Die meisten von ihnen trafen anfangs zwar nicht einmal den Ball, aber nach ein paar Wochen schon wurde das erheblich besser und das war schön zu sehen.
Fußball für Kinder mit Autismus
Alleinsein hat viele Facetten, auch negative. Fußball kann helfen. © IMAGO / BSIP / IMAGO / GRANDJEAN / BSIP
Reizarm am Ball
06:20 Minuten
Äußere Reize zu verarbeiten, fällt Autisten schwer. Seit 2015 gibt es beim niederländischen Fußballclub VV Hoogeveen das so genannte "Auti- Team" für Kinder mit Autismus. Einmal wöchentlich rollt für sie der Ball, angepasst an ihre Bedürfnisse.
Hoogeveen in der niederländischen Region Drenthe, etwa fünfzig Kilometer westlich vom emsländischen Meppen entfernt. Hinter der Tribüne im Stadion Bentickspark brennt das Flutlicht auf einem der entfernteren Kunstrasenplätze für ein kleine Trainingsgruppe von etwa elf Jungen. Immer an Freitagen sind sie hier, wenn außer ihnen niemand trainiert. Dann ist es ruhig genug für die Autisten-Mannschaft des VV Hoogeveen. Vor acht Jahren fragte eine junge Frau, die beruflich mit autistischen Kindern und Jugendlichen arbeitet, den Vereinsvorsitzenden Carlo van der Weij, ob es möglich sei, eine Mannschaft mit Autisten zu gründen.
„Ich war sehr neugierig, wie sie das machen wollen würde und wie das klappen könnte“, erinnert sich van der Weij. „Ich denke, dass auch Kinder mit Autismus soziale Kontakte brauchen. Und ich bin ein Freund des Mannschaftssports, also gaben wir ihr die Möglichkeit. Ich denke, es ist immer eine gute Entscheidung, wenn man der Gesellschaft helfen kann. Für alle Kinder sollte ein Platz in einer Mannschaft sein.“
Diese Entscheidung sollten weder der Verein noch sein Vorsitzender bereuen.
Diese Entscheidung sollten weder der Verein noch sein Vorsitzender bereuen.
Geduld ist der Schlüssel
Mittlerweile leitet Ruben Timmerman das Training des so genannten „Auti- Teams“ und hat sich auch jenseits des Platzes in das Thema Autismus eingearbeitet und fortgebildet.
„Es ist im Grunde, wie mit anderen Kindern umzugehen. Du musst ein wenig geduldig sein. Denn manchmal klappt etwas nicht und dann werden sie wütend. Und ich lasse sie dann einfach in Ruhe. Sage ihnen nicht, Du musst dieses oder jenes machen. Lasse sie einfach in Ruhe und sie kommen dann wieder. Der Schlüssel ist, geduldig zu sein. Sehr geduldig.“
Am Rande des Trainingsplatzes stehen die Mütter und Väter einiger Kinder. Wie zum Beispiel Edward, dessen Sohn vor anderthalb Jahren hierhergekommen ist.
„Am Anfang war das schwierig, weil er ganz nervös ist bei anderen, weil er das nicht kannte. Bei ihm muss alles bekannt sein. Und hier ist alles neu. Jedes der Kinder hat eine andere Form von Autismus. Und jedes reagiert anders aufeinander. Aber nach Lob und Zeit geht das viel besser und jetzt ist das super.“
Für Kinder mit Autismus sind feste Strukturen hilfreich. Und möglichst wenige „Prikkels“, das ist das niederländische Wort für „Reize“, sollten auf ein autistisches Kind einwirken. Edwards Sohn war zuvor in einem anderen Verein mit Gleichaltrigen in einer regulären Mannschaft.
Feste Strukturen helfen
Die Altersunterschiede in der Trainingsgruppe zwischen neun und 19 Jahren scheinen keine Rolle zu spielen. Der Autismus eint, auch wenn er sich bei jedem von ihnen unterschiedlich zeigt. Das Autisten-Team bei VV Hoogeveen hat die Corona-Pandemie überstanden. Es hat wieder mehr Zulauf. Zuvor gab es noch Trainingsgruppen in Meppel und in Assen, jeweils eine halbe Autostunde entfernt.
Ein Spiel gegen andere Autisten beinhaltet das Risiko der Reizüberflutung – allein schon, weil man sich tagsüber treffen müsste und dann mehr Betrieb auf der Sportanlage wäre. Dennoch: Mal einen Wettstreit zu haben statt nur Training, das wäre ein Ziel, sagt Hoogeveens Vorsitzender Carlo van der Weij. Der durchaus verbreiteten Ansicht, dass für Autisten ein Individualsport geeigneter wäre, mag man sich ausdrücklich nicht anschließen. Beweist man doch allwöchentlich das Gegenteil, ganz in Ruhe auf dem Trainingsplatz hinterm Stadion.