Fußball

Bundesliga-Fieber in Ostwestfalen

FC Paderborn: Vereinspräsident Wilfried Finke am 11.05.2014
Vereinspräsident Wilfried Finke (lks.) © picture alliance / dpa / Oliver Krato
Von Günter Herkel · 17.08.2014
Dem SC Paderborn werden in der Bundesliga kaum Chancen eingeräumt. Die Ostwestfalen haben einen Mini-Etat von voraussichtlich 15 Millionen Euro und ein Ministadion, in das nur 15.000 Zuschauer passen. Die Geschichte eines kleinen Fußball-Märchens.
"Paderborn ist der geilste Verein der Welt, weil erst wird er örtlich bekannt, so durch uns hier, dann weiter weg. Und irgendwann werden wir n Namen in der Liga haben, so werden wir in Deutschland bekannt, dann in zwei, drei Jahren Champions League – dann fahren wir nach Real oder nach Barcelona, was weiß ich wohin – dann werden wir auch weltweit bekannt."
So klingt es, wenn ostwestfälische Fußballfans im Überschwang der Gefühle ins Schwärmen geraten. Vorbei die Zweitliga-Zeiten, da man beschwerliche Busfahrten nach Sandhausen oder Aue absolvieren musste. Warum nicht nach den Sternen greifen? Nach dem einigermaßen überraschenden Aufstieg des SC Paderborn 07 in die Eliteliga erscheint nichts mehr unmöglich. Da ist schon mal ein bisschen Abheben erlaubt. Und wie sehen die Tatsachen aus?
"Wir haben mit Abstand den geringsten Etat. Wir haben mit Abstand die schlechtesten Voraussetzungen und Trainingsbedingungen im Vergleich zu den Topmannschaften, mit denen wir uns messen. Und trotzdem wollen wir für viele Sensationen sorgen."
Der Trainer kam vom Viertligist Havelse
André Breitenreiter, der Trainer des SC Paderborn 07. Der 40-Jährige kam erst vor einem Jahr mit Co-Trainer Volkan Bulut vom Viertligisten TSV Havelse nach Ostwestfalen-Lippe und schaffte auf Annhieb den Aufstieg. Eine Sensation. Noch im vergangenen Winter dümpelte sein Team im Mittelfeld der Zweiten Liga. Nach einer phänomenalen Rückrunde wurde am letzten Spieltag Fußball-Geschichte geschrieben.
Tagesschau: "Der SC Paderborn spielt in der nächsten Saison erstmals in der Fußball-Bundesliga. Die Ostwestfalen machten heute zuhause mit einem 2:1 gegen den VfR Aalen den Aufstieg perfekt. Nach den sicheren Aufsteigern aus Köln können nun auch die Paderborner feiern."
"Wir machen im Moment Quantensprünge, Quantensprünge nicht nur auf sportlicher Seite. Wir rücken zusammen, wir werden eine Einheit. Paderborner werden zu Freunden, politische Gegner umarmen sich. Es ist ein grandioser Tag heute."
Paderborns Präsident Wilfried Finke bei der Aufstiegsfeier Anfang Mai dieses Jahres. Der Aufstieg, so tönte der Möbelmogul seinerzeit euphorisch, sei – historisch gesehen – der dritte Höhepunkt für Paderborn: nach der Übernachtung von Karl dem Großen im Sommer 799 und dem Besuch von Papst Johannes Paul II. vor 18 Jahren. Da mochte auch der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker nicht zurückstehen. Einem WDR-Team gestand er beim Dreh für den Film „Das Wunder von Paderborn":
"Ich freue mich riesig mit. Ich hab ja auch schon genug mit ihnen gelitten. Und von daher bin ich jetzt auch froh, dass sie endlich mal so weit sind, und ich freu mich riesig, und ich würd mich noch mehr freuen, wenn's zum Erfolg käme, zum absoluten Erfolg käme."
