelte sich zum "Proletarier Vergnügen."
"Wo vor dem Krieg noch feiner Stoff und Zylinder die Zuschauerränge beherrscht hatten, traf man nun auf eine bunte Mischung aus abgewetzten Jackets, Schiebermützen und Bowler-Hüten. Wo es bis 1914 noch ruhig und zurückhaltend zugegangen war, herrschte nun laute Aufregung, wurden Fahnen geschwenkt, waren Tröten und Gesänge zu hören."
Während der NS-Zeit wurde auch Fußball politisch instrumentalisiert, ohne dass sich der DFB dagegen gewehrt hätte.
"Die Nationalelf war einem erhöhten Erfolgsdruck ausgesetzt, denn in Kriegszeiten war Verlieren kontraproduktiv und sozusagen 'verboten'. Siege hingegen wurden als Ausdruck der Überlegenheit der arischen Rasse angesehen und wurden propagandistisch entsprechend ausgeschlachtet."
Die Buch-Ausgabe der "Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft" umfasst rund 670 Seiten. Die CD-Rom-Version passt auf eine Scheibe und hat den Vorteil, dass sich leichter und schneller recherchieren lässt. Per Volltextsuche: Beckenbauer kommt auf 427 Treffer, Klinsmann auf 358, alle bequem mit der Maus ansteuerbar. Sepp Herberger wird 245 mal erwähnt, Helmut Rahn 120 mal:
"… aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt – Toooor! Toooor! Toor! Toor!"
Audios und Videos sind nicht auf der CD-Rom, die gibt es ja inzwischen ausreichend im Netz, bei Youtube etwa. Dort findet sich das "Wunder von Bern", mit dem der Aufstieg Deutschlands zur internationalen Fußballmacht begann, genauso wie das entscheidende Tor 1974 in München, im WM-Finale gegen Holland:
" … und prompt ist der Ball bei Bonhof gelandet, zieht jetzt im 16 Meterraum zur Mitte, da kommt der Ball zu Müller, der dreht sich um die eigene Achse und Tor! Tor durch Gerd Müller!"
Die Begeisterung, mit der dieser zweite WM-Titel in Deutschland gefeiert wurde, fiel allerdings deutlich geringer aus als 1954.
Christiane Eisenberg: "Nach der Studentenbewegung und vor dem Hintergrund der Entspannungspolitik der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt waren nationalistische Äußerungen jeder Art verpönt. Ebenso wie das Publikum eine dem Finale vorangehende Niederlage gegen die DDR klaglos hinnahm, entfachte auch der glückliche Titelgewinn keine Leidenschaften."
"Die Mauer auf dem Platz" – so ist das Kapitel über die DDR-Nationalelf überschrieben, die abgesehen von einem Gold bei der Olympiade 1976 eher glücklos agierte. Das letzte Länderspiel der DDR fand am 12. September 1990 statt, ein 2:0 Sieg in Belgien.
"Überragender Akteur war Matthias Sammer, der beide Treffer markierte. Sein Verein hieß in jenen Tagen schon VfB Stuttgart ... "
Die Grundlage für die großen Erfolge der bundesdeutschen Nationalelf sieht Dietrich Schulze-Marmeling, der Herausgeber der Chronik, in der Professionalisierung des Vereinsfußballs. Eine Entwicklung, die gleichzeitig zu einem Bedeutungsverlust der DFB-Auswahl führte:
"Mit den international agierenden Topadressen des deutschen Ligafußballs – vor allem dem FC Bayern München – erwuchsen ihr ernsthafte Konkurrenten, die sich nicht mehr einfach den Interessen der Nationalauswahl unterordnen ließen."
Vogts, Ribbeck, Völler – erst Klinsmann und Löw konnten die Nationalelf zu neuem Leben erwecken:
"Nach Phasen der sportlichen Krise und des Imageverlustes scheint sich »Deutschlands liebstes Kind« gleichsam selbst neu erfunden zu haben – pünktlich zu seinem 100. Geburtstag."
CD-Rom "Die Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft"
Herausgegeben von Dietrich Schulze-Marmeling
Directmedia Publishing, 2008, 14,90 EUR