Funky Alphorn-Klänge

Von Carolin Pirich · 11.10.2011
Eine Schweizerin, die auf dem Alphorn Jazz- und Funkmusik bläst – für Traditionalisten war die 28-jährige Eliana Burki Alphornistin zunächst gewöhnungsbedürftig. Doch inzwischen wird "Alphorn funky" in der Schweiz immer populärer.
"Das Alphorn hat einen sehr archaischen, tiefen Klang. Wenn man ihn hört, es geht schon tief ins Herz. Er hat so einen warmen, unbeschreiblichen Klang. Also ein Alphorn muss man schon live erleben, dass man überhaupt weiß, was für ein Klangvolumen ein solches Instrument von sich gibt."

Eliana Burki geht in die Knie und zieht den Reißverschluss ihrer schwarzen Tasche auf, die aussieht wie eine Sporttasche, nur unförmiger. Sie zieht ein silberfarbenes Horn heraus und kleine Teile, die sie wie ein Teleskop zusammenschraubt.
"Das ist so ein Karbon-Alphorn. Ich hab das immer dabei, auch wenn ich in die Ferien fahre, weil, ich kann das einfach so mitnehmen. Wenn ich mal ausgehe, das ist immer cool. Dann habe ich das auf dem Rücken. Ich schocke gern die Leute ab und zu."

Eliana Burki ist eine zierliche 28-Jährige in Röhrenjeans und auf beeindruckend hohen Absätzen. Das Haar, das ihr offen und lang über die Schultern fällt, trägt sie zurzeit blond. Darunter schaukeln große Ohrringe. An ihren Handgelenken klimpern Armreifen, als sie das Alphorn in Position bringt und hineinbläst: 3,70 Meter lang ist es, wie ein traditionelles Alphorn, aber es wiegt weniger als ein Kilo. Das lässt sich besser auf Reisen transportieren. Als das Karbon-Alphorn vor etwa zehn Jahren auf einer Spezialmesse präsentiert wurde, war Eliana Burki die erste Käuferin.

Eliana Burki ist sechs Jahre alt, als sie zum ersten Mal bewusst ein Alphorn hört. Ihr Vater, damals ein Radrennprofi, fährt über die Ziellinie und wird vom Klang des traditionellen Schweizer Instruments begrüßt.

"Ich war vom ersten Moment an begeistert. Ich hab zu meiner Mutter gesagt: Ich muss Alphorn spielen, ich kann nicht mehr Klavier spielen. Meine Mutter ist klassische Pianistin. Das tut mir so weh in den Ohren. Und ich wollte das unbedingt."

Normalerweise hört man das Alphorn nur…

"in den Bergen natürlich. Man hat es gebraucht, als man noch kein Telefon hatte. Und dann gibt es ganz viele Jodelfeste und Vereine, und da musst du in Tracht spielen. Du darfst gewisse Töne nicht spielen. Es gibt ganz bestimmte Regeln in einem Alpenverein. Sonst kannst du gar nicht lernen, wenn du nicht in einen traditionellen Verein bist."

Schon beim ersten Mal gelingt es der kleinen Eliana, dem riesigen Instrument Töne zu entlocken. Sie übt täglich. Mit elf gibt sie ihr erstes Konzert, und, anders als ihre Eltern es erwartet hätten, will sie es zu ihrem Beruf machen und gibt mit 16 ihre Ausbildung zur Tierarztgehilfin auf. Allerdings tritt sie da schon längst nicht mehr in Tracht auf, sondern in Jeans und auf Jazzbühnen. Es regt sich Widerstand in der Schweiz.

"Die waren schon geschockt. Es kamen ganz viele Leserbriefe: So kannst du doch nicht unsere Tradition verhunzen. Und jetzt merken sie, dass ich das mit Leidenschaft spiele, das ist kein Marketing-Gag."

Es gab aber auch bald viele Fans. Eine junge Frau, die keine Tracht trägt, sondern Jeans. Die anders spielt. Die überall in der Welt auftritt und in Japan, Amerika und Ägypten das Publikum begeistert. Auf ihren Konzerttourneen probiert sie immer Neues aus, zum Beispiel arabische Tonleitern für das Schweizer Nationalinstrument.

"Man hört es, Heart of Cairo zum Beispiel, ich bin in vielen arabischen Ländern herumgetingelt und war so fasziniert von dieser Musik, es ist wie eine neue Musikwelt."

Seit einigen Monaten wohnt Eliana Burki mit ihrem Freund, einem Schweizer Schlagzeuger, in Los Angeles. Das habe sich eben so ergeben, sagt sie. Sie habe dort ein Musikstudio, einen Produzenten und unzählige Musiker, von denen sie lernen könne.

Obwohl – vielleicht sollte man nicht von Wohnen sprechen. Eliana Burki ist nicht nur für Konzerte unterwegs, sondern besucht auch regelmäßig lungenkranke Kinder und Jugendliche in einem Sanatorium in Davos. Die Therapeuten seien auf sie zugekommen, ob sie nicht ihren Patienten helfen könne.

"Die haben viel Schleim auf der Lunge. Mit der Therapie können die besser atmen. Das ist etwas, das ich in Davos mache. Das ist für mich eine wichtige Arbeit, einfach weg von der Bühne."

Vermutlich ist Eliana Burki die Erste, die auf dem leichten, zusammenfaltbaren Alphorn "funky" spielte. Inzwischen ist sie aber nicht mehr die Einzige. Das stört sie schon ein bisschen, gibt sie zu.

"Wenn dann jeder so eins hat, ist es irgendwie nicht mehr dasselbe. Aber ist ja egal. Ich spiel's trotzdem noch gern."