Ein Möbelunternehmer als Mäzen
Der Möbelunternehmer Wilfried Finke ist seit 17 Jahren wichtigster Mäzen des Vereins. Ohne sein Engagement wäre der aktuelle Aufschwung des Klubs nicht denkbar gewesen. Er gilt als besonnener Kaufmann, riskante finanzielle Abenteuer sind von ihm eher nicht zu erwarten. Die Rolle des Underdogs der Liga nimmt er bereitwillig an. Gleiches gilt auch für Manager Michael Born.
"Nein, das ist klar, dass wir der krasseste Außenseiter aller Zeiten sind, weil selbst Vereine wie Braunschweig und Fürth waren vielleicht doch ein Stück weiter als wir. Aber nichtsdestotrotz gehen wir positiv die Saison an. Wir haben uns mit unseren Möglichkeiten optimal verstärkt. Es ist uns gelungen, unsere Leistungsträger an den Verein zu binden. Wir haben keine Abgänge. Von daher haben wir in dem Punkt vielleicht bessere Voraussetzungen als zum Beispiel Greuther Fürth. Und wir erhoffen uns schon, dass wir auch mit unserer Philosophie in der ersten Liga ne gute Rolle spielen können."
Die Mannschaft nachdem sie sich den Aufstieg in die Bundesliga gesichert hat.
Die Mannschaft nachdem sie sich den Aufstieg in die Bundesliga gesichert hat.© Oliver Krato/dpa
Im Trainingslager am idyllischen Achensee in Tirol. Noch nie ist ein Team mit einem so niedrigen Etat in die Bundesliga aufgestiegen. Gerade mal sechs Millionen Euro kostete Paderborns Zweitliga-Kader. Jetzt wurde das Budget auf rund 15 Millionen erhöht. Zum Vergleich: Mitaufsteiger 1. FC Köln verfügt über mehr als 25 Millionen Euro. Mit den bescheidenen Mitteln Paderborns können natürlich keine Cracks verpflichtet werden. Paderborns teuerster Einkauf ist Flügelstürmer Moritz Stoppelkamp. Er kam für 700.000 Euro von 1860 München.
"Der SC Paderborn möchte junge, hungrige Spieler entwickeln, die leistungswillig und leistungsbereit sind. Entsprechend haben wir auch nach genau diesen Typen geschaut, die uns sportlich weiter bringen und die Qualität im Kader heben."
Viele Spieler sind einige Umwege gegangen
Nicht wenige der Paderborner Spieler sind erst jetzt nach einigen Umwegen in der deutschen Eliteklasse angekommen. Das gilt für Stoppelkamp ebenso wie für Mittelfeldmann Lukas Rupp von Borussia Mönchengladbach.
"Ja, die beiden Neuzugänge Lukas Rupp und Moritz Stoppelkamp, die haben 34 bzw. 44 Erstligaspiele gesammelt in zwei oder drei Jahren bei Mönchengladbach und Hannover. Das muss man aber auch relativieren, das machen die Spieler auch, das sind viele Spiele dabei, wo es dann sich um zehn Minuten oder 15 Minuten Einsatzzeiten gehandelt hat. Der Rest ist wirklich sehr überschaubar, was die Erstligaerfahrung angeht."
Sportredakteur Peter Klute, der für die Paderborner Lokalzeitung "Westfälisches Volksblatt" das Trainingslager beobachtet. Für einige Spieler ist der Klub die zweite Chance. Neuzugang Stefan Kutschke kam beim VfL Wolfsburg kaum zum Zuge. Ebenso wenig Stürmer Marvin Ducksch, der für ein Jahr auf Leihbasis vom BVB aus Dortmund verpflichtet wurde. Was auffällt: Bislang verstärkte sich der Klub vor allem in der Offensive. Also dem Teil der Mannschaft, der in der Aufstiegssaison am meisten überzeugte. Mit 63 Toren erzielte Paderborn sogar zehn Treffer mehr als Zweitligameister Köln. Gleichzeitig kassierte man 48 Gegentore – mehr als jedes andere Spitzenteam. Manager Born verteidigt die dennoch bisherige Einkaufspolitik.
