Fusion-Festival in Lärz beginnt

"Ferienkommunismus" ohne Wasserwerfer

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"Kulturkosmos" und ein Stern mit der typischen "Fusion"-Rakete sind am Eingangstor zum Festivalgelände zu sehen.
"Kulturkosmos" und ein Stern mit der typischen "Fusion"-Rakete sind am Eingangstor zum Festivalgelände zu sehen. © dpa / picture alliance/ Bernd Wüstneck
Von Silke Hasselmann · 26.06.2019
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Vier Tage Musik, Theater, Performance, Film: Zehntausende Besucher werden ab heute zum Fusion-Festival in Lärz erwartet. Hinsichtlich des Sicherheitskonzepts fanden Behörden und Veranstalter einen Kompromiss: Die Polizei bleibt draußen, aber in der Nähe.
Eigentlich wussten schon viele Leute, dass das "Fusion"-Festival auf dem ehemaligen Militärflugplatz Lärz etwas Besonderes ist. Zuletzt gab es stets mehr Interessenten als Eintrittskarten. Doch Anfang Mai schlug ein Streit zwischen den Veranstaltern und der Polizei derart hohe Wellen, dass vermutlich jeder im Land von der Fusion gehört und verstanden haben dürfte, dass es sich dabei um einen Mix aus elektronischer Musik, Theater, Kunstinstallationen und politischen Debatten unter freiem Juni-Himmel handelt.
Das Problem: Der Verein Kulturkosmos legte erst lange nach Ablauf der Frist ein lückenhaftes Sicherheitskonzept vor, das das Amt Röbel so nicht genehmigen wollte. Der Präsident des zuständigen Polizeipräsidiums Neubrandenburg, Niels Hoffmann-Ritterbusch, erklärte sogar, dass die Polizei endlich eine Wache direkt auf dem Festivalgelände brauche, um im Unglücks- oder Anschlagsfall umgehend eingreifen zu können:
"Keine Polizei - keine! - kann in einem Unglücksfall auf ein Gelände kommen, wenn ihr 20.000 Menschen entgegenkommen."

"Wir brauchen beim Feiern keine Polizei"

Das wäre "der Anfang vom Ende des Festivals", unkten die Veranstalter. Martin Eulenhaupt von Kulturkosmos Müritz zum Beispiel sprach es nicht so deutlich aus, hatte aber sowohl den teils linksradikalen Teil des Publikums im Blick als auch den weitverbreiteten Drogenhandel und -konsum auf dem Festival, als er sagte:
"Polizei, wenn sie dort tätig ist - das steht im Kontrast zu dem, was die Leute wollen, die dort zum, Feiern sind. Die sagen: 'Wir brauchen beim Feiern keine Polizei, die uns beobachtet!'"
Der CDU-Bürgermeister der nahegelegenen Stadt Mirow solidarisierte sich mit den Veranstaltern: Die Fusion sei das friedlichste Festival weit und breit. Dass ein frühes Einsatzkonzept der Polizei auch Wasserwerfer vorsah: seiner Meinung nach unverhältnismäßig und provozierend.
Abendstimmung auf der Fusion - im Vordergrund tanzende Menschen, im Hintergrund ein hell erleuchtete Bühne.
Feiern auf der Fusion© EyeEm / Nico Schroeter
Der ehemalige Polizeichef von Röbel hingegen berichtete davon, dass Polizeibeamte oft nur sehr zögerlich auf das Privatgelände gelassen würden, selbst wenn sie zu Körperverletzungen, Diebstählen oder anderen Delikten gerufen wurden. Polizeipräsident Hoffmann-Ritterbusch:
"Wir wollen doch nicht in jedes Zelt gucken. Wir wollen doch nicht die Taschen kontrollieren und wir wollen auch nicht mit massiver Polizeipräsenz das Kulturerlebnis stören. Das ist doch nicht unser Ansinnen! Wir wollen schnell bei jedem Ereignis handlungsfähig sein.
Im Übrigen: Auf allen mir bekannten Festivals ist die Polizei vor Ort und, wie ich gelesen habe, sogar gern gesehener Partner. Und dass auf all diesen Festivals keine Feier möglich ist, dass man da nicht unbeschwert sein kann - das habe ich noch nie gehört."

Die Polizei bleibt draußen

Ende Mai dann ein Kompromiss: Es gibt keine Wache auf der Fusion, wohl aber direkt vor den Toren des Festivalgeländes auf dem ehemaligen Militärflughafen Lärz. Somit könne man die Idee vom "Ferienkommunismus" und einer "Parallelgesellschaft" weiterträumen, die vier Festivaltage und -nächte lang "frei von Zwängen und Kontrollen" existieren solle.
10.000 ehrenamtliche Helfer und Ordner hätten die Sicherheitsanforderungen der Großveranstaltung im Blick, die ansonsten Wert auf gegenseitige Toleranz, auf veganes Essen und auf die Abwesenheit von Kommerz und Großsponsoren legt.
Techno-Festival auf dem Dorf: Martin Eulenhaupt organisiert die Fusion in Lärz
Techno-Festival auf dem Dorf: Martin Eulenhaupt organisiert die Fusion in Lärz© Gerhard Richter
Übrigens, so Martin Eulenhaupt weiter: Auch Fusion-Besucher wollten natürlich Sicherheit, Ordnung und einen Zugriff auf Geld. Soll es alles geben, nur eben nicht direkt auf dem Festivalgelände:
"Das verhält sich so wie mit dem Geldautomaten. Den will auf unserem Festival auch keiner sehen. Trotzdem ist er da, ist er wichtig. Wenn die Leute Geld brauchen, brauchen sie einen Geldautomaten. Deshalb steht er auch außerhalb auf dem Flugplatzgelände. Wenn jemand Geld will, muss er dahin gehen und zehn Minuten laufen.
So ähnlich sehen wir das mit der Polizei auch. Die Polizeiwache will auch auf dem Festivalgelände keiner sehen. Trotzdem ist es gut, wenn sie da ist, und wenn die Leute informiert sind, wo sie die finden und in zehn Minuten dahin laufen können."
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