"Gerade Greuther Fürth und Braunschweig - bei den Vereinen hat man gesehen, dass die Durchschlagkraft in der Offensive gefehlt hat. Aus dem Grund haben wir uns mit Kutschke, Ducksch, Ouali und Stoppelkamp in der Offensive verstärkt. Und im Abwehrbereich ist es so, dass wir uns da auch noch umschauen, ob es eventuell noch Optimierungsbedarf gibt. Da haben wir ja noch bis Ende August Zeit."
"Wir wissen alle, dass wir als Mannschaft sehr gut gegen den Ball arbeiten müssen, weil wir sicherlich viele Spiele haben werden, wo der Druck groß sein wird, wo wir sehr gut defensiv stehen müssen. Trotzdem wollen wir uns unserer Stärken nicht berauben, das war natürlich letztes Jahr größtenteils die Offensive. Wir waren sehr offensivstark, haben viele Tore geschossen und waren sehr unberechenbar. Und trotzdem wissen wir natürlich, dass die Defensive das A und O ist."
Die mangelnde Erstligaerfahrung, so Hünemeier, müsse nicht unbedingt ein Nachteil sein. Fehlende Routine werde die Mannschaft mit umso mehr Leidenschaft ausgleichen.
"Jeder von uns hat den Ansporn, zu zeigen, dass er die 1. Bundesliga kann. Und ich glaube, das macht es einfach aus. Kein Spieler steht über dem anderen, sondern alle sind gleich. Für viele ist es das Bundesliga-Debüt, für einige ist es vielleicht nach 10 Bundesligaspielen das elfte. Das macht es einfach aus. Und ich glaube, das macht uns dann hoffentlich auch so stark, und das wird man dann auch auf dem Platz sehen."
"Paderborn ist keine Fußballstadt gewesen, vielleicht wird sie es jetzt."
Volksblatt-Redakteur Peter Klute.
"Die Tradition ist nicht da gewesen, weil es ja ein Fusionsklub ist. Es hat n Tus Schloss Neuhaus gegeben, der hat mal Zweite Liga gespielt in den 80ern, den 1. FC Paderborn, daraus ist der Tus Paderborn Neuhaus entstanden, und dann der SC Paderborn 07."
Negativ in den Schlagzeilen wegen eines Wettskandals
Arminia Neuhaus – so hieß der 1907 gegründete erste Fußballverein im Kreis Paderborn. Diverse Fusionen mit anderen lokalen Klubs folgten. Bis in die siebziger Jahre spielte der Verein sportlich so gut wie keine Rolle. Erst 1982 stieg man – damals unter dem Namen Tus Schloss Neuhaus als Westfalenmeister erstmals in die 2. Bundesliga auf. Um gleich darauf wieder abzusteigen. Erst seit der Saison 2005/06 konnte sich der Klub – inzwischen als SC Paderborn 07 – mit einer kurzen Unterbrechung dauerhaft in der 2. Bundesliga etablieren. Kurz davor geriet der Verein unfreiwillig negativ in die Schlagzeilen: ein Wettskandal, besser bekannt als Hoyzer-Affäre. Manager Born:
"Ja, ich bin ja von 96 - 2008 und dann ab 2011 wieder für den Verein tätig gewesen. Ich hab also die Hoyzer-Geschichte hautnah mitbekommen. Wobei der Verein in der Geschichte auch mehr Opfer als Täter war. Die Dinge liegen aber schon sehr lange zurück. Gut, man wird von den Medien in der einen oder anderen Situation drauf angesprochen, für uns ist es aber kein Thema mehr."
Konkret ging es um das Pokalspiel der ersten Runde im Sommer 2004 zwischen dem SC Paderborn 07 und dem Hamburger SV, das überraschenderweise mit 4:2 für den Außenseiter zu Ende gegangen war. Der später zu einer mehr als zweijährigen Haftstrafe verurteilte Schiedsrichter Robert Hoyzer hatte seinerzeit zwei sehr umstrittene Strafstöße und einen ebenfalls umstrittenen Platzverweis gegen den HSV gegeben. 2007/08 kostete der einjährige Abstieg in die damals neugebildete 3. Liga den langjährigen Manager Michael Born sogar vorübergehend seinen Job.
20.00 Fans feierten den Aufstieg
"Was im letzten halben Jahr passiert ist, ist für die Stadt unglaublich. Die Mitgliederzahl ist von 1.800 auf 10.000 gestiegen, das Stadion ist jetzt für die neue Saison so gut wie ausverkauft für jedes Spiel. Die Innenstadt ist in den letzten Wochen der Meisterschaft geschmückt gewesen, überall hingen Fahnen. Es waren 20.000 Fans am 11. Mai nach dem Aalen-Spiel im strömenden Regen vorm Rathaus und haben den Aufstieg gefeiert – das hat's noch nie gegeben!"
Sportredakteur Peter Klute. Knapp 145.000 Menschen wohnen in der Stadt des Bundesliga-Neulings. Es ist eine sehr junge Stadt: Jeder fünfte Einwohner ist Student. Die erst 2008 eingeweihte Benteler Arena verfügt über gerade mal 15.000 Plätze. Die Anzahl der ausverkauften Partien ließ sich bislang an zwei Händen abzählen. Damit dürfte es einstweilen vorbei sein. Obwohl der Verein die Preise für Dauerkarten um bis zu 90 Prozent erhöht hat, wurden alle Plätze verkauft. Nicht allen Fans schmeckt der aktuelle Hype um den Klub. Zum Beispiel Jürgen Patzer, Ultrafan der ersten Stunde.
"Was mich'n bisschen nervt, sag ich ma, das sind diese Schönwetter-Fans, die jetzt aus ihren Löchern kommen und jetzt ins Stadion rein strömen, so als gibt's kein morgen mehr. Wo waren die denn letztes Jahr, als wir Neunter waren, in der Hinrunde? War auch keiner da."
Ärger über die Schönwetter-Fans
An einen Ausbau der Arena wird vorläufig nicht gedacht. Sollte aber der Klassenverbleib gelingen, dürfte die Frage erneut aufgeworfen werden. Und noch ein Problem harrt der Lösung. Anwohner hatten bereits in der Baugenehmigung für das Stadion verankert, dass es rund um die Arena um 22 Uhr still sein muss. Deshalb gab es in der Zweiten Liga keine Montagsspiele. Deshalb gibt es zunächst in der Bundesliga keine Freitagsspiele. Denn unter der Woche müsste um 19 Uhr angepfiffen werden. Ob der frühe Zapfenstreich bald aufgehoben wird, steht in den Sternen.
"Das sind gesetzliche Regelungen, die eigentlich in ganz Deutschland gelten. Wir sind natürlich mit den Anwohnern im Dialog, erhoffen uns natürlich, dass da Einsicht herrscht, aber momentan gibt es noch kein Endergebnis."
Reporter: "Was halten Sie denn davon, dass hier bald der große Bundesligazirkus herrscht?"
Anwohner: "Ich möchte darüber jetzt gar nicht sprechen."
Die Fußgängerzone Westernstraße in Paderborn
Die Fußgängerzone Westernstraße in Paderborn© dpa / picture alliance / Robert B. Fishman
An diesem Tag bestreitet Paderborn ein Testspiel gegen den israelischen Erstligisten Maccabi Haifa. Um den Sportplatz herum ein massives Polizeiaufgebot. Bei einer anderen Übungspartie von Haifa hatten Pro-Palästinenser den Rasen gestürmt und die israelischen Spieler attackiert. Diesmal passiert nichts. In der zweiten Halbzeit wechselt Paderborns Trainer Breitenreiter gleich vier Spieler auf einmal aus.
Der kleine Flügelstürmer Süleyman Koc steht seit Anfang des Jahres beim SC Paderborn unter Vertrag. Bis Januar verbüßte er in in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit eine Haftstrafe wegen schweren Raubs. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder war er Mitglied einer Gang, die im Berliner Wedding Cafés und Spielcasinos überfiel. Koc saß am Steuer des Fluchtwagens. U-Haft, später Freilassung gegen Kaution, danach offener Vollzug. Lange sah es nicht so aus, als könne aus seiner Karriere noch etwas werden.
"Wenn man drei Jahre im Gefängnis sitzt, ist es normal, dass der Körper irgendwann abbaut. Ich hab ein Jahr in Untersuchungshaft gesessen, und dann erst hab ich zugenommen, war dann von 78 auf 106 Kilo. Jetzt bin ich topfit und gebe weiter Gas."
Als Freigänger entwickelte sich Koc in der Hinrunde der vergangenen Saison zum Top-Torjäger beim inzwischen viertklassigen SV Babelsberg. "Nachts in der Strafanstalt, tagsüber im Strafraum", dichtete ein Sportreporter der "Süddeutschen Zeitung". Dann entdeckten ihn die Scouts des SC Paderborn. Und verpflichteten ihn kurzentschlossen – dem Vernehmen nach zum Schnäppchenpreis von 65.000 Euro. Koc dankt es dem Klub mit unbändigem Ehrgeiz. Manager Born ist des Lobes voll.
"Ja, Süleyman Koc hat ne Topentwicklung genommen. Wir haben ihn als nen Spieler gesehen, der aus der Regionalliga kommt, aber ein enormes Entwicklungspotential hat. Das hat er bisher gezeigt. Ich denke, er ist auf nem sehr guten Weg und wird auch in der ersten Liga seine Einsatzzeiten bekommen."
Innerhalb eines Jahres aus dem Knast in die Erste Bundesliga – der 25-Jährige macht den Eindruck, als könne er sein Glück immer noch nicht fassen. Mit seiner Vergangenheit habe er abgeschlossen, versichert er.
"Ja, schon lange. Ich bereue das immer noch. Ich hab meine zweite Chance bekommen, hab sie auch genutzt, und wünsche es jedem anderen Inhaftierten oder Jugendlichen, der seine zweite Chance bekommt und sie nutzt."
Bekannt für Angriffsfußball
Das Testspiel gegen Haifa endet mit einer knappen 1:2 Niederlage Paderborns.
In der Aufstiegssaison überzeugte der Neuling mit erfrischendem Angriffsfußball, untermauert durch aufwändiges Pressing und hohe Laufleistung. Mit Torschützenkönig Mahir Saglik und Freistoßkünstler Alban Meha verfügt die Mannschaft über zwei Top-Scorer – beide konnten gehalten werden. Trainer Breitenreiter sieht daher keinen Grund für eine veränderte Spielweise.
"Wir möchten in der Bundesliga offensiven, attraktiven Fußball anbieten und haben gesehen, dass wir dort auch schon die meisten, oder die zweitmeisten Tore erzielt haben. Was unsere Gegentore in der letzten Saison angeht, resultierten die in erster Linie durch individuelle Fehler zu Beginn der Saison. Wir haben in der Rückrunde nur die zweitwenigsten Torschüsse zugelassen und die drittwenigsten Gegentore bekommen, was für eine sehr gute Kompaktheit der Mannschaft spricht."
Ob diese Entwicklung ausreicht, um auch im Oberhaus des deutschen Fußballs mithalten zu können? Breitenreiter setzt auf mannschaftliche Geschlossenheit und kämpferische Tugenden.
"Ich glaube einfach, dass wir eine hohe Laufbereitschaft brauchen, dass wir ein brutales Zweikampfverhalten benötigen, neben unseren spielerischen Glanzpunkten, die wir auch in der letzten Saison gesetzt haben. Aber die Basis ist, zu arbeiten als Team zu funktionieren, und das werden wir auch in der nächsten Saison umsetzen."
Also alles klar für das große Abenteuer Bundesliga? Bei den etablierten Klubs hält sich die Begeisterung über den Newcomer in Grenzen. Warum musste es Paderborn sein, warum nicht ein Traditionsklub wie 1860 München oder der 1. FC Kaiserslautern? 250.000 Zuschauer werden die 17 ausverkauften Heimspiele in der Paderborner Arena besuchen. Das schafft der gerade mal 100 Kilometer weiter südwestlich beheimatete BVB in drei Heimpartien. Die graue Maus Paderborn, so heißt es bei der Konkurrenz, werde mangels Stars weder die Massen anziehen noch eigene Fans zu den Auswärtspartien mobilisieren. Manager Born hält dagegen.
"Ich denke, da werden sich einige Vereine wundern. Wir haben schon in der Vergangenheit sehr viele Fans auswärts mitgebracht. Klar ist die Bundesliga-Saison für unsere Fans auch was ganz Besonderes. Ich denke schon, dass wir da in der Lage sein werden, so manchen Auswärtsblock auch zu füllen. Andererseits ist es so: Wir haben uns sportlich qualifiziert, und diese Stimmen interessieren mich eigentlich sehr wenig."
Wie der Zufall so spielt: Just in dem Moment, da die Paderborner mit dem Aufstieg den größten Erfolg der Vereinsgeschichte feierten, ereilte den jahrzehntelang dominierenden Erzrivalen aus Bielefeld das gegenteilige Schicksal: Am Ende der Saison rettete man sich mit Mühe auf den Relegationsplatz. Doch das half nichts: Nach einem 3:1 Hinspielsieg in Darmstadt unterlag man im Heimspiel mit 2:4 nach Verlängerung und stieg aufgrund der Auswärtstorregel in die 3. Liga ab. Schadenfreude kam in Paderborn trotzdem nicht auf.
"Wir haben unter den Verantwortlichen einen sehr guten Kontakt. Und es ist wirklich bitter für Arminia, dass sie jetzt in die 3. Liga abgestiegen sind. Gleichwohl ist es ja schon seit mehreren Jahren so, dass wir sportlich da die Führungsrolle in Ostwestfalen übernommen haben. Das war unser Ziel, und da sind wir auch sehr stolz drauf, dass uns das gelungen ist."
Schadenfreude über Arminia Bielefeld
Sportredakteur Peter Klute vom lokalen Marktführer "Westfälisches Volksblatt" vermag dagegen eine gewisse Genugtuung nicht verhehlen.
"Ich kann mir schon vorstellen, dass der Neid in Bielefeld jetzt sehr groß ist. Wenn man mir als gebürtigem Paderborner vor 20 Jahren mal gesagt hätte, dass Paderborn 2014 zwei Klassen über Bielefeld spielt, dann hätte ich das nicht geglaubt. Das hätte auch keiner geglaubt. Und Arminia hat jahrelang 1. Liga gespielt. Irgendwann waren dann die Vereine in einer Liga, das hat glaube ich beiden ganz gut getan. Diese Konstellation – da können, glaube ich, die Bielefelder nicht so gut mit umgehen."
"Steigt man eigentlich als Sportredakteur auch auf?"
"Das ist ne gute Frage. Also zumindest berichte ich jetzt über die 1. Bundesliga. Sicherlich ist es was anderes, als Spieler und auch als Redakteur, ob man in der Allianz Arena oder in Dortmund oder Schalke im Stadion sitzt, als wenn man jetzt nach Aue, Sandhausen oder Aalen fährt. Das ist ganz einfach so. Und wir hoffen natürlich auch, dass die Zeitung dann noch mehr gelesen wird als in der 2. Liga."
Was darf, was kann man dem Neuling in seiner ersten Bundesliga-Saison zutrauen? Jeder Aufsteiger, das lehrt die Erfahrung, hat es schwer, im Wettbewerb mit den ganz Großen zu bestehen. Für die meisten Beobachter und Experten gilt der SC Paderborn 07 als Abstiegskandidat Nummer 1. Andererseits zeigt das Beispiel des FC Augsburg, dass auch mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln sportlich überzeugende und konkurrenzfähige Leistungen möglich sind. Wohin geht die Reise der Paderborner: auf den Spuren des FCA oder doch eher auf denen von Eintracht Braunschweig?
"Ich hoffe eher FCA, und ich denke, dafür werden wir ne Menge tun. Dafür werden wir alles geben, dass uns eine ähnliche Entwicklung wie die des FC Augsburg gelingt."
Meint Manager Michael Born. Trainer André Breitenreiter hält sich bedeckt.
"Prognosen abzugeben ist schwer. Wir werden unser Bestes geben, und ich bin mir sicher, dass wir für die eine oder andere Überraschung sorgen werden."
Drei Heimspiele zu Saisonbeginn
Mannschaftkapitän Uwe Hünemeier gibt sich gemäßigt optimistisch.
"Unser Ziel ist natürlich der Klassenerhalt, ist ja logisch. Wir wissen, dass es sehr, sehr schwierig wird. Wir haben die wenigsten Möglichkeiten wirtschaftlich. Uns traut letztendlich keiner was zu. Trotzdem wissen wir um unsere Chance."
Nicht auszuschließen, dass der Terminkalender den Paderbornern ein wenig in die Karten spielt. An den ersten vier Spieltagen hat die Mannschaft nicht weniger als drei Heimspiele zu absolvieren, gegen Mainz 05, den 1. FC Köln und Hannover 96. Dazwischen liegt eine Auswärtspartie beim HSV. Keine ganz unlösbaren Aufgaben, sollte man meinen. Das findet auch Sportjournalist und Lokalpatriot Peter Klute.
"Ich denke, dass es für die Spieler, für den Verein, für die Stadt unglaublich wichtig ist, dass sie in den ersten vier Spielen, in den ersten drei Heimspielen Punkte holen. Weil sonst ist die Gefahr schon da, dass man im Oktober feststellen muss, man hat vielleicht den Anschluss schon verloren. Ich glaube, dass die Mannschaft von der Qualität her besser ist als letztes Jahr und dass sie auch besser ist als Eintracht Braunschweig zum Beispiel. Ob es am Ende realistisch ist, drei Mannschaften zu finden, die man hinter sich lassen kann, ist für mich ganz, ganz schwer zu prognostizieren."
Sandhausen, Aue und Aalen – das war gestern. Mit Bayern München, dem BVB oder Bayer Leverkusen warten jetzt Gegner anderen Kalibers auf den SC Paderborn. Schiss vor den großen Namen, vor Reus, Robben und Ribery? Süleyman Koc winkt ab:
"Schiss nicht, eher: Wir freuen uns auf Bayern München, Leverkusen, Stuttgart und alle. Ja, gegen Bayern ist das so: Wir haben ne andere Motivation gegen Bayern München zu spielen, das ist die weltbeste Mannschaft. Aber das hat jetzt nicht zu sagen, dass wir ne Klatsche von Bayern bekommen werden. Wenn wir n Unentschieden holen gegen Bayern, dann ist das auch gut. Aber wenn wir jetzt schon sagen, wir kriegen ne Klatsche, dann brauchen wir gar nicht erst auf den Platz rauf."
Die Fans jedenfalls können den Bundesliga-Start kaum noch erwarten.
"Das ist der Wahnsinn, ist das! (...) Wir sind jetzt 1. Liga! Wir spielen gegen Bayern, Dortmund, Schalke – die können sich auf was gefasst machen!!"
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